Kommunen sind unterschiedlich leistungsfähig - Topf mit fast 4 Milliarden Euro soll helfen - Meinungen gehen auseinander
Immer noch zu wenig Geld im Topf? So funktioniert der Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz
Geldscheine
3,84 Milliarden Euro sind im Topf des Kommunalen Finanzausgleichs – 357 Millionen mehr als im Vorjahr. Und doch sind viele der Meinung, etwa im rheinland-pfälzischen Städtetag, dass das Geld im KFA immer noch nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Foto: Jens Kalaene/ZB/dpa
Jens Kalaene. dpa

Rheinland-Pfalz. Der kollektive Rücktritt von Ortsbürgermeister und Ortsgemeinderat im pfälzischen Freisbach hat die Finanzlage der klammen rheinland-pfälzischen Kommunen in den Blick gerückt. Teils sehen sich Gemeinden nicht in der Lage, angesichts gestiegener Kosten und Aufgaben ausgeglichene Haushalte hinzubekommen. Helfen soll dabei der Kommunale Finanzausgleich (KFA) – ein milliardenschwerer Mechanismus, zu dem die Meinungen weit auseinandergehen.

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3,84 Milliarden Euro sind im Topf des Kommunalen Finanzausgleichs – 357 Millionen mehr als im Vorjahr. Und doch sind viele der Meinung, etwa im rheinland-pfälzischen Städtetag, dass das Geld im KFA immer noch nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Foto: Jens Kalaene/ZB/dpa
Jens Kalaene. dpa

Warum gibt es den KFA überhaupt?

Kommunen übernehmen auf sie übertragene staatliche Aufgaben. Sie kümmern sich etwa um Schulgebäude, schultern Aufgaben der Sozial- und Jugendhilfe, organisieren den öffentlichen Nahverkehr und die Unterbringung von geflüchteten Menschen oder die Wasser- und Energieversorgung. Geld dafür nehmen sie über kommunalen Steuern, Gebühren oder Abgaben ein, weiteres Geld kommt aus Steuern, die ihnen durch Bundes- und Landesgesetze zugeteilt sind. Damit auch ärmere Kommunen die Aufgaben bewältigen können, gibt es den Finanzausgleich: Er soll auch die Ungleichheit bei der Finanzkraft einzelner Kommunen ein Stück weit ausgleichen. Mit dem Ausgleich – so heißt es in Paragraf 1 des Landesfinanzausgleichsgesetzes – sichert das Land den kommunalen Gebietskörperschaften die Mittel zu, die ihnen „in ihrer Gesamtheit“ ermöglichen, ihre Pflichtaufgaben sowie „ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben“ wahrnehmen zu können.

Seit wann gibt es den KFA in seiner heutigen Form?

Noch nicht lange, denn zum 1. Januar 2023 trat eine Reform des KFA in Kraft. Die war nötig geworden, weil der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im Dezember 2020 den damaligen Mechanismus für verfassungswidrig erklärt hatte – zum zweiten Mal nach 2012. Die Richter gaben der Landesregierung Ende 2020 auf, einen „bedarfsorientierten Finanzausgleich“ aufzusetzen. Bei der Ermittlung des Bedarfs müssten die Aufgaben der Kommunen berücksichtigt werden. Für 2023 wurde der Mindestbedarf dann mit knapp 3 Milliarden Euro beziffert.

Wer bestimmt den Bedarf der Kommunen?

Wie sich der Bedarf entwickelt und was für die Zukunft zu erwarten ist, darauf schaut eine Finanzausgleichskommission. Sie wird im März kommenden Jahres betrachten, wie sich das Jahr 2023 entwickelt hat. Außerdem ist eine Evaluation des reformierten KFA vorgesehen. Sie soll erstmals 2026 erfolgen, so steht es im Landesfinanzausgleichsgesetz. Die geltende Fassung des KFA ist recht eng angelehnt an den Ausgleich in Hessen. Auch der ist schon beklagt worden, die jeweiligen Klagen wurden aber vom Staatsgerichtshof des Landes abgewiesen.

Wie viel Geld ist im Topf und wie genau wird es verteilt?

