Rheinland-Pfalz

Adieu, Weinkönigin: Pfalz streitet über Reform bei Weinhoheiten

Von Wolfgang Jung
Nicht verwandt, aber gleiches Amt: Carolin (l) und Julia Klöckner
Sie sind nicht verwandt, hatten aber das gleiche Amt inne: Carolin Klöckner (li.), wurde 2018 zur 70. Deutschen Weinkönigin gewählt und stand danach mit Julia Klöckner (CDU), Weinkönigin 1995/96 und 2018 Bundeslandwirtschaftsministerin, auf der Bühne. Foto: Andreas Arnold/dpa

Keine Krone mehr: Die traditionelle Rebenregion Pfalz schafft nach Jahrzehnten ihre Weinkönigin ab – und entfacht damit eine heftige Diskussion. Weinhoheiten und Kommunalpolitiker fordern, Titel und Krone beizubehalten. Befürworter sprechen aber von einer längst fälligen Erneuerung in Deutschlands zweitgrößtem Weinanbaugebiet.

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Was die Lager konkret entzweit: Der Titel lautet künftig nicht mehr Pfälzische Weinkönigin, sondern PfalzWeinBotschafterin oder PfalzWeinBotschafter. Statt Kronen gibt es Anstecknadeln. Der Wettbewerb steht auch Männern offen. Im Oktober wird das Amt in Neustadt an der Weinstraße vergeben. Ob die Diskussion um Deutschlands älteste Weinmonarchin bis dahin verstummt?

Viel Zuspruch aus der Branche und anderen Weinanbaugebieten

„Drei Aspekte haben uns überrascht“, sagt Boris Kranz, Vorsitzender des Vereins Pfalzwein, der die Änderung vor wenigen Tagen bekannt gab.

„Die Schärfe der Kritik, verbunden mit persönlichen, oft beleidigenden Angriffen auf Vertreterinnen und Vertreter unserer Gremien. Ebenso der Widerspruch: Einerseits möchte man als moderne Weinregion wahrgenommen werden, kettet sich andererseits aber an Traditionen. Und die Vehemenz von Personen, die im Vorfeld an keiner Gesprächsrunde teilgenommen oder einen Vertreter geschickt haben.“

Man erhalte viel Zuspruch aus der Branche und anderen Weinanbaugebieten, sagt Kranz. „Klug und bedenkenswert“ sei auch der Kommentar der ehemaligen Weinkönigin Julia Klöckner. Die spätere CDU-Bundesministerin hatte der Zeitung „Die Rheinpfalz“ gesagt: „Eine Weinkönigin oder Botschafterin muss in die Zeit passen, und nicht für ein nostalgisches Märchengefühl stehen.“ Mit dieser Meinung, sagt Kranz, sei Klöckner nicht allein.

„Starke Marken können radikale Veränderungen aushalten, allerdings ist das ein langwieriger Prozess“

Marc Weigel sieht das anders. Der Oberbürgermeister von Neustadt, der traditionellen Krönungsstätte der Pfälzischen und Deutschen Weinkönigin, hält die Entscheidung für falsch. „Diese Reform führt zu einer Entwertung der Marke“, meint der Politiker der Freien Wähler.

„Ich bin kein Anhänger der Monarchie, aber das Glamouröse und Märchenhafte gehört zur Figur. Das lässt sich nicht so einfach auf einen Mann übertragen, nur weil man sagt, wir leben in einer gleichberechtigten Gesellschaft und alles muss allen Geschlechtern offenstehen.“ Aus Weigels Sicht gibt es keinen Bedarf für eine so weitreichende Reform. „Ich habe keinen gehört, der meinte, dass mit der Weinkönigin etwas nicht stimmt. Wir hatten durchweg intelligente, eloquente und fachkundige Weinköniginnen, die stolz waren, in dieser Rolle ihre Heimat zu vertreten.“ Besonders ärgert Weigel, dass Neustadt nicht stärker einbezogen war in die Entscheidung.

Und was ist mit der Marke „Weinkönigin“? Wird sie nicht beschädigt? „Starke Marken können radikale Veränderungen aushalten, allerdings ist das ein langwieriger Prozess“, sagt Professor Stefan Roth vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der RPTU Kaiserslautern-Landau.

Die Frage müsse sein, was mit der Marke erreicht werden wolle. „Was soll damit transportiert werden, dass es nun auch männliche Weinköniginnen gibt, die dann Weinbotschafter oder Weinbotschafterin heißen? Wird damit der Wein besser positioniert?“ Der Marketingexperte ist skeptisch. „Wird man auch nur einen neuen Kunden damit gewinnen? Wird sich international irgendwer dafür interessieren?“ Dazu meint Kranz: „Die starken Persönlichkeiten schaffen keine und sind keine Marke. Uns geht es vor allem um die Vermarktung des Weins aus der Pfalz und der Weinregion in der Fachbranche.“

Im Internet formiert sich Widerstand gegen die Pfälzer Entscheidung

Das Deutsche Weininstitut will das Wording aus der Pfalz nicht übernehmen. Die Experten in Bodenheim (Rheinhessen) organisieren die Wahl der Deutschen Weinkönigin. Nach einer Änderung der Richtlinien können hier künftig auch Männer teilnehmen.

Carolin Klöckner war einst Weinkönigin. In ihrer Bachelorarbeit über das Amt betont sie, eine Änderung der Geschlechterrolle müsse erst „sehr genau analysiert und überprüft werden“. Und sie stellt ein anderes Thema zur Diskussion: Obwohl Wein ein Kulturgut sei, bleibe Werbung für Alkohol nicht unproblematisch.

Im Internet formiert sich Widerstand gegen die Pfälzer Entscheidung. Eine Petition gegen die Änderung hatte sechs Tage nach dem Start Tausende Unterschriften. Unter dem Hashtag „kronezeigen“ appellieren Ex-Weinhoheiten, „das besondere Alleinstellungsmerkmal des Amtes nicht zu vernichten“.

In Deutschland gibt es 13 Weinanbaugebiete. Das größte ist Rheinhessen. Den Schritt der Pfalz, die Gebietsweinkönigin abzuschaffen, hat bisher keine weitere Region unternommen. Gleichwohl haben sich bisher vier Gebiete – dazu zählen der Mittelrhein und die Nahe – männlichen Kandidaten geöffnet.

Oberbürgermeister Weigel will den Titel „nicht einfach untergehen lassen“. Vielleicht organisiere Neustadt mit anderen Kommunen eine eigene Wahl. Möglich wäre das: Die Wortmarke „Pfälzische Weinkönigin“ ist laut Patent- und Markenamt nicht eingetragen.