Hunsrück

Gen Z im Hunsrück: Schnell weg hier oder bleiben?

Von Jule Klein
Stadtansicht
Blick auf die Wohnhäuser und Geschäftshäuser in Berlin. (zu dpa: «EU-Parlament gibt grünes Licht für mehr Transparenz bei Airbnb und Co») +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Monika Skolimowska/picture alliance/dpa

Der Hunsrück. viele junge Menschen lieben oder hassen das Leben hier. Ein Dazwischen gibt es wohl kaum. Oft ist nach dem Schulabschluss zu hören: „Ich will so weit wie möglich weg von hier.“ Doch wie viele kommen nach einer Weile wieder oder gehen gar nicht erst weg?

Lesezeit: 7 Minuten
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Anderen wiederum kann die Distanz nicht groß genug sein. Denn hier gilt das Motto: Jeder kennt jeden. Aber was sagt die „Gen Z“ dazu? Was bedeutet für sie das Leben auf dem Hunsrück und wieso haben sie ihn vielleicht verlassen?

Maarten Grombein (22 Jahre)
Maarten Grombein (22 Jahre)
Foto: Jule Klein

Maarten Grombein (22 Jahre) stammt aus Buch. Sein Motto und seine Vorstellungen für das Studentenleben lauteten: „Je weiter weg, desto besser.“ Daher ist er nach seinem Abitur 2021 direkt nach Kanada gezogen. Er hat dort ein Sportstipendium ergattert, was ihm ermöglicht, sein Studium und das professionelle Fußballspielen miteinander zu kombinieren. Gleichzeitig finanziert das Stipendium sein Studium, weswegen er überhaupt die Möglichkeit hat, im Ausland zu studieren.

„Diese Kombination gibt es so in Europa nicht“, erzählt der 22-Jährige. Weiter noch: „Ich war ein solider Hunsrücker Kicker, aber nie mit Bundesligatendenzen. Ich spiele in Kanada zwar Fußball, aber hatte nicht den Plan, Profi zu werden, als ich dorthin gezogen bin.“ Eher war es für den jungen Mann aus Buch eine Möglichkeit, mal über den Tellerrand des Hunsrücks hinauszuschauen. Er wollte schon immer für eine absehbare Zeit ins Ausland.

„Für mich ist mein Wegzug vom Hunsrück eine Art Tapetenwechsel und eine Horizonterweiterung. Gerade in Kanada lernt man so viele neue Sprachen und Kulturen kennen“, erzählt Maarten. Im ländlichen Hunsrück hingegen lebe man oft mit der Mikroperspektive, dass es nur den Hunsrück gebe. „Ich will ein bisschen ausreißen und auf mich selbst gestellt sein“, sagt er.

Nicht vom Leben im Hunsrück aufhalten lassen

Für ihn war es wichtig, in seiner Findungsphase nach der Schule nicht von seinem Leben im Hunsrück zurückgehalten zu werden. „Ich glaube, für meine Persönlichkeitsentwicklung war es richtig, Neues kennenzulernen und nicht immer an den alten Mustern festzuhalten, wie das die meisten hier so gern machen.“

Dennoch schätze er jetzt den Hunsrück im Vergleich zu früher viel mehr. „Ich glaube, was so gut wie niemand abstreiten kann, sind die Dorfgemeinschaften und die sozialen Vernetzungen über den ganzen Hunsrück verteilt.“ Und Maarten empfindet gerade das als einen großen Pluspunkt des Hunsrücks. Besonders durch den Fußball ist er in der Region gut herumgekommen und hat viele gleichaltrige Leute kennengelernt. „Es ist auch super entspannt, dass Familie und Freunde so nah beieinander wohnen. Das macht die Besuche in Deutschland immer einfach.“

Beruflich gesehen sei der Hunsrück für ihn persönlich nicht so attraktiv. Und auch was die sozialen Möglichkeiten angeht, biete der städtische Raum viel mehr, gerade auch für die jungen Menschen. „Menschen in unserem Alter haben ja kaum noch Orte, wo sie sich treffen können. In der Stadt ist es kein Problem, feiern zu gehen, oder man muss nicht jedes Mal in dem einen gleichen Restaurant essen gehen. Neue Leute kennenlernen ist da auch viel einfacher als im Hunsrück. Man trifft nicht jedes Wochenende auf dieselben Menschen“, sagt der Bucher.

