Rheinland-Pfalz

Harter Schlag für die Weinregion an der Ahr: Jetzt droht auch noch dem Jahrgang 2021 Gefahr

Von Gisela Kirschstein
Zehntausende Weinflaschen hat die Flut zerstört: So wie diese Weinkellerei in Mayschoß wurden viele Winzerbetriebe hart getroffen.
Zehntausende Weinflaschen hat die Flut zerstört: So wie diese Weinkellerei in Mayschoß wurden viele Winzerbetriebe hart getroffen. Foto: dpa

Die Ahr galt nicht nur als eines der idyllischsten Täler im Westen der Republik, das Tal an der Ahr ist auch eine kleine, feine Rotweinregion. Doch während die Reben in den Weinbergen entlang der Hänge unberührt dem Herbst entgegenreifen, ist im Tal nichts mehr, wie es war.

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„Das komplette Gebäude der Winzergenossenschaft ist zerstört. Und wir wissen aktuell nicht, wo wir zuerst helfen und anfangen sollen“, heißt es etwa bei der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, der ältesten Winzergenossenschaft Deutschlands mit langer Geschichte und tiefen Kellern. Jetzt ist die moderne Vinothek in Mayschoß nur noch ein Trümmerfeld, der Keller verwüstet.

Die Situation an der Ahr sei eine „wirkliche Apokalypse“, sagt Steffen Christmann, Präsident des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) gegenüber unserer Zeitung. Wahrscheinlich betrieben die Römer dort schon Weinbau, belegt ist er seit dem 8. Jahrhundert, etwa 65 Vollerwerbsbetriebe gibt es heute noch – dazu gehören so berühmte Namen wie Jean Stodden, Meyer-Näkel oder eben die Winzergenossenschaft.

„Das Weingut Meyer-Näkel ist nahezu ein Totalschaden“, berichtet Christmann. „Da steht kein Stein mehr auf dem anderen.“ Eine neue Halle haben die Winzer gerade am Fluss gebaut, sie wurde ebenso Opfer der Fluten wie ihr Inhalt: 300 Barrique-Fässer voller Wein haben die Fluten mitgerissen. Ein anderes Beispiel: Im Weingut J. J. Adeneuer in Ahrweiler sind unter anderem sämtliche Geräte für die Arbeit in Keller und Weinberg weg oder von den Fluten zerstört. An der Ahr „spielen sich gerade dramatische Situationen ab“, sagt auch Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) – bei manchen Betrieben steht nichts mehr: Maschinen, Weinlager, Wohnhaus, Fahrzeuge, Straußwirtschaft und Pension.

Und dabei müssten sich die Winzer eigentlich dringend in den Weinbergen um die Trauben kümmern: Wegen des warmen und feuchten Wetters gebe es aktuell in den Weinbergen „einen enormen Pilzdruck“, sagt Büscher. Es droht der Befall mit dem Falschen Mehltau und anderen Pilzkrankheiten – und damit auch noch Gefahr für den Jahrgang 2021. „Man muss jetzt schauen, dass es überhaupt eine Ernte gibt“, sagt Büscher.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) machte bereits am Freitag den Weg frei für die Ausbringung von Spritzmitteln per Hubschrauber. „Die Weinbergswege sind nicht befahrbar, kein Pflanzenschutzmittel kann ausgebracht werden“, sagte Klöckner.

„Es wird viel geholfen, und der VDP ist an erster Front“, sagte VDP-Präsident Christmann. Viele Winzer seien mit Maschinen und Manpower an der Ahr. Hilfe komme auch aus Württemberg und Franken, der VDP selbst rief umgehend eine Spendenaktion ins Leben. Ein finanzielles Hilfspaket soll geschnürt werden, „für den gesamten Weinbau an der Ahr, nicht nur für VDP-Winzer“, betont Christmann. An der Ahr selbst wurde spontan die Aktion „Ahr – A Wineregion Needs Help“ initiiert. Auch das DWI hat laut dessen Chefin Monika Reule „den Organisationen der Weinwirtschaft an der Ahr sofort Hilfe angeboten“. Auch die aktuelle Deutsche Weinkönigin kommt von der Ahr: Eva Lanzerath aus Walporzheim. Laut Internetseite des DWI geht es „Eva und ihrer Familie gut“. Via Facebook meldete sich die ehemalige Deutsche Weinkönigin Julia Bertram aus Dernau: Sie und die Familie seien wohlauf, aber die Häuser seien unbewohnbar. Das Flaschenlager und der Weinkeller seien „komplett zerstört, und alles ist weg oder kaputt“.

In den Winzerbetrieben würden derzeit reihenweise Solidarpakete geschnürt, für die Winzer ihre eigenen Weine zugunsten der Ahr-Winzer verkauften, berichtet Christmann – eine Aktion seines eigenen Weinguts sei binnen zwei Stunden ausverkauft gewesen. „Das ist jetzt mal die erste Spontanhilfe“, sagt Christmann. Und bezogen auf die Weinbergsarbeit und die kommende Lese verbreitet er Optimismus: „Das werden wir schon organisiert kriegen“, sagte der VDP-Chef. Gisela Kirschstein