Frankfurt

Mehr New Adult und Kritik am Gast Italien: Was man zur Frankfurter Buchmesse 2024 wissen muss

Von Sandra Trauner, Robert Messer, dpa
75. Frankfurter Buchmesse
Gastland der Frankfurter Buchmesse 2024 ist Italien. Erstmals gibt es eine „Asia Stage“. Auch Games und Audio erhalten viel Raum. Foto: Hannes P Albert/dpa

Die Frankfurter Buchmesse stellt sich auf einen neuen Typ Leser ein, das Gastland Italien will sich derweil unter dem Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ präsentieren. Zwar hat es mit den Verantwortlichen in Rom im Vorfeld ordentlich geknirscht. Die Nachfrage nach Tickets allerdings läuft bestens, wie die Organisatoren berichten. Am Mittwoch, 16.Oktober, geht es los.

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Romantische Romane für junge Erwachsene, wahlweise erotisch gewürzt, mit Fantasy vermischt oder in Varianten wie „Dark College“ – das ist „New Adult“, ein Literaturgenre mit besonders treuer Leserschaft. Die Buchmesse hat für „New Adult“ in diesem Jahr 8000 Quadratmeter freigeräumt. „Wir haben eine neue Art von Lesern kennengelernt“, sagt Buchmessen-Direktor Juergen Boos: „Leser, die Fans sind“ – die darauf brennen, ihre Lieblingsautoren live zu erleben, die sich vor Bücherwänden fotografieren wollen, die bereit sind, sich stundenlang für ein Autogramm anzustellen.

Auch andere Trendthemen werden bedient: Erstmals gibt es eine „Asia Stage“. Ein „Games Business Center“ will Verlage und Spielehersteller zusammenbringen. Das „Audio“-Areal für Hörbücher und Podcasts ist doppelt so groß wie bisher. Bei „Book to Screen“ geht es um Bücher, die zu Filmen werden, und Bücher, die aus Filmen hervorgehen. Netflix hat erstmals einen eigenen Stand auf der Messe. Die Plattform TikTok ist mit dem erfolgreichen Buchformat „Booktok“ wieder prominent dabei.

Ein ignorierter Mafia-Gegner

Ehrengastland Italien bringt 90 Autorinnen und Autoren nach Frankfurt. Nicht alle sind Teil der offiziellen Delegation: Einige – wie der weltbekannte, von der Mafia verfolgte Schriftsteller Roberto Saviano – kommen auf Einladung ihres Verlages. Andere sind Teil des kuratierten Programms am Gemeinschaftsstand des Italienischen Verlegerverbandes – ein Novum in der Geschichte der Gastländer bei der Messe. Saviano wurde mit „Gomorrha“, einer literarischen Reportage über die Camorra in Neapel, berühmt. Seit der Veröffentlichung des Mafia-Enthüllungsbuchs im Jahr 2006 erhält er Todesdrohungen und steht unter Polizeischutz.

Bereits wenige Monate vor der Eröffnung kam es zwischen italienischen Autoren und Vertretern der rechten Regierung in Rom zum Streit. In einem offenen Brief drückten 41 Schriftsteller ihr Unbehagen über die vom Gastland verantwortete Programmgestaltung aus. Für Empörung sorgte jedoch vor allem, dass Saviano in der italienischen Delegation ursprünglich nicht berücksichtigt wurde. Der Vorgang führte in Italien zu einem Eklat.

Saviano wegen Beleidigung Melonis zu Geldstrafe verurteilt
Auch der regierungskritische italienische Autor Roberto Saviano wird die Frankfurter Buchmesse besuchen.
Foto: Cecilia Fabiano/dpa/LaPresse via ZUMA Press

Der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde vorgeworfen, nicht genehme und regierungskritische Stimmen von der Buchmesse auszuschließen und sich zunehmend in den Kulturbetrieb einzumischen. Saviano gilt als einer der vehementesten Kritiker Melonis. Mehrere Autoren zogen sich aus Protest aus der offiziellen Delegation zurück. Saviano wurden dann doch noch eingeladen, verzichtete aber und kommt weiter nur für den Verlag.

