Allianz kämpft an vielen Fronten

Der Anfang vom Ende des Afghanistan-Einsatzes dürfte das neue Jahr für die Nato prägen. Doch Spannungen zwischen den USA und Pakistan gefährden den Zeitplan des Abzugs. Ende November tötete die Isaf-Truppe bei einem Luftangriff auf ein Lager des pakistanischen Heeres an der Grenze zu Afghanistan mindestens 24 Soldaten.

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Der Anfang vom Ende des Afghanistan-Einsatzes dürfte das neue Jahr für die Nato prägen. Doch Spannungen zwischen den USA und Pakistan gefährden den Zeitplan des Abzugs. Ende November tötete die Isaf-Truppe bei einem Luftangriff auf ein Lager des pakistanischen Heeres an der Grenze zu Afghanistan mindestens 24 Soldaten.

Seitdem herrscht diplomatische Eiszeit – die Afghanistan-Aufbaukonferenz Anfang Dezember in Bonn fand ohne Pakistan statt. Die Nato braucht Islamabad und Führungspersonen der afghanischen Aufständischen auf pakistanischem Boden aber als nützlichen Faktor beim Aushandeln eines Friedensabkommens für Afghanistan, das den Abzug der Kampftruppen wie geplant ermöglicht. Bis Ende 2014 sollen alle internationalen Kampftruppen das Land verlassen haben.

Bis dahin muss die Sicherheitsverantwortung schrittweise an die afghanische Armee und die Polizei des Landes übergeben werden.

Damit wurde im Sommer 2011 begonnen. Übergeben wurden drei Provinzen (Pantschir, Bamijan und ein Großteil der Provinz Kabul) sowie vier Städte. Im Norden des Landes, in dem die Bundeswehr das Kommando über die Isaf-Truppen hat und wo die große Mehrheit der deutschen Soldaten im Einsatz ist, wurde lediglich die Hauptstadt der Provinz Balch, Masar-i-Scharif, übergeben. Dort hat die Bundeswehr ihr größtes Feldlager. Als Nächstes sollen die Afghanen in den Provinzen Balch, Daikundi, Tachar, Samangan, Nimros sowie in der Provinz Kabul als Ganzes die Verantwortung übernehmen. Balch und Samangan liegen im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden des Landes. Dazu kommt Faisabad, wo die Bundeswehr ein Feldlager hat.

Können die Afghanen für die eigene Sicherheit sorgen?

Viele Beobachter zweifeln aber daran, dass die afghanischen Streitkräfte ab Ende 2014 allein für Sicherheit werden sorgen können. Der Westen bemüht sich zwar intensiv um den Aufbau der Armee, die derzeit rund 175 000 Mann stark ist und binnen einem Jahr um rund 20 000 weitere Soldaten anwachsen soll. Die Soldaten gelten aber als unzureichend ausgebildet und wenig motiviert. Zudem haben die Afghanen bislang die Sicherheitsverantwortung bewusst in jenen Regionen des Landes übernommen, die als relativ sicher gelten. Die Übernahme in den stärker umkämpften Gebieten wird aufgeschoben – der echte Härtetest steht den Afghanen also noch bevor. Problematisch daran ist auch, dass die gefährlicheren Gebiete erst dann übergeben werden, wenn der Westen bereits viele seiner Soldaten abgezogen hat. Dann dürfte es schwierig werden zu reagieren, sollten die Taliban größere Offensiven starten.

Partner wollen Waffensysteme und Ausrüstung teilen

Das zweite Großthema für das Bündnis dürfte die Ausrüstungsfrage bleiben. Die Staaten der Allianz wollen angesichts knapper Verteidigungsetats vermehrt Waffensysteme und Ausrüstung teilen. Smart Defence – kluge Verteidigung heißt das im Nato-Jargon. Das Problem daran: Was ist, wenn ein Staat wie Deutschland an einem Einsatz nicht teilnehmen will? Berlin überlegt etwa, die Integration auf Unterstützungs- und Logistikkräfte zu beschränken, während die Entscheidung über Kampftruppen auch in Zukunft weiter eine rein nationale Angelegenheit bleiben soll. In der Praxis hieße das: Die Bundeswehr würde Verbündeten jederzeit Hilfe beim Auftanken eines Kampfflugzeugs oder bei der Aufklärung leisten, ein Tornado der deutschen Luftwaffe würde aber nie automatisch in einen Einsatz geschickt werden.

Auch der seit Monaten schwelende Konflikt mit Syrien könnte zum Nato-Thema werden. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat folgende Kriterien für ein künftiges militärisches Eingreifen genannt: Wird den Kerninteressen der Nato gedient? Haben wir die militärischen Fähigkeiten, um wirklich etwas zu bewirken? Gibt es eine klare Rechtsgrundlage? Haben wir regionale Unterstützung? Bei Libyen sah er alle Bedingungen erfüllt. Auch die Lage in Syrien droht an den Grenzen des Nato-Gebietes zu Instabilität zu führen. Doch Generalsekretär Rasmussen warnt eindringlich: „Wir haben, anders als in Libyen, kein UN-Mandat und keine regionale Unterstützung.“ Das kann sich aber durchaus noch ändern.

Von unserer Korrespondentin Anja Ingenrieth