Wenn es unbequem wird, will so mancher Besitzer seinen Vierbeiner wieder loswerden
Tierheime am Limit: Viele verhängen Aufnahmestopps
Das Tierheim Ludwigshafen hat, wie zahlreiche andere Tierheime im Land, einen Aufnahmestopp verhängt. Hier warten derzeit 31 Hunde und 44 Katzen auf ein neues Zuhause, dazu kommen rund 40 Kleintiere.
dpa

Rheinland-Pfalz. Als Welpen mit großen Knopfaugen verdrehen sie vielen den Kopf. Doch größer geworden, können Hunde und andere Vierbeiner für Tierhalter zur Belastung werden. Bald wird eine unüberlegte Anschaffung dann bereut, das Tier soll schnell wieder abgegeben werden. Zahlreiche Tierheime in Rheinland-Pfalz führt das an ihre Grenzen. Die Folge: Sie verhängen Aufnahmestopps.

Das ist etwa im Tierheim Ludwigshafen mit aktuell 31 Hunden, 44 Katzen und 37 Kleintieren der Fall, wie Panja Bergmann erklärt, die zweite Vorsitzende des Tierheims. „Wir können nur an andere Tierheime verweisen, deren Situation ist allerdings meist dieselbe.“ Gerade bei Hunden seien viele Aufnahmestellen ausgelastet und die Wartelisten voll. Wenige freie Plätze seien für Notfälle wie Fundtiere reserviert.

Ähnlich sieht es im Tierheim Koblenz aus, wo ebenfalls ein Aufnahmestopp verhängt wurde. Kürzlich habe es an einem Tag gleich vier Anfragen zur Hundeabgabe gegeben, sagt die stellvertretende Tierheimleiterin, Christina Zersass und stellt fest: „Die Tiere werden schwierig, und dann will man sie abgeben. Der einfachste Weg, sich dann seiner Verantwortung zu entledigen, ist natürlich meistens das Tierheim.“

Gründe dafür sieht die Tierschützerin darin, dass sich viele Hundebesitzer vor einer Anschaffung zu wenig mit der Rasse und den Bedürfnissen ihres neuen Schützlings beschäftigen. Statt eines verschmusten Familienhundes werde dann etwa ein Hütehund angeschafft. „Und ein Herdenschutzhund in der Familie ist dann natürlich sehr schwierig.“

Viele lassen sich die „skurrilsten Gründe“ einfallen, um die Tiere im Heim wieder loszuwerden, sagt Simone Jurijiw vom Tierschutzverein Frankenthal. Plötzlich aufgetretene Allergien, neue Familienkonstellationen – „die Leute denken sich Geschichten aus“, sagt sie. Sei kein Platz mehr da, um die Tiere aufzunehmen, komme es auch schon mal zu Beleidigungen gegenüber Tierheimmitarbeitern.

Seit Beginn der Corona-Pandemie erlebe das Frankenthaler Tierheim bei Nagetieren den „blanken Horror“, sagt Jurijiw. Viele Eltern haben im Lockdown Kaninchen und Meerschweinchen für ihre Kinder gekauft, um ihnen mit dieser Gesellschaft eine Freude zu machen. Nur wenige Nager seien kastriert worden und hätten sich dann unkontrolliert vermehrt, sagt die Tierschützerin. Möglicherweise müsse auch das Tierheim in Frankenthal bald einen Aufnahmestopp verhängen.

Eine dauerhafte Lösung könne das aber nicht sein, sagt Jurijiw. Verzweifelte Tierhalter kämen dann auf die Idee, die Tiere einfach auszusetzen. Das sei etwa am Silvesterabend der Fall gewesen. Kurz vor Mitternacht sei ein Notruf eingegangen. Die Tierschützer rückten aus, um zwei ausgesetzte Kaninchen auf einem abgelegenen Feld einzufangen.

Den Menschen müsse bewusst sein, dass sie dann Verantwortung für ihr Haustier übernehmen müssten, wenn es mal schwierig wird. Daher müsse es strengere Regeln für Halter geben, sagt Jurijiw. Sie tritt auch dafür ein, den Welpenhandel aus dem Ausland einzudämmen, um Tierheime zu entlasten. „Die Leute können nicht einfach ihr Problem weiterschieben. Sie haben Verantwortung übernommen, sie müssen sich kümmern und im Zweifelsfall eben Trainings und Unterstützung in Anspruch nehmen“, meint auch die Tierärztin Anne Knauber in Kaiserslautern. Hilfestellung und Beratung bekomme man in vielen Tierheimen. Mit professionellen Hundetrainern könne man dann am Verhalten der Tiere arbeiten.

Auch ein Hundeführerschein ist für Jurijiw ein denkbarer Schritt in die richtige Richtung. Herrchen und Frauchen könnten so den artgerechten Umgang mit ihrem Tier lernen. Das Land hat 2020 damit begonnen, Kurse von Tierschutzvereinen für ein harmonisches Miteinander von Hunden und Kindern zu fördern. Dabei erhalten die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einer Prüfung ein „Hunde-Diplom“. Zurzeit ist die Förderung wegen der Pandemie allerdings ausgesetzt.

Wird ein Hund bei auftretenden Problemen an eine andere Familie abgegeben, sei dies oft eine große Belastung für das Tier, sagt der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes in Rheinland-Pfalz, Andreas Lindig. Damit sei den wenigsten Hunden geholfen. Die Umgewöhnung an ein neues Zuhause bedeute zusätzlichen Stress, der wiederum zu Verhaltensauffälligkeiten führen könne. Tierschützer Lindig empfiehlt, nur Tiere von seriösen Vereinen zu adoptieren und die Vierbeiner mindestens ein Mal vorher persönlich kennenzulernen.

Von Julia Cebella

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