Biografie Bettina Wulff : Die offenherzigen Aufzeichnungen einer unglücklichen First Lady

«Jenseits des Protokolls»
Das Buch von Bettina Wulff «Jenseits des Protokolls» liegt im Buchhandel aus. Foto: Frank Leonhardt

Berlin/München – Einsame Abende in einer wenig kinderfreundlichen Dienstvilla, die Dauerpräsenz der Leibwächter, Übelkeit, Heulkrämpfe, Rotlichtgerüchte im Internet und ein öffentliches Leben, das ihr den Gang in die Sauna nur mit Bikini erlaubt. Bettina Wulff präsentiert mit ihrem 223 Seiten starken Buch „Jenseits des Protokolls“ eine bittere, ungeschminkte und erstaunlich offenherzige Bilanz ihrer Zeit als First Lady.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Eine Werbekampagne brauchte dieses Buch nicht mehr. Fast heimlich und ohne die gewohnte Marketingmaschinerie lieferte der Münchner Riva-Verlag am Montagmorgen erste Exemplare des Buches aus. Nach der öffentlichkeitswirksamen Klage gegen die Verbreitung von Gerüchten über ihr angebliches früheres Leben im Rotlichtmilieu dürfte das Werk auch so zum politischen Bestseller des Herbstes werden. Der Journalistenverband wittert gar eine PR-Kampagne. Mag sein. Doch interessante Einblicke in das Leben einer der spektakulärsten Figuren der deutschen Politik bietet das Buch allemal. In 16 Kapiteln blickt die Ehefrau des früheren Bundespräsidenten auf die 598 Tage als First Lady, aber auch auf ihr früheres Leben in Niedersachsen, ihre Ex-Beziehungen zu einem Rettungsschwimmer, Immobilienmakler und einem Fitnessklub-Besitzer sowie auf ihren Job als PR-Beraterin zurück. In Kapitel neun („Die Gerüchte“) befasst sich Wulff ausschließlich mit den Spekulationen über ihre angebliche frühere Tätigkeit als Escort-Lady. In nur einem Satz stellt sie klar: „Ich habe nie als Escort-Lady gearbeitet.“ Die jahrelange Rufmordkampagne ging Bettina Wulff spürbar nahe. Sie berichtet, wie sie weinte, als selbst ihr neunjähriger Sohn Leander damit konfrontiert wurde. Als „übelste stille Post“, die man sich vorstellen könne, bezeichnet sie die Spekulationen.

Es sind Passagen einer traurigen, verbitterten Frau, die um ihren Ruf kämpft. „Systematisch“ gehe sie nun gegen alle Denunziationen vor, schreibt sie. Seit Wochen reichen ihre Anwälte Unterlassungsklagen gegen Medien und Internetblogger ein, die die Gerüchte über ihr angebliches Vorleben als Prostituierte unter dem Künstlernamen Lady Viktoria thematisieren. Detailliert schildert Wulff im Buch selbst diese Spekulationen, erzählt von einem Etablissement namens Chateau in Osnabrück, wo sie angeblich verkehrt haben soll. 38 Unterlassungsklagen haben Wulffs Anwälte bereits eingereicht, mit dem Internetgiganten Google legt sich Bettina Wulff an. Die Suchmaschine bietet den Nutzern bei der Eingabe der Begriffe „Bettina“ und „Wulff“ automatisch die Option „Prostituierte“ und „Escort“ an. Ihre 598 Tage als First Lady beschreibt Bettina Wulff, die oft als karrierebewusst und medienfixiert beschrieben wurde, überraschend kritisch.

Die Buchkapitel lesen sich wie intime Berichte einer einsamen, fremdgesteuerten und frustrierten Frau, die ihr Leben einem Amt übergibt. In den ersten Monaten habe sie sich als alleinerziehende Berufstätige im Haus in Großburgwedel allein gefühlt. „Er war so sehr mit dem Komplettpaket Bundespräsident beschäftigt, dass er nicht realisierte, wie es mir ging“, schreibt sie über ihren Mann. In Berlin wird es nicht besser. Die Dienstvilla in Dahlem ist für drei Kinder schlecht geschnitten, in „keiner Weise, sagen wir, warm und kuschelig“. Die Präsenz der Sicherheitsleute nervt, die Pflichten überfordern sie. „Von einer 40-Stunden-Woche konnte ich nur träumen, haufenweise fallen Überstunden an.“ Sie leidet darunter, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben. Ihr Fazit nach drei Monaten: „Ich war körperlich am Ende, einfach matt und ausgelaugt. Meine Gesichtshaut schlug bereits Alarm, war trockener, brannte und war ständig gerötet.“

Das Scheinwerferlicht, das Interesse der Bevölkerung an ihr macht sie mürbe. „In der Sauna saß ich fortan selbst bei 100 Grad nur noch im Bikini, beim Einkaufen achtete ich darauf, besser nur eine Rotweinflasche statt zwei in den Wagen zu legen, und selbst wenn ich nur kurz den Müll herausbrachte, schaute ich vorher kritisch in den Spiegel und überprüfte fix den Status meiner Vorzeigetauglichkeit.“ Mindestens einmal pro Woche plagen sie „heftige Magenschmerzen“.

Immer wieder wird deutlich, wie sehr Bettina Wulff das Bild eines Anhängsels des Staatsoberhaupts, als Dame für das Damenprogramm, missfällt. „Die finanzielle Abhängigkeit von meinen Mann machte mir zu schaffen“, schreibt Wulff. Wenigstens das dürfte sich mit dem Buch ändern. Nach Angaben aus Branchenkreisen erhält die Ex-Präsidentengattin ein sechsstelliges Honorar plus einen prozentualen Anteil an den Verkaufserlösen.

Von unserem Berliner Korrespondenten Michael Bröcker