Nach Sturz von Assad
Syrer in Rheinland-Pfalz träumen von besserem Land
Exil-Syrer feiern auf dem Schillerplatz und der Ludwigstraße in Mainz den Sturz des Assad-Regime.
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Mehr als 50.000 Menschen aus Syrien leben derzeit in Rheinland-Pfalz. Nach dem Sturz von Baschar al-Assad sind viele erleichtert – aber nicht alle.

Freude über den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad und Hoffnung auf ein demokratisches Syrien: Der Machtwechsel in Damaskus sorgt auch in Rheinland-Pfalz für zahlreiche Emotionen. Viele Menschen aus Syrien sind in Feierlaune. Darunter mischt sich aber auch Sorge und Angst. Die Landesregierung warnt ebenfalls vor zu viel Euphorie.

Der Mainzer Assistenzarzt Tarek Mleh spricht von einem „Friedens- und Freiheitstag“ für ganz Syrien. „Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben“, sagt er. „Das war wie ein Hochzeitstag für uns.“ Viele seiner Bekannten seien unter dem Assad-Regime gestorben und viele auch im Gefängnis gewesen. „Meine Eltern sind noch in Syrien, darüber habe ich mir viele Sorgen gemacht.“

„Das ist die beste Zeit seit Jahrzehnten“

Etwas mehr als 50.300 syrische Staatsangehörige leben laut Ausländerzentralregister in Rheinland-Pfalz, wie das Integrationsministerium mitteilt. Die allermeisten sind Geflüchtete. Ausreisepflichtig seien 560. „Rund acht Jahre nach Beginn der großen Fluchtbewegungen haben sich so viele in Rheinland-Pfalz lebende Syrerinnen und Syrer einbürgern lassen wie nie zuvor.“ Sie seien zahlenmäßig die stärkste Gruppe, im vergangenen Jahr seien es 5.360 Menschen gewesen.

Amir Al Bacha von der syrisch-libanesischen Grillstube „Damaskus“ in Mainz und sein Cousin Ibrahim Al Bacha haben seit Freitag nicht mehr geschlafen. „Wir gucken die ganze Zeit Fernsehen, Nachrichten, auch nachts“, sagt Ibrahim. „Das ist die beste Zeit seit Jahrzehnten“, sagt Amir. „Wir brauchen jetzt Freiheit – und Demokratie.“

Trotz aller Freude machen sich die beiden auch Sorgen, denn Assad habe zwar das Land verlassen, seine Cousins und andere Familienangehörige seien aber noch dort. Angst gebe es auch, wie sich Israel verhalte, erzählt Amir.

„Assad ist weg, aber wer kommt jetzt?“, fragt ein 47 Jahre alter Syrer sichtlich beklommen. „Ich bin Kurde, und die Türkei ist für uns immer ein großes Problem. Ich habe immer Angst“, sagt der Lieferant, der seit neun Jahren mit seiner Familie in Deutschland lebt und seinen Namen nicht nennen möchte. Er habe die Einbürgerung beantragt. „Ich hoffe, dass ich bleiben kann.“

Eine Debatte mit Beigeschmack

Hazem Zakri ist seit 2007 dauerhaft in Deutschland und seit 2022 Chefarzt im DRK-Krankenhaus in Hachenburg im Westerwald. Deutschland und die EU sollten ausloten, wo eine Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern in Syrien möglich sei, sagt der 42-Jährige. „Die Machtübernahme war bisher recht moderat. Aber ob Syrien ein demokratisches, pluralistisches Land wird, was wir uns erhoffen, bleibt abzuwarten.“

Der Hintergrund des islamistischen Rebellenführers Abu Mohammed al-Dschulani sei ja bekannt. „Inwieweit man sich ändern und offen sein kann gegenüber einer echten Demokratie, wird man sehen.“

Die deutsche Diskussion über eine Rückkehr von Syrern sieht Zakri nicht von der Mehrheit der Gesellschaft getragen. „Die Debatte sollte möglich sein, hat aber einen Beigeschmack. Sie wirkt etwas wie ein Teil des Wahlkampfs. Aber Deutschland ist ein Rechtsstaat, daher sehe ich das Ganze relativ gelassen.“

