Koblenz

Was Sie über Google Street View wissen sollten

Foto: dpa

Googles putzige Autos mit Panoramakamera auf dem Dach haben Deutschland inzwischen abfotografiert und das Land verlassen. Die Debatte um Street View ist dagegen noch voll im Gange. Wo hört Öffentlichkeit auf und wo fängt die Privatsphäre an? Diese Frage entzweit die Bevölkerung und auch die Politik. Nicht einmal die Regierung in Berlin ist sich einig.

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Koblenz – Googles putzige Autos mit Panoramakamera auf dem Dach haben Deutschland inzwischen abfotografiert und das Land verlassen. Die Debatte um Street View ist dagegen noch voll im Gange. Wo hört Öffentlichkeit auf und wo fängt die Privatsphäre an? Diese Frage entzweit die Bevölkerung und auch die Politik. Nicht einmal die Regierung in Berlin ist sich einig.Wir haben sieben Antworten zu Google Street View.

Von unserem Redakteur Jochen Magnus

Google WAHN: Nicht nur Fotos nimmt das Google
Google WAHN: Nicht nur Fotos nimmt das Google „Street View“-Auto auf, sondern es scannte zwischen 2007 und Frühjahr 2010 auch die Funknetze (WLAN) entlang seiner Route.
Foto: dpa/jo (m)

Was habe ich von Street View?

Man kann sich in der ganzen Welt umsehen, ohne sein Wohnzimmer zu verlassen – jedenfalls in dem Teil der Welt, den Google bereits abfotografiert hat. Das hilft bei der Planung der Urlaubsreise: Wie weit ist das Hotel tatsächlich vom Strand entfernt? Ist die Aussicht verbaut? Wer eine neue Wohnung sucht, kann sich künftig auch in Deutschland per Street View ein Bild von der Lage machen, den Weg zum Kindergarten virtuell ablaufen und nachschauen, wo der nächste Supermarkt liegt. Aber Vorsicht! Die Bilder können bereits Jahre alt sein – Google wird sie nur in größeren Zeiträumen, vielleicht ein- oder zweimal pro Jahrzehnt, erneuern, denn der Aufwand dafür ist enorm. Ähnliches gilt auch für die Satellitenbilder.

Schadet mir Street View?

Vermutlich nicht, denn man sieht niemals Livebilder. Wie oben erwähnt, sind die Bilder oft schon Jahre alt. Man sieht im Internet also nur den Bruchteil einer Sekunde aus dem Lauf vieler Jahre. Gesichter von Passanten und Kennzeichen von Fahrzeugen werden von Google automatisch unkenntlich gemacht. Gelegentlich versagt dieser Mechanismus, das kann man Google aber melden. Ob Einbrecher sich per Street View ihre Opfer suchen, wie es manche Kriminalbeamte befürchten, ist ungewiss. Diebesbanden werden ihre potentiellen Ziele sicherlich auch künftig direkt in Augenschein nehmen müssen. Wer sich dennoch ängstigt oder ärgert, kann das Foto seines Hauses in Google unkenntlich machen lassen: http://ku-rz.de/gsv

Was hat Google davon?

Wer Googles zahlreiche Angebote im Internet nutzt, kommt sich manchmal vor wie im Schlaraffenland. Suchmaschine, Bilder, Videos, Landkarten, E-Mail-Konten, Bücher, Blogs und vieles mehr lässt sich kostenlos nutzen. Doch der Internetkonzern lebt vom Anzeigenverkauf, und das nicht schlecht: Mit 6,8 Milliarden Dollar Umsatz allein im vergangenen Quartal erzielte die Firma 1,8 Milliarden Dollar Gewinn. Neben den Fundstellen zu Suchanfragen lassen sich passende Anzeigen platzieren, neben Artikeln themenbezogene Werbung. Landkartendienste wie Google Maps erlauben, zum Ort passende Reklame auszuliefern. Mit Street View kann Google dieses Prinzip noch verfeinern. Möglich, dass man bald ein Geschäft virtuell betreten und dort im Sortiment stöbern kann. Mobile Geräte wie das iPhone oder das Android-Handy verraten bei Google- und anderen Anfragen sogar ihren Aufenthaltsort, wenn man diese Funktion zulässt. Je mehr Google über seine Nutzer weiß, desto zielgenauer kann Werbung platziert werden, und damit steigen Wert und Preis der Anzeigen.

Welche Daten sammelt Google?

