Mainz

Offener Brief an AfD-Chef Uwe Junge: Vorn der Biedermann, gleich dahinter geifernde Brandstifter

Warum unser Chefredakteur meint, dass die Narren in der Mainzer Fernsehsitzung der AfD einen entlarvenden Spiegel vorgehalten haben, lesen Sie hier. Ein offener Brief an AfD-Chef Uwe Junge.

Lesezeit: 2 Minuten
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Sehr geehrter Herr Junge,

AfD-Chef Uwe Junge besuchte als Preuße mit Pickelhaube und Uniform die Sitzung
AfD-Chef Uwe Junge besuchte als Preuße mit Pickelhaube und Uniform die Sitzung „Mainz bleibt Mainz“. Er sorgte mit einem angeblichen Versuch, die Bühne zu stürmen, für Schlagzeilen.
Foto: Screenshot/RZ
ich könnte es mir leicht machen. Ich könnte über Ihr kurzes Gastspiel bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ witzeln: „Kommt ein Preuße ins Rheinland...“ Ich könnte über Ihren wunderlichen Abgang spötteln: Politiker mit Pickelhaube gibt also einem Kabarettisten mit scharfer Zunge, der seine Partei kritisiert hat, ungewollt den Ritterschlag. Ui-jui-jui-au-au-au …

Ich könnte Sie ironisch einzigartig nennen. Ich kenne viele, die in diese Fernsehsitzung roi wolle. Dass ein Politiker dort partout wieder enaus will, ist neu. Ich könnte Sie fragen: Wären Sie nach Lars Reichows Kritik an der AfD („Wir lassen uns unsere Menschlichkeit nicht durch den Dreck ziehen“) auch dann schon aus der Narrhalla ausmarschiert, wenn man Sie bis dahin noch nicht vor Millionen Zuschauern begrüßt hätte? Ich könnte Ihnen auch vorhalten, dass Ihr Humor für Fastnacht einfach nicht reicht und Sie bei Beck, Brüderle, Klöckner & Co. mal nachfragen sollten, wie man das Recht auf das freie Narrenwort erträgt.

Aber dieses Thema ist mir viel zu ernst, um Witze darüber zu machen. Sehr geehrter Herr Junge, Fastnachtsthemensprecher Lars Reichow, „Guddi Gutenberg“ Hans-Peter Betz und „Obermessdiener“ Andreas Schmitt haben ihr närrisches Salz in offene Flanken der AfD gerieben. Ihre Parteigänger und Sie heulen deshalb so laut auf, weil die Narren zielsicher wunde Punkte der AfD getroffen haben: Intoleranz, Hetze – und eine mangelnde Abgrenzung nach Rechtsaußen.

Vor den Fernsehkameras präsentierten Sie sich in alter Preußenherrlichkeit. Die AfD-Wahrheit aber blitzt nicht golden. Im Internet, da zeigen Sie ganz offen, gegen welche Anhänger Sie nichts haben und nichts tun. Eines von vielen Beispielen: Einen Tag vor der Fernsehsitzung veröffentlichte die von Ihnen geführte AfD Rheinland-Pfalz in ihrem Facebook-Auftritt den Link zu einem Text von Focus.de über die Hetze von Ditib-Anhängern gegen Deutschland.

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Hasskommentare und Aufforderungen zur Lynchjustiz: Kommentare wie diese duldet die AfD Rheinland-Pfalz auf ihrer Seite in Facebook. Im Impressum der Seite heißt es: „Vorstand: Uwe Junge“.
Foto: Screenshots/RZ
Gegen diesen Beitrag und seine Verbreitung kann kein Demokrat und auch kein Narr etwas haben, wohl aber gegen etliche Kommentare, die die AfD Rheinland-Pfalz dort zulässt und seit Tagen (!) nicht löscht: Freunde der AfD fordern dort Pogrome gegen Moscheen, stacheln zu Gewalt gegen Muslime auf. Nicht in verborgenen Dreckecken des Netzes, sondern auf der wichtigsten Propagandaplattform einer Partei, die in unserem Landtag sitzt. Ungehemmt, ungestoppt. Auch ungewollt?
Lars Reichow, Andreas Schmitt und Hans-Peter Betz (von links) brachten AfD-Chef Uwe Junge bei
Lars Reichow, Andreas Schmitt und Hans-Peter Betz (von links) brachten AfD-Chef Uwe Junge bei „Mainz bleibt Mainz“ in Rage.
Foto: dpa
Vorn der Biedermann in blitzender Uniform, gleich hinter ihm geifernde Brandstifter: Eben dieses Agieren meinten Schmitt, Betz und Reichow, als sie die AfD aus der TV-Bütt heraus angriffen, eben diesen entlarvenden Spiegel halten die Narren der AfD und Ihnen vor. Sehr geehrter Herr Junge, nicht die Narren sind das Problem der AfD, sondern das Hetzen Ihrer Partei. Und ihr Fischen im Trüben. Wenn Sie das nicht abstellen, konsequent und für immer – dann haben Sie in der Fernsehsitzung nichts verloren. Und im Parlament auf Dauer auch nicht.

Ihr Christian Lindner