Derzeit lebt der 21-Jährige sogar wieder in Deutschland, genauer in Berlin. „Selbst in Deutschland gibt es so große Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen. Man muss nicht den Kontinent wechseln, um mal aus seiner Hunsrückblase herauszukommen“, erzählt Maarten. „Ich musste feststellen, dass ich mir eine ländlichere Region für einen dauerhaften Wohnort doch besser vorstellen kann als eine Platte in Berlin.“ Aber bisher sei nicht geplant, wieder zurück in den Hunsrück zu gehen. Im Gegenteil: In der nahen Zukunft hat Maarten vor, nach Dänemark zu ziehen. Dennoch lautet sein Fazit: „Das Wegsein hat mir die Augen geöffnet, dass es viele Dinge im Hunsrück gibt, die man wirklich wertschätzt, auch als junger Mensch, aber die sieht man meistens nur, wenn man mal weg war.“

Charlotte Daum (29 Jahre)
Charlotte Daum (29 Jahre)
Foto: Jule Klein

Man kann diese Dinge auch wertschätzen, wenn man nicht aus dem Hunsrück kommt, sondern hergezogen ist. So wie Charlotte Daum (29 Jahre) aus Kirchberg. Sie kommt ursprünglich aus Berlin und ist mit 20 Jahren im Hunsrück gelandet. Ihre Familie mütterlicherseits kommt aus Seibersbach, doch sie ist zusammen mit ihrer Mama mitten in der Großstadt Berlin aufgewachsen.

Die Tage bis zu den nächsten Ferien im Hunsrück gezählt

„Ich bin schon als junges Mädchen in jeden Ferien auf den Hunsrück gefahren. Ich habe immer die Tage gezählt, bis ich das nächste Mal wieder hier war“, erzählt die Wahl-Kirchbergerin. „So mit 16 Jahren bin ich dann auch immer allein runtergefahren. Das war auch das Alter, in dem ich mit meinen Cousins hier auf dem Hunsrück weggegangen bin.“ Charlotte erzählt, dass sie schnell in den Freundeskreis aufgenommen wurde und es dann noch schwerer wurde, nach den Ferien wieder nach Berlin zu müssen.

Nach dem Abitur wollte sie dann unbedingt in der Nähe des Hunsrücks studieren, hat jedoch keinen Platz bekommen. „Das hat mich aber nicht davon abgehalten, hier herzuziehen. Ich habe mich dann auf mögliche Ausbildungsplätze beworben und auch noch ziemlich schnell eine Wohnung in der Nähe meiner Familie gefunden. Da gab es dann kein Argument mehr, was gegen meinen Umzug gesprochen hat.“

Bereut hat sie ihre Entscheidung nie. Sie hatte mal Phasen mit Heimweh nach ihrer Mama und den Freunden in Berlin, aber niemals nach der Stadt selbst. „Was heftig war, war die Corona-Zeit. Da habe ich echt darüber nachgedacht, wieder zurückzugehen. Doch dann habe ich realisiert, wie gut ich es doch auf dem Hunsrück gerade in der Zeit habe. Einfach fünf Minuten rausgehen und man ist in der schönsten Landschaft unterwegs“, erzählt Charlotte.

Sie hatte auch nie das Gefühl, nicht dazuzugehören. „Durch meinen Freundeskreis, den ich mir in der Jugend schon aufgebaut habe, hatte ich ja schon Kontakte hier. Und ich habe direkt nach meinem Umzug angefangen, hier zu tanzen. Solch eine Gruppe oder ein Hobby lässt einen wirklich direkten Anschluss finden und das kann ich jedem nur empfehlen.“ Ein paar Mal gab es wohl auch die typische „Stadtkind kommt aufs Land“-Situation, erzählt Charlotte. „Ich musste mich am Anfang echt daran gewöhnen, den Müll an die Straße zu legen oder dass man samstags keine Überweisungen auf der Bank machen kann.“ Aber dennoch gibt es für sie sehr wenig, was an der Stadt besser wäre.

