Bristol – Wir sinken schnell. Der Wind pfeift ein fröhliches Lied, unten ziehen spielzeuggroße Farmen, Wohnhäuser und Gärten vorbei. Kinder winken, die Kühe rennen erschrocken weg. Bob Hart späht konzentriert zum Horizont hinaus. Ohne sein Fernglas abzunehmen, sagt der Brite mit fester Stimme: „Zehn Sekunden vor dem Aufprall bitte in die Knie gehen“.
Very british: ein Bulldoggen- und ein Union Jack-Ballon bei der großen Fiesta in Bristol. Eigentlich nicht ein, sondern hunderte Ballons gehen hier in die Luft. Einer der großen Stars der Ballon-Party in Bristol: Der riesige Action Man, ein 50 Meter langer Ballon in Form eines Fallschirmspringers mit ausgebreiteten Armen. Ein anderer Favorit des Publikums ist ein runder Weichkäse mit Sonnenbrille und weißen Handschuhen, der sich selbst in der Luft schält. Der deutsche Ballonfahrer Karl-Heinz Grünauer hat den 300 Kilogramm schweren, fliegenden „Babybel“ aus einem Museum in Deutschland mitgebracht. „Du wirst ein Teil der Natur, es ist ein simpler und zugleich mystischer Akt. Er weckt pure, kindliche Freude“, erklärt die englische Ballonfahrerin Jo Bailey die Liebe für ihr Hobby. Vorbereitung für die Fahrt. Pilot Bob Hart bläst seinen Ballon auf, in dem auch unser Korrespondent Platz nehmen darf. Auch bei den anderen Teilnehmern laufen die letzte Vorbereitungen, bevor es mit dem Korb in die Höhe geht. Ein schönes Bild bietet sich unserem Korrespondenten, als es endlich losgeht: Die ersten Ballons steigen in den Strahlen der aufgehenden Sonne ind en Himmel. Andere liegen noch schlaff am Boden. Was für eine Aussicht: Hoch oben über Westengland. Der Wind pfeift ein fröhliches Lied, unten ziehen spielzeuggroße Farmen, Wohnhäuser und Gärten vorbei. Kinder winken, die Kühe rennen erschrocken weg. Die Landung ist hart. Es quietscht und knarzt, die erschlaffende Hülle schleppt den Ballon in Richtung Straße, der Korb kippt um. Aber: Endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Am Abend beim “Nightglow” mit Musik bieten die Ballons ein besonders schönes Bild. Zum Abschluss des Festivals gibt es ein großes Feuerwerk.
Am Vortag. Ich stehe auf einer grünen Wiese und schaue fasziniert zu, wie unter dem Luftstrom eines Ventilators eine wabbelige, weißbraune Nylon-Wurst zu einer gigantischen Bulldogge wächst. Nebenan wölbt sich eine schwarze Kuppel mit einem zerknitterten Bild einer blonden Schönheit. Über uns hängt eine überdimensionierte orangene Limo-Dose. Unrasierte Männer mit glänzenden Augen schleppen keuchend Gasflaschen heran und fummeln an den Ventilen der Brenner. Die „Bristol Fiesta“ ist nichts als heiße Luft. Ich bin im Mekka der europäischen Ballonfahrer, die sich am Rand der westenglischen Hafenstadt zum zweitgrößten Ballon-Festival der Welt versammelt haben. „Es ist für alle eine ,Heimkehr‘“, sagt stolz dessen Direktorin Jane Oakland. „Weil unser Sport hier begonnen hat“.
Don Cameron ist ein freundlicher Mann mit einer von Altersflecken besprenkelten Halbglatze, der bei der „Fiesta“ wie eine Gottheit behandelt wird. Der 73-jährige Ex-Flugzeugingenieur konstruierte vor vier Jahrzehnten den ersten modernen Heißluftballon Westeuropas und gründete eine berühmte Firma, deren Produkte heute auf allen Kontinenten schweben. Zu Ehren Camerons veranstaltet die Grafschaft Somerset seit 1978 jedes Jahr eine internationale Ballon-Party mit Rummelplatz-Atmosphäre, Wettbewerben und Massenaufstiegen. Faszinierend: Die gemächliche Flugschau der leise zischenden Oldtimer lockt jedes Mal eine halbe Million Zuschauer nach Bristol. „Wir leben in einem Hightech-Zeitalter, trotzdem mag jeder die Ballons, weil sie hübsch und umweltfreundlich sind“, erklärt Jane Oakland.Vor 12 Stunden. Der „Action Man“ ist gestartet, ein 50 Meter langer Ballon in Form eines Fallschirmspringers mit ausgebreiteten Armen. Die Menge jubelt. Ein anderer Favorit des Publikums ist ein runder Weichkäse mit Sonnenbrille und weißen Handschuhen, der sich selbst in der Luft schält. Karl-Heinz Grünauer hat mit ein paar Freunden den 300 Kilogramm schweren, fliegenden „Babybel“ aus einem Museum in Deutschland gebracht. „Der Junge sieht gut aus“, sagt liebevoll der Mann, der als Controller eines Flugplatzes bei Stuttgart arbeitet. Laut Grünauer bleibt der Käseballon länger „am Leben“, wenn er ab und zu ausgepackt und anderen Menschen gezeigt wird.
