Onlineshopping, Kaufhauskrise, Corona-Pandemie, Klimawandel und steigende Preise – die Situation für den Handel ist nicht einfach. Innenstädte und Ortszentren müssten wieder als „Aufenthaltsraum“ attraktiv werden, sind sich Mätzig und der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebunds, Aloysius Söhngen, einig. Mehr Kultur, mehr Erlebnisgastronomie, aber etwa auch attraktive Weihnachtsmärkte seien notwendig, sagt der CDU-Politiker und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm, Söhngen.
Beispiel Andernach
Eine Krippe mit echten Menschen und Tieren ziehe in der Weihnachtszeit neben den Buden mit Glühwein und Kerzen viele Besucher in die Stadt, sagt Stadtsprecher Christoph Maurer. Einzelhändler wie ein Buchladen und ein Herrenmodegeschäft hätten mit zusätzlichen gastronomischen Angeboten neue Treffpunkte geschaffen. Jeden ersten Freitag im Monat sind die Geschäfte bis 22 Uhr geöffnet, und es gibt dazu ein buntes Rahmenprogramm in der Innenstadt. Die Stadthausgalerie – ein ehemaliges Kaufhaus, das immer wieder den Besitzer wechselte und leer stand – hat die Stadt 2021 gekauft. „Seitdem läuft die Vermietung gut“, sagt Maurer. Die Stadt könne eben andere Mieten bieten „als ein Investor, der eine überzogene Rendite erwartet“.
Beispiel Mainz
In der Landeshauptstadt entsteht da, wo bisher ein großes Kaufhaus stand, in den nächsten Jahren ein Zentrum für Wohnen, „qualitatives Einkaufen“ und Kultur. Der Buchhandel wolle die Kultur in den Innenstädten beleben helfen und sehe sich auch als Veranstalter, sagt Andrea Wolf vom Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Neben Lesungen und Buchempfehlungsabenden habe beispielsweise die Aktion „Mainz liest ein Buch“ viel Leben in die Stadt gebracht. Leerstand könne eine Möglichkeit für Verlage sein, Geschäfte einzurichten oder sich wie in Daun in der Eifel mit „Urban Manufacturing“ auszuprobieren, traditionellem Postkarten-Druck neben Musik und anderen kulturellen Angeboten wie Fotografie und Film. Uran Manufacturing, auch urbane Produktion genannt, bedeutet, dass gekaufte Waren vor Ort produziert werden. Lokale, kleine Kaffeeröstereien dienen etwa oft als Paradebeispiel.
Auch auf Erreichbarkeit mit Bus und Bahn sowie Umweltfreundlichkeit komme es entscheidend an, sagen die beiden Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände. Söhngen spricht mit Blick auf Anpassungen an den Klimawandel von „mehr Freiräumen in den Innenstädten mit mehr Grün und kleinen Wasserläufen oder Brunnen“.
Beispiel Trier
Die Stadt unterstützt eine Begrünungsaktion von Händlern, Gastronomen und Immobilienbesitzern, wie Sprecher Michael Schmitz berichtet. Im Frühjahr sollen mobile begrünte Sitzgelegenheiten in der Fußgängerzone dazukommen. Ein Kulturprogramm für leere Läden gibt es bereits seit Oktober 2021.
„Je nach örtlichen Gegebenheiten kann es sinnvoll sein, Leerstände in den Innenstädten in Wohnraum oder auch Sozialeinrichtungen wie Bibliotheken und Kindergärten umzuwandeln“, sagt Söhngen. Nicht nur die Kommunalpolitik sei gefragt, auch die örtliche Wirtschaft müsse Geschäftsmodelle anpassen. „Die notwendigen Maßnahmen werden erhebliche Finanzmittel binden. Deshalb ist es erforderlich, dass der Bund die Städtebauförderung weiter verstetigt“, sagt Söhngen. „Es gibt keine einfachen und schnellen Lösungen, auch wenn wir uns die alle wünschen.“
Beispiel Koblenz
Die Stadt arbeitet unter Einbeziehung der Öffentlichkeit an einer Zukunftsvision und einem Innenstadtkonzept. Und 2023 solle das landesweit erste Entwicklungs- und Aufwertungsprojekt eines gesamten innerstädtischen Quartiers, der Schlossstraße, beginnen, sagt Mätzig. Die Schlossstraße könnte somit zum Business Improvement District (BID) werden. Die Idee zu BIDs stammt aus den USA als Reaktion auf viele Leerstände in Innenstädten. Dabei werden verschiedene Akteure, auch private Immobilieneigentümer, mit einbezogen. „Ziel ist es, die Attraktivität des Quartiers langfristig zu erhöhen und zu stärken“, so Mätzig. Zudem will man in Koblenz ein Konzept erarbeiten, um die Innenstadt attraktiver und somit zukunftssicher zu machen. Gerade hat eine Impulsveranstaltung für dieses Vorhaben stattgefunden, das das rheinland-pfälzische Innenministerium mit 500.000 Euro fördert.
Bei allen „örtlichen Besonderheiten, macht es oftmals Sinn, voneinander zu lernen“, sagt CDU-Politiker Söhngen. Auch Kooperationen zwischen Kommunen könnten ein guter Weg sein, deren Mitte aufzuwerten. Leerstand müsse bekämpft und die Abwertung einer Innenstadt damit verhindert werden, sagt Mätzig.
Pop-up gegen Leerstand
Als gutes Beispiel nennt er ebenso wie Söhngen die Kreisstadt Wittlich. Mit Pop-up-Konzepten werde versucht, Leerstand zu bekämpfen und die Innenstadt wieder zu beleben. „alwin – aktives Leerstandsmanagement Wittlicher Innenstadt“ heißt das schon vor der Pandemie begonnene Programm, das auf Handel und Gastronomie ebenso setzt wie auf das Handwerk und die Kreativwirtschaft.
Allerdings: „Die Städte müssen in die Lage versetzt werden, ihre Innenstädte zu entwickeln“, betont Mätzig. Im laufenden Modellvorhaben des Landes „Innenstadt-Impulse“ seien die Mittelzentren aus Sicht des Städtetages noch nicht angemessen berücksichtigt worden.