Im laufenden und damit dem ersten Jahr seit der Reform beläuft sich die Finanzausgleichsmasse des KFA auf rund 3,84 Milliarden Euro, etwa 357 Millionen Euro mehr als im Jahr davor. In dem Topf stecken Landesgeld für die Mindestfinanzausstattung und kommunales Geld. Vergleichsweise reiche Kommunen zahlen eine Finanzausgleichsumlage, quasi eine Solidarleistung, die über den Ausgleich finanzschwächeren Kommunen zugute kommt. Der sogenannte Symmetrieansatz sorgt dafür, dass ein gewisses Verhältnis zwischen den Anteilen des Landes und den Anteilen der kommunalen Gebietskörperschaften an den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des Landes und der Kommunen gewahrt bleibt.

Wie gelangt das Geld dann zu den Kommunen?

Das geschieht über zwei verschiedene Arten von Zuweisungen. Da sind zum einen allgemeine Zuweisungen. Wie viel Geld eine kommunale Gebietskörperschaft bekommt, hängt von ihrer Finanz- beziehungsweise Steuerkraft ab. Darüber hinaus können Kommunen auf Antrag auch zweckgebundene Zuweisungen bekommen, die in aller Regel für bestimmte Zwecke auszugeben sind, etwa für Investitionsvorhaben, an denen auch das Land ein Interesse hat. 2023 machen die zweckgebundenen Zuweisungen knapp 30 Prozent aus.

Was wird am KFA kritisiert?

Ein Hauptkritikpunkt von Kommunalverbänden und Opposition ist, dass den Kommunen auch nach der Reform des KFA Geld fehlt. Der Geschäftsführende Direktor des Städtetages Rheinland-Pfalz, Michael Mätzig, rechnet vor, dass die zwölf kreisfreien Städte 2020 doppelt so viel Geld für die Sozial- und Jugendhilfe ausgegeben hätten, wie sie über den KFA und über Erstattungen von Bund und Land reinbekommen hätten. „Das ist das Grundproblem“, sagt er – und das seit vielen Jahren. Mit hohen Sozialausgaben kämpfen auch Landkreise. Die können aber keine Steuern erhöhen, sondern mehr Geld nur über Umlagen reinholen, etwa über eine Kreisabgabe.

Das – so ist von Kommunalen zu hören – tun sie auch, was Verbands- oder Ortsgemeinden belastet. Kommunale Spitzenverbände monieren zudem immer wieder, dass der größte Teil der zusätzlichen KFA-Mittel für 2023 nicht vom Land komme, sondern von einigen Kommunen über eine höhere Finanzausgleichsumlage. Das werde sich 2024 schon wieder ändern. Das liegt an absehbar sinkenden Gewerbesteuereinnahmen etwa in Mainz mit dem Biontech-Sitz.

Was sagt das Landesinnenministerium dazu?

Es betont, dass die Zuweisungen an die Kommunen 2024 zwar niedriger als 2023 sein werden, aber immer noch um 225 Millionen Euro über der Ausgleichsmasse von 2022 lägen. Seit 2013 habe sich das Volumen des KFA mehr als verdoppelt. „Es ist klar sichtbar, dass das zusätzliche Geld wirkt“, sagt Innenminister Michael Ebling (SPD). Zum August 2023 haben laut Ministerium 20 von 24 Kreisen einen genehmigten Haushalt und planen mit einem positiven Abschluss. Bei den kreisfreien Städten treffe das auf elf von zwölf zu, bei den großen kreisangehörigen Städten auf alle acht. Von den 2260 Ortsgemeinden seien 1816 haushaltsrechtlich handlungsfähig.

Die zusätzlichen Mittel im KFA schafften eine „weit überwiegend positive Haushalts- und Genehmigungslage wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Auf die Fälle, bei denen trotz Anstrengungen kein ausgeglichener Haushalt gelinge, müsse gezielt geschaut werden, sagt Ebling. Aber: „Man muss wissen, der Finanzausgleich ist kein Defizitausgleich. Landesmittel sind immer nur ergänzende Mittel.“

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