Dass es zwischen Buchmesse und dem Gastland einen Dissens gab, bestreitet Buchmessen-Chef Boos. Simone Bühler, die Leiterin des Ehrengast-Programms, drückt es so aus: „Viele Wege führen nach Rom. Und in diesem Jahr führen viele Wege Schriftsteller nach Frankfurt.“

Mehr als 1000 Autoren und 15 Bühnen

Das Programm auf der Messe selbst ist im Vergleich zu anderen Gastländern eher dürftig: Im Ehrengast-Pavillon gibt es zwischen antiken Säulen Ausstellungen über Geschichte und Kultur Italiens. In einem dieser Kabinette geht es um den Erfinder des Taschenbuchs, in anderen um Führung und Macht bei Machiavelli (1469–1527), das Design der Firma Kartell oder die Pirelli-Kalender. Im Begleitprogramm wird vor allem viel gesungen. Nur 64 Bücher wurden mithilfe eines Förderprogramms neu ins Deutsche übersetzt.

Mehr als 1000 Autoren und Sprecher bei 650 Veranstaltungen auf 15 Bühnen erwarten die Besucher der Frankfurter Buchmesse ab Mitte Oktober in Frankfurt. Für die politischen Debatten hat sich die Messe eine neue Dachmarke ausgedacht: „Frankfurt Calling“. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari („Nexus“) diskutiert zum Beispiel mit dem japanischen Philosophen Kohei Saito („Systemsturz“) über unsere Optionen für die Zukunft. „Auf der Buchmesse erleben die Besucher – literarisch gespiegelt – alle großen Debatten der Welt“, verspricht Boos.

Sebastian Fitzek ist auch dabei

Ein Superstar wie Salman Rushdie ist in diesem Jahr nicht dabei, aber angekündigt sind zum Beispiel die Bestsellerautoren Sebastian Fitzek und Elif Shafak, die „New Adult“-Stars Jane S. Wonda und D.C. Odesza oder die Moderatoren Thomas Gottschalk und Judith Rakers.

Neben Saviano kommen weitere große Namen der italienischen Gegenwartsliteratur als Teil der offiziellen Delegation. Darunter Nicola Lagioia („Die Stadt der Lebenden“), Donatella Di Pietrantonio („Arminuta“), Dacia Maraini („Kinder der Dunkelheit“), Susanna Tamaro („Geh, wohin dein Herz dich trägt“) und Melania G. Mazzucco („Die Villa der Architektin“).

Auch rheinland-pfälzische Verlage dabei
Unter dem Motto „Bücher, mehr als Meinungen!“ sind auf dem Podium Rheinland-Pfalz auch einige rheinland-pfälzische Verlage vertreten. Neben dem Tabu Litu Verlag (Koblenz) und dem Rhein-Mosel-Verlag (Zell), sind auch der Kontrast Verlag (Pfalzfeld), der Pandion Verlag (Simmern), Petra Polk (Kastellaun), der Kynos Verlag (Nerdlen), die Kraterleuchten GmbH (Eifelbildverlag, legenda Q und Calderan) aus Daun, der KBV-Verlag (Hillesheim), der Chaospony Verlag, der Mentoren-Media-Verlag (beide Ingelheim), der Verlag Hermann Schmidt, die Schott Music GmbH (beide Mainz), der Peter Meyer Verlag (Saulheim), der Nünnerich-Asmus Verlag (Oppenheim), der Verlag Ruach.jetzt, der Buchfink Verlag, der Litradukt Verlag (alle drei Trier), der Brot&Kunst-Verlag kreativer Kumpanei (Haßloch) sowie der Buchverlag Lipplerbookz (Annweiler am Trifels) mit dabei.

Zwei Preisverleihungen und ein Escape-Room

Die Vorverkaufszahlen lagen laut Buchmesse drei Wochen vor Beginn bereits deutlich über dem Vorjahr. Die Zahl der Aussteller und der verkauften Fläche bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres. 2023 waren rund 215.000 Besucherinnen und Besucher gekommen. Mehr als 4000 Aussteller aus 95 Ländern hatten ihre Neuerscheinungen präsentiert.

Die Buchmesse wird am 15. Oktober eröffnet und dauert bis zum Wochenende danach. Flankiert wird die Messe von zwei Preisverleihungen: dem Deutschen Buchpreis am Montag (14. Oktober) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels am Sonntag (20. Oktober). In der Innenstadt gibt es neben den Lesungen der Veranstaltungsreihe „Open Books“ einen „Escape Room“ auf dem Paulsplatz. In dem Erlebniswürfel kann man Goethe auf seiner „Italienischen Reise“ ins Sehnsuchtsland der Deutschen begleiten. Der Dichter blieb ein Leben lang beeindruckt von seinen Eindrücken im Land der blühenden Zitronen. Der „Escape Room“ stellt Goethes Wohnung in der Via del Corso im historischen Zentrum Roms nach.