Die Server des Konzerns speichern alle Anfragen 18 Monate, die Internet-Adressen (IP-Nummern) der anfragenden Rechner neun Monate lang. Je mehr Google-Dienste man benutzt, umso mehr Daten werden gesammelt. Besitzt man einen Zugang bei Google – für manche Angebote ist das erforderlich – und ist angemeldet, kann Google den Daten sogar Namen zuordnen. Allerdings öffnet Google für seine angemeldeten Nutzer auch eine Tür zu seiner Datensammlung: Auf der Seite google.com/dash board können die Klienten die über sie gesammelten Daten sehen und zum Teil löschen. Datenschützer hatten vor knapp einem Jahr die Einführung dieses „Armaturenbretts“ ausdrücklich begrüßt, weil die Benutzer zumindest teilweise ihre Daten kontrollieren können.

Wie kann ich meine Daten schützen?

Es hat sich wohl schon herumgesprochen, dass man „Cookies“, die kleinen Datenpäckchen, die der Browser für eine Webseite aufbewahrt, regelmäßig löschen sollte. Dann können die Betreiber, zum Beispiel Google, nicht mehr so leicht feststellen, was man beim letzten Besuch auf ihrer Seite angeklickt und wie lange man sich aufgehalten hat. Aber inzwischen geben die Webbrowser selbst so viele Informationen – meist technischer Art – preis, dass sich daraus ein Profil erstellen lässt; Cookies löschen allein genügt nicht mehr. Ratsam ist, gelegentlich mal andere Webbrowser oder Suchmaschinen und Bilderdienste zu nutzen. Manche Datensammlung kann man komplett vermeiden: Viele Nutzer surfen von Google als Startseite los, indem sie den Namen der gewünschten Internetseite – etwa „Rhein-Zeitung“ – ins Suchfeld eintippen und auf den dann angezeigten Link klicken. Hier ist es viel besser, die Internetadresse direkt in die Leiste des Browsers einzugeben oder sie sich als Lesezeichen zu merken.

Warum zeichnete Google private WLAN-Daten auf?

Seit 2007 bis Anfang 2010 zeichneten die Google-Kamerawagen nicht nur Bilder, sondern auch die Daten privater Funknetze (WLAN, auch WiFi genannt) auf. Der Hintergrund: Kennt man die Standorte und „Fingerabdrücke“ vieler, am besten aller WLAN-Sender, so kann man damit ein Navigationssystem bauen und die vorhandenen Systeme auf Satelliten-Basis verfeinern. Andere Firmen und auch ein Fraunhofer-Institut sammelten solche Daten seit Jahren, ohne dass sich jemals Protest rührte. Google machte allerdings einen Fehler und zeichnete, wohl fahrlässig, zu viel auf. Zusammen mit der Nachlässigkeit mancher WLAN-Betreiber, die ihr Funknetz ohne Verschlüsselung betreiben, gerieten so lesbare Nutzdaten in die (internen) Speicher von Google. Das daraus entstehende Datenschutzproblem lässt sich aber leicht vermeiden: Funknetzbetreiber sollten sich die fünf Minuten Zeit nehmen, die es braucht, das Gerät richtig einzustellen. Der WLAN-Ortungsdienst selbst arbeitet nicht mit personenbezogenen Daten und gibt nichts über die Funkbetreiber preis.

Legt die Politik Google nun Zügel an?

Viele Landesregierungen, darunter auch die von Rheinland-Pfalz, haben über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative eingebracht, die Street View und ähnlichen Diensten einige Pflichten auferlegt. So dürften Aufnahmen nur noch aus Fußgängerperspektive gemacht werden, und ein Widerspruchsrecht würde ebenso vorgeschrieben wie eine rechtzeitige Vorab-Information der Hauseigentümer und Mieter. Die Bundesregierung ist sich noch nicht einig, welche Gesetze notwendig sind. Innenminister Thomas de Maizière sagt: „Die Debatte wird aber um die falschen Dinge geführt, nämlich um Straßen, Plätze und Fassaden. Mir geht es um den Schutz der Menschen.“ Er verteidigt damit die „Panoramafreiheit“, die es erlaubt, auf öffentlichen Straßen und Plätzen fotografieren zu dürfen. Das halten auch die deutschen Journalisten-Organisationen für sehr wichtig. Ob der Länderentwurf einer verfassungsrechtlichen Prüfung standgehalten hätte, ist fraglich.