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Koblenz

Spaziergänge zur Architektur: Ein Streifzug durch Koblenz zu Bauten und Anlagen aus 100 Jahren [Teil 2]

Von Claus Ambrosius
Das Haus des Straßenverkehrs.
Das Haus des Straßenverkehrs. Foto: Claus Ambrosius

Es ist Advent 2020, die Weihnachtsfeiertage stehen kurz bevor, und wie es aussieht, könnte die gewohnt ruhige Zeit „zwischen den Jahren“, bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, in diesem Jahr ein gutes Stück länger ausfallen als gewohnt. Aus diesem Grund lohnt es sich, Corona-gerecht und unter Vermeidung unnötiger Kontakte auf einen besonderen Kulturspaziergang aufzubrechen: In Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Verein möchten wir Sie mitnehmen auf vier kleine Touren durch bemerkenswerte Bauten und Anlagen der vergangenen 100 Jahre. Heute: Von Kriegs- und Gedächtnislücken.

Lesezeit: 5 Minuten
Im zweiten Teil der Spaziergänge zur Architektur, die unsere Zeitung gemeinsam mit dem Rheinischen Verein vorstellt, streifen wir außergewöhnlich bewegte Zeiten: Das zweite Viertel des vergangenen Jahrhunderts markiert einerseits vom Aufbruch in die Moderne bis zu den Kriegszerstörungen des Zweiten Weltkrieges ganz wesentliche Umbrüche. Doch gleichzeitig gibt es auch überraschende ...
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Bauen zwischen und nach zwei Weltkriegen: Von Aufbruch über Größenwahn bis zur Wirtschaftswunderzeit

Ein Kulturspaziergang mit sechs besonderen Bauten:

1. Technisches Rathaus

Das technische Rathaus.
Das technische Rathaus.
Foto: Claus Ambrosius

Dieses Hochhaus (heute: Technisches Rathaus) am Bahnhof, 1927-29 nach Plänen von Adolf Abel und Karl Böhringer erbaut, steht für die Visionen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Hochhausidee gab es in den Metropolen der USA schon lange, in Deutschland war Jena 1915 (Carl Zeiss AG) ein früher Vorläufer. Durchsetzen konnte sich der Typus erst in den 1920er-Jahren mit einigen Beispielen unter anderem in Köln, Stuttgart und Düsseldorf. Diese neuen Dominanten waren in den Silhouetten der Städte etwas ganz Neues, schließlich waren Türme bislang vor allem den Kirchen, Schlössern und Rathäusern vorbehalten gewesen.

2. Pavillon

Der Pavillon
Der Pavillon
Foto: Claus Ambrosius

Das ehemalige Kioskbüdchen (1950, Architekt: Otto Schönhagen) erinnert an den Optimismus nach dem Zweiten Weltkrieg: Die BRD war gerade erst gegründet (1949), das Wirtschaftswunder rollte an und es wurde viel neu gebaut. Dieser kleine Pavillon befriedigte auf dem Weg zur oder von der Altstadt die täglichen Bedürfnisse etwa nach der Zeitung oder Rauchwaren. Das elegante Gebäude lebt von dem Eindruck des über dem Glas zu schweben scheinenden Tellerdachs, was im gegenwärtigen Zustand nicht mehr ganz so gut wahrzunehmen ist.

3. Ehemaliges Reichsbankgebäude

Das ehemalige Reichsbankgebäude.
Das ehemalige Reichsbankgebäude.
Foto: Claus Ambrosius

Das einstige Reichsbankgebäude in der Neustadt unweit des Theaters wurde 1935/36 von Heinrich Wolff gebaut und ist als einziger repräsentativer Bau der 1930er-Jahre erhalten (weitere Informationen gibt es im lesenswerten „Stadtführer Koblenz. Auf den Spuren des Nationalsozialismus“ von Beate Dorfey und Petra Weiß). Der Architekt Heinrich Wolff war gewiss kein Nazi, er baute einfach vorwiegend traditionell – und das als Reichsbankbaudirektor auch an prominenter Stelle. Beim berühmten Wettbewerb 1933 für die Reichsbankerweiterung in Berlin hatten auch Meister der Moderne wie Gropius und Mies van der Rohe Entwürfe eingereicht. Adolf Hitler persönlich entschied sich für die Direktvergabe an Wolff, der außer Konkurrenz teilnahm. Der markante Bau wurde ab 1934 realisiert und beherbergt heute das Außenministerium, nachdem dort von 1945 bis 1990 das Politbüro der SED residiert hatte – man sieht: keine Staatsform hatte ein Problem damit, diesen Bau zu nutzen. Im ehemaligen Koblenzer Reichsbankgebäude ist heute die Bundesbank untergebracht.

4. Bauen in der Not

Bis heute wurde die Baulücke nicht "aufgefüllt".
Bis heute wurde die Baulücke nicht “aufgefüllt".
Foto: Claus Ambrosius

Von den Notbauten direkt nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1945 und 1948 ist wenig erhalten; das meiste wurde später überbaut. Ein Beispiel einer solchen Lückenschließung vermittelt die Ecke Löhrstraße/Rizzastraße: ein charaktervolles eingeschossiges Gebäude mit Dachscheibe und umlaufender Messingkante, derzeit gastronomisch genutzt.

5. Das Haus des Straßenverkehrs

Das Haus des Straßenverkehrs.
Das Haus des Straßenverkehrs.
Foto: Claus Ambrosius

Am Moselring 11 entstand nach dem Zweiten Weltkrieg auf einem Trümmergrundstück ab 1956 das Anfang 1958 fertiggestellte „Haus des Straßenverkehrs“. In diesem auffälligen Rasterbau mit viel Glasmosaik inklusive Goldglas wirkt das Treppenhaus gebäudehoch als Lichtinszenierung, auf dem Dach erinnert ein kleiner Aufbau mit Dachscheibe unverkennbar an die Nierentischära. Umtost vom Straßenverkehr ist schon die Annäherung an dieses Gebäude als Fußgänger ein kleines Abenteuer.

6. Wohnhaus

Ein Wohnhaus.
Ein Wohnhaus.
Foto: Claus Ambrosius

Das Wohnhaus Ecke Kurfürstenstraße/Roonstraße von 1932 der Architekten Stähler und Horn ist eines der wenigen Beispiele für Neue Sachlichkeit/Neues Bauen in Koblenz. Einfassungsmauern und Gitter deuten auf einen historistischen Vorgängerbau hin. Als dessen Nachfolger nutzt das Haus die Ecke der Kreuzung geschickt mit einer Staffelung und Ineinanderverzahnung kubischer Bauteile aus. Dabei werden Flachdächer ebenso angedeutet wie die waagerechten Fensterbänder der Moderne. Was zur Entstehungszeit in der Südlichen Vorstadt sicherlich ein ungewohnter Hingucker war, ist auch heute noch ein Blickfang, der bei Passanten immer wieder die Frage aufwirft: Neu oder zeitlos modern?

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