Er denke schon, dass der eine oder andere Syrer aus Deutschland zurückgehen werde. „Ich rechne aber nicht mit einer großen Zahl. Viele warten ab, wie es sich entwickelt“, meinte Zakri. Es werde aber auch daran liegen, wie sich die Diskussion in Deutschland entwickele. „Die Stimmung ist aktuell angeheizt durch die politische Gemengelage. Hoffentlich gibt es nach der Bundestagswahl klare Verhältnisse, und das Ganze beruhigt sich.“

Insgesamt glaube er, dass es weniger Flüchtende nach Deutschland geben werde. „Ich kann mir vorstellen, dass viele jetzt nicht mehr so den Anreiz haben, nach Deutschland zu kommen“, erklärt Zakri.

„Viele haben daran nicht mehr geglaubt“

Augenarzt Hasan Somar aus Mannheim ist sehr glücklich über das Ende der Diktatur. „Viele haben daran nicht mehr geglaubt“, berichtet der Deutsch-Syrer. „Trotzdem sind wir sehr, sehr vorsichtig, was die Zukunft betrifft.“ Denn es seien auch extreme Kräfte unter denen gewesen, die nach Damaskus marschiert seien. Die Gruppen hätten noch kein Programm, wie sie führen wollten, keine Vereinbarungen untereinander und seien nicht homogen. „Die ersten Stunden sind aber sehr friedlich verlaufen, und das ist ein gutes Zeichen“, sagt Somar, der 2015 nach Deutschland kam.

„Ich bin glücklich“, sagt auch Mohammed Hretani aus der syrischen Konditorei „Shahrasad“ aus Mainz. „Das braucht aber alles Zeit, das geht jetzt nicht so schnell“, betont er. Der Syrer ist seit zehn Jahren mit seiner Familie in Deutschland und hat Verwandte in Aleppo. „Ich weiß es nicht“, sagt er auf die Frage, ob er sich eine Rückkehr nach Syrien vorstellen kann.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer weist darauf hin, dass aus heutiger Sicht noch nicht absehbar sei, was komme und ob sich das Neue deutlich von dem abhebe, was abgelöst worden sei. Der SPD-Politiker warnt: „Da darf man auch nicht zu euphorisch sein, was das Errichten einer Demokratie nach europäischem Vorbild angeht.“ Die Lage müsse weiter beobachtet werden. „Wir sollten jetzt nicht zu euphorisch auf die Lage in Syrien schauen.“

Die Auswirkungen auf Syrer in Rheinland-Pfalz werde man sich noch anschauen müssen. „Der Wunsch von vielen Menschen wäre, dass sich dieses Land stabilisiert und wieder eine gute Heimat werden kann“, sagt Schweitzer.

Eine bessere Zukunft für Syrien

Assistenzarzt Mleh ist überzeugt, dass viele Flüchtlinge zurück in ihr Heimatland gehen möchten. Er selbst sei mit einem normalen Visum nach Deutschland gekommen und kein Flüchtling. „Ich bin sehr gut integriert in Deutschland und finde das auch sehr wichtig.“

Er wolle seine Facharztausbildung in Deutschland fertig machen. „Danach würde ich auch wieder gerne nach Syrien gehen.“ Dies gelte für viele andere syrische Ärzte. Viele seien wegen des Krieges gezwungenermaßen als Fachärzte nach Deutschland gekommen. Sie wollten ihr Land wieder aufbauen „und es in Zukunft besser machen“.

„Urlaub haben wir früher in der Türkei und im Libanon gemacht – jetzt machen wir in Syrien Urlaub“, sagt der 39 Jahre alte Amir Ali Bacha, der seit fast zwölf Jahren mit seiner Familie in Mainz lebt und nach eigenen Angaben beide Staatsbürgerschaften hat. Familie hat er noch in Damaskus und in Idlib. Die Familie seines Cousins Ibrahim ist auf mindestens fünf Staaten verteilt, wie dieser sagt. Er selbst war seit 15 Jahren nicht mehr in Syrien.

Augenarzt Somar glaubt auch: „Viele ziehen eine Rückkehr in Betracht.“ Er könne das auch für sich nicht ausschließen – vorausgesetzt, die positive Entwicklung der vergangenen Tage in Syrien setze sich fort.

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