Rheinland-Pfalz
„Stolz auf reiches kulturelles Erbe“ – Land hofft auf Welterbe-Titel
Eine Fontäne steigt vor dem Kurhaus von Bad Ems aus der Lahn auf. Die Kurstadt an der Lahn hofft auf den Welterbe-Titel.
picture alliance/dpa | Thomas Fr

Vier Welterbe-Stätten hat Rheinland-Pfalz schon. Nun könnten auf einen Schlag drei weitere hinzukommen. Es geht um das Erbe der Juden im Mittelalter, der Römer am Rhein und des Hochadels an der Lahn. Die Entscheidungen fallen weit weg von Rheinland-Pfalz.

Aktualisiert am 11. Juli 2021 10:40 Uhr

Ein Unesco-Welterbe-Titel ist eine begehrte Auszeichnung für Stätten von außergewöhnlichem universellen Wert. Mit Spannung erwartet Rheinland-Pfalz neue Entscheidungen des Welterbekomitees. Vier Stätten dieses Kultur- und Naturerbes der Menschheit hat das Bundesland bereits. Nun könnten drei weitere hinzukommen: Mainz, Speyer und Worms als Orte des jüdischen Mittelalters, Bad Ems als eines von elf bedeutenden europäischen Bädern des 19. Jahrhunderts sowie im Norden von Rheinland-Pfalz der Beginn des Niedergermanischen Limes.

Gibt das Welterbekomitee während seiner vom chinesischen Fuzhou aus geleiteten digitalen Tagung vom 16. bis 31. Juli grünes Licht, können sich weitere rheinland-pfälzische Städte in einem Atemzug etwa mit den Pyramiden von Giseh in Ägypten und der Inka-Stadt Machu Picchu in Peru nennen. 1981 hat das Welterbekomitee schon den Dom zu Speyer als Stätte in Rheinland-Pfalz anerkannt, 1986 Römische Monumente, Dom und Liebfrauenkirche in Trier, 2002 das Obere Mittelrheintal und vor 16 Jahren die ersten 75 Kilometer des Obergermanisch-Raetischen Limes.

Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD) betont daher: „Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir zum ersten Mal seit 2005 neuen Welterbestätten im Land entgegenfiebern dürfen und dann gleich dreien auf einmal.“ Das mache „unglaublich stolz auf unser reiches kulturelles Erbe“. Mit Mainz, Speyer und Worms, den sogenannten Schum-Stätten gemäß den hebräischen Anfangsbuchstaben dieser Städte, „würde sogar erstmals jüdisches Kulturgut in Deutschland als Welterbe anerkannt“. Der Minister weiß: „Jeder Welterbestatus steigert auch die touristische Bedeutsamkeit unseres Landes und bestärkt unseren Ruf als Reiseziel, an dem europäische Geschichte in all ihren Facetten und auf höchstem Niveau erlebbar ist.“

Die Anerkennung der Schum-Stätten, des einstigen „Jerusalems am Rhein“, käme mitten im bundesweiten Festjahr zu 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sagt, seine Stadt habe sich unabhängig vom Welterbe-Antrag entschieden, ihren „sensationellen jüdischen Friedhof, diesen Diamanten, in Zukunft anders zu präsentieren“. Geplant sei hier rund 1000 Jahre nach den ersten Beisetzungen für etwa 1,5 Millionen Euro ein Besucherpavillon mit einem Überblick über die Geschichte des Alten jüdischen Friedhofs. „Man kann ihn nicht betreten, aber er soll erfahren werden“, ergänzt Ebling.

Der Pavillon könnte Ende 2022 oder Anfang 2023 eröffnet werden. „Das wird auch die internationale Aufmerksamkeit von Besuchern finden und mit Orten wie der Neuen Synagoge kombiniert werden“, sagt der Oberbürgermeister. Geplant sei auch eine neue Handy-App, die das einstige jüdische Viertel in der heutigen Landeshauptstadt wieder dreidimensional erwachen lasse.

Auch in Worms gibt es einen jüdischen Friedhof, außerdem ein jüdisches Viertel mit Synagoge, Ritualbad (Mikwe) und Museum. „Der Entscheidung des zuständigen Unesco-Welterbe-Komitees Ende Juli sehen wir mit Spannung entgegen und werden das sicherlich – soweit es zur Zeit möglich ist – mit den Bürgerinnen und Bürgern in angemessener Form feiern“, kündigt Stadtsprecher Jonas Diebold an. „Natürlich erhoffen wir uns, durch die Anerkennung noch mehr Menschen unsere einzigartigen Monumente näher bringen zu können. Ebenso wichtig ist dabei aber auch, unsere historischen Stätten zu schützen.“ Worms wolle bei einer Anerkennung ein Welterbe-Infocenter einrichten.

In Speyer hat es ebenfalls im Mittelalter ein reiches jüdisches Gemeindeleben gegeben. Steinerne Zeugen sind etwa die Ruine der Synagoge und das Ritualbad. Hinzu kommt ein Museum. Das Thema Welterbe beschäftigt laut dem Speyerer Fachbereichsleiter Kultur, Matthias Nowack, zwar nicht alle Bürger, aber viele: Für einen Vortrag im Rathaus zu den Schum-Stätten habe es kürzlich mehr Interessenten als zulässige Plätze gegeben. Bei grünem Licht der Unesco soll der Bezirk Judenhof in Speyer laut Stadtsprecherin Lisa-Marie Eschenbach am ersten Augustwochenende gratis öffnen. Neue Konzepte sähen vor, Besuchern „die Besichtigung zu ermöglichen und gleichzeitig die historische Bausubstanz zu schützen“. Nachgedacht werde über ein Besucherzentrum, vielleicht sogar in Verbindung mit dem ersten Speyerer Weltkulturerbe, dem Kaiserdom.

Der Welterbe-Antrag von Deutschland, Tschechien, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien und Österreich für elf europäische Bäder des 19. Jahrhunderts betrifft hierzulande neben Bad Kissingen und Baden-Baden das rheinland-pfälzische Bad Ems mit seiner historischen Bäderarchitektur. Hier hat sich einst Europas Hochadel inklusive Kaiser Wilhelm I. getroffen. Bürgermeister Oliver Krügel (CDU) sagt, der Welterbetitel wäre für sein Städtchen an der Lahn eine große Freude – nicht nur für den dann weiter zunehmenden Tourismus, sondern auch, um für spätere Generationen „das starke Schwert des Denkmalschutzes zu schärfen“. Bad Ems denke an die Eröffnung eines Welterbe-Infozentrums. „Bei Teilen der Bürger ist das Interesse an diesem Thema groß, bei anderen Teilen ist es noch nicht angekommen“, ergänzt Krügel. Er sei sehr optimistisch, dass die Anerkennung komme.

Ein dritter Welterbe-Antrag, der neben den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen auch Rheinland-Pfalz betrifft, bezieht sich auf den Niedergermanischen oder „Nassen“ Limes der Römer, der sich am antiken Rheinverlauf von der Nordsee bis zum heutigen Bad Breisig orientierte. Marc Bors von der nahen und etwas größeren Kleinstadt Remagen sagt, der Welterbetitel wäre eine große Auszeichnung mit erheblichem zusätzlichen touristischen Potenzial für die gesamte Region. Insofern „wäre sicher mit einem deutlichen Anstieg der Besucherzahlen zu rechnen“. Es gebe bereits „erste Überlegungen, wie das römische Erbe Remagens als Teil des Niedergermanischen Limes vermittelt und auch touristisch in Wert gesetzt werden kann“.

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