Der Heißluftveteran fliegt selbst seit 20 Jahren in Deutschland, Belgien, Israel und anderen Ländern. „Es ist schön, um die Welt zu reisen und neue Freundschaften zu schließen. Außerdem mag ich das Schweben, die Ruhe, die Ungewissheit und das Ausgeliefertsein an die Elemente“, erklärt Grünauer. Viele auf der „Fiesta“ teilen diese Gefühle. „Du wirst ein Teil der Natur, es ist ein simpler und zugleich mystischer Akt. Er weckt pure, kindliche Freude“, erklärt die englische Ballonfahrerin Jo Bailey.
Aus den Körben fallen sie nur selten
Vor 10 Stunden, es dunkelt. Grünauers Baby(bel) schlummert bereits selig in seinem Transportcontainer, als sich auf der Wiese zwei Dutzend Ballons wie Soldaten zu einer Parade aufreihen. Zehntausende Menschen strömen in den Ashton Park. Auf den Picknickdecken knallen die Sektkorken. Freudige Erwartung in der Luft. Plötzlich dröhnt Popmusik aus den Lautsprechern, und die Teams in den Körben schalten im Rhythmus der Musik abwechselnd ihre Brenner ein, so dass die Luftballons wie gigantische Glühlampen zu blinken beginnen. Die Lichtshow endet mit einem Feuerwerk. „Glückwunsch, ich habe gehört, dass Sie morgen fliegen“, verabschiedet mich einer der Organisatoren. „Keine Angst, die Leute fallen nur selten aus den Ballons heraus“.
Ein schönes Bild bietet sich unserem Korrespondenten, als es endlich losgeht: Die ersten Ballons steigen in den Strahlen der aufgehenden Sonne ind en Himmel. Andere liegen noch schlaff am Boden.
Vom Winde verweht, fühlt man sich leicht und sorglos. Bis auf das gelegentliche Fauchen des Brenners ist es ganz still. Überall um uns herum steigen in den Strahlen der aufgehenden Sonne bunte Ballons auf. In 411 Meter Höhe winkt Bob einem vorbeifliegenden Freund zu, dann deutet er auf einen Verkehrskreisel: „Letztes Jahr landeten wir direkt darauf. Die Autofahrer waren ganz schön geschockt“. Der Pilot, sein Helfer und seine Frau – sie alle schütteln sich vor Lachen.
Bob Hart ist ein Autohändler aus Bristol, der sich für die europäische Politik interessiert („Merkel wird sich wundern, denn die Griechen zahlen euch nie das Geld zurück“) und wie alle Briten gerne über das Wetter lamentiert. „Ich war seit dem letzten Sommer wegen dieses verdammten Regens höchstens zwölf Mal in der Luft. In Italien kannst du jeden Tag fliegen“, klagt der grauhaarige Abenteurer. Außerdem sei das Propan mit 70 Pence pro Liter ganz schön teuer geworden. Trotzdem denkt Bob nicht daran, sein Hobby aufzugeben. „Du lässt dich vom Wind tragen und betrachtest die Natur. Es ist so friedlich. Natürlich können auch Dinge passieren, wenn man sich zu sehr entspannt“.
Auf der Suche nach einem Landeplatz
Was für Dinge? „Feuer im Korb, das gibt’s aber selten“, sagt der Brite. „Am Schlimmsten ist es, eine Stromleitung zu treffen. Dann macht es: Bumm!“ Der Wind frischt auf, und nach 25 Minuten Flug beschließt Bob, einen Landeplatz zu suchen, ehe wir ins offene Meer geweht werden. Doch das ist schwierig. Wohnsiedlungen sind für uns tabu, ebenso Bauernhöfe und Straßen. Viele Wiesen stehen unter Wasser, auf anderen weiden Pferde, Schafe oder Kühe. „Drüben ist ein geeignetes Feld“, entscheidet der Pilot. „Zehn Sekunden vor dem Aufprall bitte in die Knie gehen“.
Die Landung ist hart. Es quietscht und knarzt, die erschlaffende Hülle schleppt den Ballon in Richtung Straße, der Korb kippt um. Aber: Endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
Oje, der mürrische Mann runzelt die Stirn. Doch Bob hat einen Trumpf mit, die Standardwährung aller gestrandeten, hilfebedürftigen Ballonfahrer: eine Flasche „Famous Grouse“-Whisky. Die Miene des Landwirts hellt sich augenblicklich auf, und er verschwindet, um den Traktor zu holen. Nach weiteren 20 Minuten haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Im Himmel sehe ich noch einige „Fiesta“-Teilnehmer, die sich zu neuen Abenteuern treiben lassen. Für uns wird es Zeit zu frühstücken.
Von unserem London-Korrespondenten Alexei Makartsev