Ihr fehlen die kulinarische Vielfalt und die Möglichkeit, in unterschiedlichen Restaurants essen zu können. „Viele denken, dass man in Berlin alles machen kann. Das ist zwar auch so, aber das ist nicht das, was ich brauche“, erzählt die 29-Jährige. „Hier geht man aus dem Haus und ist in fünf Minuten bei einer Freundin im Garten. Man fühlt sich freier.“

Neben dem Nah-beieinander-Wohnen und dem Zusammenhalt, ist für Charlotte auch die Fastnacht ein großes Argument für den Hunsrück. Und „egal bei welchen Veranstaltungen, irgendwen kennt man immer. Ich kann mir vorstellen, dass es einige gibt, die das nicht mögen, aber ich schon.“ Als Fazit sagt die Kirchbergerin: „Ich bin hier angekommen und kann mir auch nicht mehr vorstellen, dass ich hier nochmal weggehe.“

Silas Bast (24 Jahre)
Silas Bast (24 Jahre)
Foto: Jule Klein

Wer auch niemals hier weggehen möchte, ist Silas Bast (24 Jahre) aus Ravengiersburg. Er erzählt: „Ich bin von Grund auf sehr heimatverbunden. Ich habe mich schon immer auf dem Hunsrück wohlgefühlt und denke, das wird sich auch nicht mehr ändern.“ Der 24-Jährige ist seit 2023 Schreinermeister und damit der sechste Schreinermeister im Familienbetrieb. „Nach der Schule wollte ich entweder zur Polizei oder etwas Handwerkliches machen. Dabei ist die Entscheidung dann auf die Zukunft im Familienbetrieb gefallen.“ Er habe nie das Gefühl gehabt, nach seinem Abitur groß weg zu müssen. „Vor allem meine Familie und meine Freunde haben dazu beigetragen, dass ich auf dem Hunsrück bleiben wollte.“

Auch mit seiner Jugend auf dem Hunsrück war er sehr zufrieden. „Für mich ist der einzige Nachteil auf dem Hunsrück, dass man abends nicht weggehen kann. Wir jungen Menschen haben kaum einen Ort, wo wir uns am Wochenende mal treffen und feiern können.“ Dass hier in der Region jeder jeden kennt, ist für Silas überhaupt kein Nachteil. „Man muss halt damit klarkommen, aber stören tut es mich überhaupt nicht. Denn der Hunsrück gibt mir einfach ein total familiäres und angenehmes Gefühl von Zuhause“, erzählt er. Dadurch könne er sich auch nicht vorstellen, aus der Region wegzuziehen: „Ich möchte immer in der Nähe des Betriebs bleiben, da ich mir beruflich neue Ziele gesteckt habe, die ich hier erreichen möchte.“

Auch ist Silas der Meinung, dass sich viele junge Menschen gar nicht mit den beruflichen Möglichkeiten, die der Hunsrück ihnen bietet, auseinandersetzen. „Es gibt hier so viele Möglichkeiten für die Aus- und Weiterbildung. Auch kann man über die HWK sogar für einige Zeit ins Ausland gehen.“ Für den 24-Jährigen ist es wichtig, etwas zur Stärkung der Region beizutragen. „Viele in meinem Alter, die mit mir Abitur gemacht haben, sind nicht mehr da.“

Um junge Menschen hier zu halten, müsse auch die Region ihren Beitrag leisten. „Ich habe da schon sehr viel Eigeninitiative gezeigt und hatte das soziale Umfeld, was mich hier gehalten hat. Andere haben das vielleicht nicht“, vermutet Silas. Abschließend meint der Ravengiersburger: „Ich würde jedem ans Herz legen, sich damit auseinanderzusetzen, was der Hunsrück einem bieten kann. Jeder bekommt hier die Möglichkeit, etwas aus sich zu machen. Ich bin froh, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein.“

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