Der Grünen-Politiker sagte im Deutschlandfunk: „In einer Pandemie muss der Regierungschef stark führen, anders geht es nicht.“ Es dürften nicht beliebige Kompromisse gemacht werden. Die Lösung, eine allgemeine Corona-Impfpflicht über Gruppenanträge im Bundestag einführen zu wollen, sei etwa ein langwieriges Verfahren „mit der Gefahr, dass es zum Schluss zerredet wird und keine klare Linie dabei rauskommt“.
Kretschmann sagte, in einer Krise sei die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs gefragt. Wenn die Koalitionspartner dem nicht relativ frei folgten, sei das ein Problem. Er erinnerte an Scholz' Aussage, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch. Vor allem die FDP im Bund – kleinster Koalitionspartner der Ampelregierung – spricht sich für Öffnungsschritte und Lockerungen der Corona-Regeln aus, während Scholz noch auf die Bremse tritt.
Die FDP ging unterdessen auf Distanz zum Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Ein Grund dafür ist, dass das RKI den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt und damit viele Bürger überrascht hatte. Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem „Spiegel“, er habe großen Respekt vor den Leistungen des RKI-Chefs in den vergangenen zwei Jahren. Mit Blick auf die Verkürzung des Genesenenstatus fügte er jedoch hinzu: „Des Vertrauens der FDP kann sich Herr Wieler aber aufgrund dieser neuerlichen Verfehlung, die ja leider keinen Einzelfall darstellt, nicht mehr sicher sein.“
Politiker von SPD, CDU und Grünen verteidigten Wieler gegen die Kritik der FDP. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dagmar Schmidt, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „RKI-Chef Lothar Wieler hat in der zweijährigen Pandemie viel geleistet und unermüdlich gearbeitet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“
In Krisenzeiten brauchen die Menschen Orientierung. Klare Kante von glaubwürdigen und kompetenten Führungspersönlichkeiten. Trotz aller Anfeindungen und Querschüsse hat es diese Führung während des Großteils der Corona-Pandemie gegeben.Kommentar zur Debatte um RKI-Chef Lothar Wieler: Scholz lässt sich von der FDP vorführen
Der Vizechef der Unionsfraktion, Sepp Müller (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), klar sei, dass sich die Kommunikation des RKI deutlich verbessern müsse. „Unabhängig davon ist Prof. Wieler eine ausgewiesene wissenschaftliche Koryphäe, die wir von der Union respektieren und unterstützen.“ Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen schrieb auf Twitter, Wieler verdiene Respekt und Dank für seinen „unermüdlichen und professionellen“ Einsatz in der Pandemie. „Seine Expertise ist von unschätzbarem Wert. Ohne ihn stünden wir heute viel schlechter da.“
Über die mögliche Einführung einer Impfpflicht wird voraussichtlich im März im Bundestag abgestimmt. Die Abgeordneten sollen ohne Fraktionszwang ihre Stimme abgeben und können sich parteiübergreifenden Gruppenanträgen anschließen. Mehrere Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP schlagen in einem Eckpunktepapier vor, dass eine Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 „mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland“ gelten soll. Sie wäre mit drei Impfungen erfüllt und befristet bis Ende 2023. Wer keinen Nachweis erbringt, dem soll ein Bußgeld drohen, zur Not auch mehrfach.
In einem anderen Antrag sprechen sich Parlamentarier um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann für einen Mittelweg aus – sie befürworten ein verpflichtendes professionelles und persönliches Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften. Sollte damit nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht werden, könnte eine Pflicht ab 50 Jahren greifen. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will dagegen eine Impfpflicht generell verhindern. Auch die AfD hat einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt.
Im Nachbarland Österreich gilt bereits seit Samstag für praktisch alle Einwohner über 18 Jahren eine Corona-Impfpflicht. Nach einer Übergangszeit bis Mitte März drohen Impfverweigerern dann auch harte Geldstrafen.