Trier

Was wusste Bischof Spital über Missbrauch? Historiker untersuchen sexuelle Übergriffe im Bistum Trier

Von dpa
Hohe Domkirche zu Trier
Rückseite der Hohen Domkirche zu Trier und ein Teil des Kreuzgangs. Foto: Harald Tittel/DPA

Der frühere Bischof Hermann Josef Spital hat in den 80er- und 90er-Jahren nach Ansicht von Historikern unangemessen und mit milden Mitteln auf sexuellen Missbrauch im Bistum Trier reagiert, heißt es in einem Bericht der Universität Trier. Er war von 1981 bis 2001 im Amt. Währenddessen waren demnach mindestens 194 Menschen von sexuellen Übergriffen durch Kleriker und Amtspersonen betroffen. Die meisten Kinder und Jugendlichen waren männlich, rund 22 Prozent waren Mädchen oder junge Frauen.

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Die Forschenden identifizierten 49 Beschuldigte und Täter in diesem Zeitraum. 20 dieser Beschuldigten seien den Verantwortlichen innerhalb des Bistums bekannt gewesen, die anderen 29 erst nach 2010 bekannt geworden.

Der Bericht basiert auf der Auswertung von mehr als 1000 Akten und 20 Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Es handelt sich um den zweiten Zwischenbericht einer historischen Studie, die sexuellen Missbrauch durch Kleriker und Laien im Bistum Trier von 1946 bis 2021 wissenschaftlich aufarbeitet. Insgesamt dokumentierten die Trierer Historiker bislang Taten mit 711 Opfern und 234 Beschuldigten.

Ende 2022 ging es in einem ersten Bericht der Historiker um die Amtszeit des ehemaligen Bischofs Bernhard Stein (1967–1980). In dem aktuellen Bericht heißt es: „Ein Teil der Betroffenen ist durch den sexuellen Missbrauch traumatisiert worden.“ In der Gesellschaft der 80er- und 90er-Jahre habe es nur wenig Verständnis für die Folgen für die Psyche und Physis von Kindern und Jugendlichen gegeben. „Sakristeien, Pfarrhäuser, Wohnungen von Kaplänen und Pfarrern, Hotelzimmer bei Jugendfreizeiten wurden für sie zu Tatorten, und die meisten verloren dort auch ihr Vertrauen in kirchliche Autoritäten.“

Viele der Betroffenen hätten sich erst im mittleren oder späteren Erwachsenenalter als Opfer selbst erkannt und anderen anvertraut. Sie seien in ihrem weiteren Leben auf therapeutische Hilfe angewiesen. „Besondere Belastungen bis hin zu lebenslangen Schädigungen erlitten Kinder und Jugendliche, die über längere Zeit durch Priester missbraucht worden sind“ und „gezielt und erfolgreich psychisch abhängig gemacht worden sind“, schrieben die Autorin und der Autor.

In der Amtszeit von Spital habe es eine kleinere Gruppe von Mehrfach- beziehungsweise Intensivtätern gegeben, die „besonders viele Betroffene missbraucht haben und die dies über längere Zeit ihres Berufslebens taten“, heißt es im Bericht. 14 Bistums- und Ordensgeistliche seien für den Missbrauch von mindestens 148 Menschen verantwortlich.

Spital sei nicht unbedingt besser informiert, allerdings persönlich stärker involviert gewesen als Stein, habe von mindestens 13 der 20 damals bekannten Missbrauchsfälle gewusst, sie nicht aktiv vertuscht – aber Konsequenzen gab es meist nur intern. Die „moralische Pflicht zur Anzeige und Information staatlicher Stellen“ sei „vollständig vernachlässigt“ worden. Weihbischof Leo Schwarz war laut dem Bericht mindestens bei neun Fällen involviert: „Vor allem persönliche Verbindungen zu beschuldigten Priestern scheinen seine Urteilsfähigkeit getrübt zu haben.“

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier teilte mit, der Bericht bestätige und vertiefe ihre bisherigen Erkenntnisse: Das Handeln der Verantwortlichen sei „dadurch geprägt, das Wohl und die Akzeptanz der Kirche zu schützen – es ging wohl auch um die Erhaltung von gesellschaftlichem Status und Anerkennung des Klerus.“

Bischof Stephan Ackermann schrieb in einer Stellungnahme, der Bericht zeige, „wie Kirchenbilder, Rollenverständnisse und Machtstrukturen in der katholischen Kirche Missbrauch begünstigt sowie Aufklärung und Ahndung verhindert haben“. Das habe zugleich einen wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen unmöglich gemacht. Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Kirche einen sicheren Raum darstelle. Auch seine Rolle wie die von Bischof Reinhard Marx soll im Rahmen des Forschungsprojekts noch untersucht werden.