Montabaur

Digitales Friedhofsprojekt: Gräber in Montabaur erzählen jetzt online die Schicksale von Soldaten

Claus Peter Beuttenmüller (links) gewährt Markus Kuch und Lisa Gerharz von der Verbandsgemeinde-Verwaltung einen Blick in seine Aufzeichnungen. Auch wenn er diese gerne noch auf herkömmliche Weise im Aktenordner sammelt, freut sich der jahrelange Leiter der Arbeitsgemeinschaft Volkstrauertag des Landesmusikgymnasiums darüber, dass der Ehrenhain auf dem Montabaurer Friedhof und die Lebensläufe der dort Begrabenen mittlerweile über den digitalen Friedhofsplan abrufbar sind.
Claus Peter Beuttenmüller (links) gewährt Markus Kuch und Lisa Gerharz von der Verbandsgemeinde-Verwaltung einen Blick in seine Aufzeichnungen. Auch wenn er diese gerne noch auf herkömmliche Weise im Aktenordner sammelt, freut sich der jahrelange Leiter der Arbeitsgemeinschaft Volkstrauertag des Landesmusikgymnasiums darüber, dass der Ehrenhain auf dem Montabaurer Friedhof und die Lebensläufe der dort Begrabenen mittlerweile über den digitalen Friedhofsplan abrufbar sind. Foto: VG Montabaur/Holger Pöritzsch

„Pilot Günther Koch stirbt am 13. Februar 1945 mit 22 Jahren in einem Luftkampf im Zweiten Weltkrieg. Seine letzte Ruhe findet er in Montabaur“: Diese Informationen sind dem Engagement einer Schüler-AG am Landesmusikgymnasium zu verdanken. Nun trägt die Digitalisierung der Friedhofspläne dazu bei, dass die Schicksale der Gefallenen, die im Ehrenhain beigesetzt sind, in Erinnerung bleiben.

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Dateien im PC statt Aktenordner im Regal, bessere Übersichten, einfachere Koordination der Gewerke und schnelle Updates: Für Markus Kuch, Sachgebietsleiter Umwelt, Friedhöfe und Bauhöfe, und seine Kollegin Lisa Gerharz ist die tägliche Arbeit wesentlich einfacher geworden.

Die Verbandsgemeinde (VG) Montabaur zählt zu den ersten Kommunen im nördlichen Rheinland-Pfalz, deren Friedhofsverwaltung online gegangen ist. Gemeinsam mit der Kölner Firma PBSGEO GmbH, die die Software GIS (Geografisches Informations-System) lieferte, wurden etwa 300 Papierpläne aller 31 Friedhöfe der VG digitalisiert. Wer nun ein bestimmtes Grab sucht, findet es auf einer Auskunftsplattform über die Eingabe des Familiennamens.

Neues Angebot ruft Geschichtsinteressierte auf den Plan

„Das neue Angebot hat außerdem sofort Menschen auf den Plan gerufen, die sich für Geschichte interessieren oder selbst die Vergangenheit erforschen“, erzählt Kuch. Einer der Ersten war Claus Peter Beuttenmüller. Der inzwischen pensionierte Studiendirektor hat mehr als 20 Jahre lang die AG Volkstrauertag des Landesmusikgymnasiums geleitet.

In jedem Schuljahr wurden die Lebensläufe gefallener Soldaten recherchiert, die im Montabaurer Ehrenhain begraben liegen. Es ist Tradition, dass Schüler die Ergebnisse ihrer Nachforschungen bei der zentralen Gedenkfeier vortragen, die jährlich am Volkstrauertag auf dem Friedhof stattfindet.

Beuttenmüller hatte nie Mühe, genügend Teilnehmer für sein Projekt zu finden. „Es ist sehr interessant, individuelle Schicksale kennenzulernen und zu vertiefen“, sagt Patricia (16). Sie findet es wichtig, dass gerade eine junge Generation, die im Frieden aufwächst, von Gleichaltrigen erfährt, die in den Krieg ziehen mussten und keine Zukunft hatten.

Michael (16) ergänzt: „Die Gedenkfeier war und ist ein sehr wichtiges Ereignis, welches meinen Blick geändert hat: Vorher waren es einfach Gräber auf einem Friedhof. Da sie nicht einmal einen aus der Erde ragenden Grabstein oder sonst eine Auffälligkeit haben, schenkt man ihnen keine Beachtung. Doch hinter jeder Steinplatte im Boden liegt eine Persönlichkeit mit vielen Geschichten, jeweils ein ganzes Leben.“

Das Internet bietet zahlreiche Recherchemöglichkeiten

Es wird nicht gelingen, sie alle aus der Vergessenheit zu holen. Aber ein Anfang ist gemacht; die ersten Lebensläufe plus Fotos sind online abrufbar. Claus Peter Beuttenmüller nutzt seinen Ruhestand, um seine Arbeit fortzusetzen.

Während Zeitzeugen allmählich aussterben, entpuppt sich das Internet als enormer Fundus – reicht von Plattformen über Kriegsereignisse in der Region bis hin zu historischen Totenzetteln auf eBay. Mehr und mehr Geschichten können künftig erzählt werden. Jede einzelne erschüttert.

So wurde der erst 17-jährige Panzergrenadier Gerhard Scheu im März 1945 bei einem Rückzugsgefecht mit amerikanischen Truppen an der Straße von Köllsch-Büllesbach bei Jungeroth getötet und mit seinem ebenfalls gefallenen Feldwebel Helfried Grantsau an Ort und Stelle im Vorgarten eines Hauses begraben. Erst 1954 wurden die beiden auf den neu angelegten Soldatenfriedhof nach Montabaur umgebettet und liegen auch hier nebeneinander.

Hier geht's zum Onlineplan

Alle Verantwortlichen des Projektes sind sich einig: Friedhof ist Geschichte. Die Soldaten, die im Krieg gefallen sind, dürfen nicht vergessen werden. Zum Ehrenhain und den Lebensläufen der dort Begrabenen gelangt man über den Kurzlink www.ku-rz.de/friedhofsplan

Der Friseur Eugen Bernhard Pfeiffer, verheiratet und Vater einer einjährigen Tochter, ist eines von mehr als 20.000 Opfern der NS-Militärjustiz. Laut offizieller Mitteilung an die Witwe ist er am 25. März 1945 um 18 Uhr „im Dernbacher Gemeindewald gefallen“.

Tatsächlich aber hatte sich Pfeiffer mit Kameraden von seiner Einheit abgesetzt, als die US-Truppen Koblenz eingenommen hatten und kurz vor Montabaur standen. Die Männer, die sich nicht für den „Endsieg“ verheizen lassen wollten, wurden denunziert und als Deserteure im Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Zusammen mit Karl Petermann wurde Pfeiffer bei Elgendorf im Wald erschossen und verscharrt. Seine Frau erfuhr erst Monate später von der Tragik des Geschehens. Die beiden Hingerichteten wurden zunächst auf dem Dernbacher Friedhof begraben und 1954 nach Montabaur gebracht. red