Rheinland-Pfalz

Auch in Rheinland-Pfalz: Razzia gegen IS-Finanzierungsnetzwerk in mehreren Bundesländern

Von dpa
Durchsuchungen bei Letzter Generation - Berlin
Ein Polizist steht bei einer Hausdurchsuchung vor einem Fahrzeug. Foto: Christoph Soeder/picture alliance/dpa

Die Terrormiliz IS kämpft nach wie vor unter anderem in Syrien. Dafür wird auch in Deutschland Geld gesammelt. Der Justiz ist nun ein nahezu bundesweiter Schlag gegen die Helferinnen und Helfer gelungen.

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Weil sie Spendengelder für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gesammelt haben sollen, hat die Bundesanwaltschaft sieben mutmaßliche Unterstützer festnehmen lassen. Zudem habe es am Mittwochmorgen Durchsuchungen in zehn Bundesländern gegeben, teilte die Karlsruher Behörde mit. Mehr als 1000 Kräfte des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter der betroffenen Länder sowie der Polizei seien bei der großangelegten Razzia im Einsatz gewesen. Insgesamt wurden mehr als 100 Objekte durchsucht. Darüber hatten auch die Zeitungen „B.Z.“ und „Bild“ berichtet.

Durchsuchungen gab es einem Sprecher zufolge in Berlin, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auch in den Niederlanden wurde den Angaben nach ein Objekt durchsucht.

Verdächtige in Neuwied festgenommen

Festgenommen wurden drei Männer und vier Frauen in Ulm (Baden-Württemberg), im Landkreis Neuwied (Rheinland-Pfalz), in Bremen sowie je zwei im Kreis Heinsberg und im Rheinisch-Bergischen Kreis (beide Nordrhein-Westfalen). Sie seien als Finanzmittler in das internationale Finanzierungsnetzwerk eingebunden gewesen. „Durch ihr Sammeln von Spenden und deren Weiterleitung an den IS nahmen sie eine zentrale Rolle innerhalb des Finanzierungsnetzwerkes ein.“

Die oberste Anklagebehörde Deutschlands wirft den Beschuldigten – überwiegend deutscher, aber auch kosovarischer, marokkanischer und türkischer Staatsangehörigkeit – in erster Linie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor. Sie sollten noch an diesem Mittwoch und am Donnerstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Der entscheidet, ob sie in Untersuchungshaft müssen. Weiteren Beschuldigten werfen die Ermittler Geldzahlungen an das Finanzierungsnetzwerk zugunsten des IS vor.

Mindestens 65.000 Euro gesammelt

Seit 2020 hätten zwei Anhängerinnen des IS von Syrien aus über den Online-Dienst Telegram für Geldzahlungen geworben, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. „In das Netzwerk eingebunden waren Finanzmittler, die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten.“ Das gesammelte Geld sei an IS-Mitglieder in Syrien oder an von dort benannte Mittelsleute transferiert worden – insgesamt mindestens 65.000 Euro.

Die Zahlungen dienten den Angaben zufolge dazu, den IS zu stärken. „Die Gelder wurden insbesondere zur Verbesserung der Versorgungslage von in den nordsyrischen Lagern Al-Hol und Roj inhaftierten Angehörigen der Vereinigung genutzt“, erläuterte die Bundesanwaltschaft. „Teilweise wurde den Inhaftierten mit den Geldern die Flucht oder Schleusung aus den Lagern ermöglicht.“

Die Kampagnen in sozialen Medien mit Titeln wie „Deine Schwester im Camp“ laufen nach dpa-Informationen schon seit einigen Jahren. Sie sollen IS-Frauen finanziell unterstützen, die mit ihren Kindern seit der militärischen Niederlage der Terrormiliz in Syrien leben, vor allem in dem von kurdischen Gruppen kontrollierten Lager Al-Hol.

IS-Unterstützung seit 2014 strafrechtlich verfolgt

Immer wieder gab es Berichte, wonach Frauen, Kinder und Jugendliche, die sich dem IS bis heute zugehörig fühlen, gegen Zahlung hoher Geldbeträge aus dem Lager geschmuggelt wurden. Von den mehreren Dutzend IS-Frauen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt sind, wurden etliche nach ihrer Ankunft inhaftiert und vor Gericht gestellt. Ein Teil von ihnen kam über Rückholaktionen mit ihren Kindern aus Syrien nach Deutschland, andere wurden abgeschoben oder kamen auf eigene Faust zurück.

Der IS kontrollierte über Jahre große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien und im benachbarten Irak. Im Juni 2014 rief er ein sogenanntes Kalifat aus und reklamierte seinen Führungsanspruch im globalen Dschihad. Die Hochphase endete laut dem Verfassungsschutz 2016. Mittlerweile haben die Extremisten ihr Herrschaftsgebiet wieder verloren. IS-Zellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv.

Seit Anfang Januar 2014 können gemäß Strafgesetzbuch Taten von Mitgliedern oder Unterstützern des IS, die deutsche Staatsbürger sind, sich in Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, strafrechtlich verfolgt werden. Das Innenministerium erließ ferner am 12. September 2014 ein Betätigungsverbot für den IS in Deutschland. Dieses umfasst unter anderem jegliche Beteiligung in sozialen Medien und Demonstrationen zugunsten des IS und jede Art von Unterstützungshandlung wie das Einwerben von Geld und Material sowie das Anwerben von Kämpfern. Diese Handlungen sind seither strafbar.

Die Fälle in Rheinland-Pfalz

In den Landkreisen Mainz-Bingen, Germersheim, im Rhein-Pfalz-Kreis, Donnersbergkreis sowie in Mainz und Koblenz seien Objekte durchsucht worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz mit. Auch in Saarbrücken und im hessischen Darmstadt habe es Durchsuchungen gegeben. Dabei seien „schriftliche Unterlagen, Datenträger und Kommunikationsmittel“ sichergestellt worden.

Beschuldigt werden hier laut Generalstaatsanwaltschaft acht Menschen – davon sieben mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz und ein Beschuldigter mit Wohnsitz im Saarland und Hessen. Gegen sie bestehe der Verdacht, auf Spendenaufrufe von IS-Angehörigen über Dritte Geld nach Syrien transferiert zu haben. Das Geld soll dazu gedient haben, Hafterleichterungen für inhaftierte IS-Angehörige in Gefangenenlagern in Nordsyrien zu erreichen. Teilweise sei das Geld auch zur Flucht aus den Lagern genutzt worden.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wird einem weiteren Beschuldigten aus dem Landkreis Neuwied zudem vorgeworfen, als Finanzmittler in das Netzwerk eingebunden gewesen zu sein. Der Mann wurde am Mittwochmorgen zusammen mit sechs weiteren Beschuldigten in Deutschland festgenommen.