Koblenz – Der letzte Funken Hoffnung ist erloschen: Nach dem 1:6 in St. Pauli und dem 1:1 des FSV Frankfurt gegen den FC Augsburg steht für TuS Koblenz der Abstieg aus der Zweiten Bundesliga praktisch fest.
Natürlich war Petrik Sander am Sonntag beim Spiel des FSV Frankfurt gegen den FC Augsburg. Die Beobachtung des Koblenzer Gegners am abschließenden 34. Spieltag der Zweiten Liga stand für den Trainer im Vordergrund, dabei ging es um nicht weniger als das Schicksal seiner Mannschaft, ja eines ganzen Vereins. Und um 15.17 Uhr sowie dem 1:1 der Hessen wurde traurige Gewissheit, was sich bereits am Freitagabend abgezeichnet hatte: TuS Koblenz steht praktisch als Absteiger fest, die Ära in der Zweiten Liga wird in zwei Wochen beendet sein. „Leider haben sich die Dinge nicht zu unseren Gunsten entwickelt“, sagte Sander auf der Heimfahrt, „das ist alles sehr ernüchternd.“
Hinrunde als Hypothek
Überraschend ist das Ganze freilich nicht mehr, denn spätestens seit der desaströsen Hinrunde mit nur zwölf Punkten war klar, dass das Unternehmen Klassenverbleib in diesem Jahr um einiges schwieriger als in den vergangenen drei Spielzeiten werden würde. Mit dem Trainerwechsel und etlichen Reparatur-Arbeiten beim kickenden Personal deutete dann auch zwischenzeitlich einiges auf ein gutes Ende hin, letztlich war die Hypothek für Sander aber zu groß. „Ich möchte mich nicht von einer Teilschuld freisprechen“, so der Coach, „aber ich möchte die Gründe nicht in der Öffentlichkeit breittreten.“
Fast sinnbildlich offenbarte sich beim 1:6 in Hamburg das ganze Dilemma der TuS in dieser Spielzeit. Das Team ist willig und spielt im Rahmen seiner Möglichkeiten ordentlich mit, es fehlt aber schlicht an fußballerischer Qualität, um sich einem zugegeben spielstarken Gegner wie dem ambitionierten FC St. Pauli in den Weg zu stellen. Die erschreckende Bilanz der TuS aus den zwei Spielen gegen die Hamburger: null Punkte, 2:11 Tore. Zahlen, die auch belegen, dass es der Elf an mentaler Kraft mangelt, um sich mit aller Macht gegen das drohende Unheil zu wehren. In der Hinrunde war das offenkundig, bis auf den ersten Heimsieg gegen Bielefeld war es stets um die Blau-Schwarzen geschehen, wenn sie in Rückstand gerieten. Sander schaffte es zwischenzeitlich, in Koblenz diese Grundtugend des Fußballs wiederzubeleben.
Bis zum Freitagabend. Da verfiel die nur in Teilen zweitligataugliche Mannschaft in ihr altes Verhaltensmuster. Trotz eines von Dieter Paucken parierten Elfmeters und zweier Großchancen in der ersten Halbzeit. „Aus so einer Situation muss man doch eigentlich gestärkt hervorgehen“, fasste Sander die entscheidenden Szenen in den ersten 45 Minuten zusammen, um dann anfügen zu müssen: „Wir haben uns in die Opferrolle gefügt.“
Der Doppelschlag unmittelbar vor der Pause sollte der Anfang vom Ende sein. Wie es sich in einem Team mit einer geordneten Hierarchie gehört, hätte der Coach erwartet, „dass die Führungsspieler die Mannschaft nach dem 0:1 irgendwie in die Kabine bringen“. Das geschah nicht, weil selbst die etablierten Kicker genug mit ihrer Leistung beschäftigt sind, als dass sie ihre Energie auf den Rest übertragen könnten. Einzig Benjamin Lense, Matej Mavric, Manuel Hartmann haben sich zuletzt bemüht voranzugehen – aber auch sie waren nun nicht mehr Herr der Lage und überrollt. Die Körpersprache drückte fast schon Gleichgültigkeit aus. „Die Leistung war ernüchternd“, formulierte es Sander höchst wohlwollend, „außer Paucken und Marvin Pourie haben sich alle ergeben.“ Dass er beim Stand von 0:4 mit zwei Wechseln ein Debakel verhindern wollte, sagt vieles. Gebracht hat es nichts mehr, längst war seine Elf nur noch ein Torso.
Ganz nebenbei: Selbst der Versuch, das 0:2 nach 45 Minuten mit der Hereinnahme von offensivem Personal vielleicht etwas freundlicher zu gestalten, wäre nahezu hoffnungslos gewesen – auf der Ersatzbank saß schlicht kein Stürmer mehr. Ungeachtet des Verletzungspechs, wurde hier ein Grundübel sichtbar: Der TuS-Kader anno 2009/2010 ist mit 32 Gehaltsempfängern (!) zwar einer der üppigsten der Liga, gleichwohl aber völlig ungleichmäßig zusammengestellt worden. Eine Altlast, für die Sander nicht verantwortlich ist.
Planungen beginnen
Die Summe all dieser Mängel führt nun dazu, dass Sander und Geschäftsführer Wolfgang Loos die Köpfe zusammenstecken werden, um eine Marschroute für die nächsten Tage und Wochen abzustecken. Fest steht: Die Mannschaft steht vor einem kompletten Umbruch, nahezu alle Verträge verlieren am 30. Juni ihre Gültigkeit. „Der Verein muss sich jetzt positionieren und neu orientieren“, lässt Sander offen, ob er auch in der kommenden Saison zur Verfügung steht. Der Trainer betont aber auch: „Ich bin für Gespräche offen und schließe nichts aus.“
Die TuS steht (wieder einmal) vor spannenden Zeiten. „Wir haben bislang bewusst die Dritte Liga bis auf die Lizenzierung noch nicht thematisiert“, sagte Sander , der den Fokus einzig auf die Mission Klassenverbleib richten wollte. Auch am Freitag rückte er davon nicht ab, weil die Tabelle der TuS zu diesem Zeitpunkt noch eine Mini-Chance einräumte. „Für uns ist das Ganze erst dann erledigt, wenn es auch rechnerisch vorbei ist“, gab sich der Coach trotzig, wohl wissend, dass ihm dieser Satz als Durchhalteparole ausgelegt wird. Keine 48 Stunden später hat die Realität alle theoretischen Ansätze überholt. Zwei Spiele verbleiben, dann endet nach fast vier Jahren das einstige „Wunder vom Oberwerth“.
Von Sven Sabock