Nürburgring

Rolli am Ring: So erleben Menschen mit Behinderung das Festival

Von Tim Kosmetschke
Auf dem Boxendach können Rollstuhlfahrer das Programm auf der Hauptbühne mit exzellenter Sicht verfolgen - ein klarer Standortvorteil für Rock am Ring, berichten Betroffene.
Auf dem Boxendach können Rollstuhlfahrer das Programm auf der Hauptbühne mit exzellenter Sicht verfolgen - ein klarer Standortvorteil für Rock am Ring, berichten Betroffene. Foto: Kevin Ruehle

Die Wege bei Rock am Ring sind lang und mitunter beschwerlich – es geht über schweres Geläuf, Stock und Stein, hinauf und hinab, über Brücken und durch Engpässe. Wie kompliziert ist ein Festivalbesuch erst für Menschen mit Beeinträchtigung? Wir haben Rollstuhlfahrer nach ihren Erfahrungen gefragt – und Lob und Kritik gehört.

Lesezeit: 3 Minuten
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Freitagnachmittag vor der zweitgrößten Bühne am Ring, auf der die Band Hot Milk gegen die Sonnenträgheit der frühen Besucher anspielt. Tobias ist alles andere als träge, er muss sich sogar ordentlich anstrengen, um Nadjas Rollstuhl über eine geschotterte Fläche zu schieben. Das Paar aus der Eifel ist Ring-erfahren, hat es nicht weit bis nach Hause – und freut sich schon auf die Foo Fighters. Wie klappt es mit der Barrierefreiheit beim Festival, fragen wir? So lala, könnte man die Antwort der beiden zusammenfassen, manches klappt gut, über anderes kann man nur den Kopf schütteln.

So oder so ähnlich lauten viele Statements von Menschen mit Beeinträchtigung, mit denen wir beim Festival sprechen. Bemühungen der Veranstalter, das Musikvergnügen möglichst jedem zu ermöglichen, werden gesehen und anerkannt. Doch es gibt auch Nachbesserungsbedarf.

Informationen muss man sich mühsam zusammensuchen

Etwa beim Informationsfluss, sagt Tobias: „Man muss sich wirklich alles einzeln zusammensuchen – was ist wo, wie kommt man hin, wo sind barrierefreie Toiletten? Das nervt.“ Die beiden kennen sich aus, das hilft, meinen sie. Aber wie schwierig ist es für Neulinge? Beim Blick ins Netz kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass mancher Fanblog besser und übersichtlicher über die Wege und Möglichkeiten informiert als die offizielle Festivalseite.

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Patrick, 33, aus Duisburg ist erfahrener Festivalbesucher – er hat Lob und Kritik für die Ring-Macher zu bieten. Ein wichtiger Punkt ist auf dem Foto zu sehen: Auf dem Zeltplatz „Special Needs“, auf dem Patrick mit seinen Freunden campiert, muss er ständig über Schotter rollen. Das war früher besser, sagt er.
Foto: Tim Kosmetschke

Worüber Tobias und Nadja nur die Köpfe schütteln können: Warum muss man unbedingt über eine Schotterpiste, um an die Eintrittsbändchen zu kommen? Kann man das nicht irgendwie anders regeln?

Ja, die Schotterpisten nerven, sagt auch Jan aus Potsdam. Doch der 37-Jährige sieht auch viel Positives – gerade, was die Erreichbarkeit im Innenbereich angeht: „Es ist eben eine Rennstrecke hier – und das bedeutet: viel Asphalt, viel Beton. Rollt also ganz gut“, meint der festivalerfahrene Rollifahrer. Er ist allein unterwegs am Ring.

Camping ist aber nichts für ihn, er hat einen anderen Weg gefunden, Rock am Ring erleben zu können: Er hat sich in einem Hotel in Koblenz einquartiert und pendelt mit dem vom Veranstalter angebotenen Shuttlebus. Ist der denn wenigstens rollstuhlgerecht? Jan schüttelt lachend den Kopf: „Nein, aber ich kann ein paar Schritte laufen und komme so hinein. Und es findet sich immer jemand, der sofort mit anpackt und den Rollstuhl in den Bus bringt.“

Der „Special Needs“-Campingplatz ist geschottert

Natürlich gehört aber auch für viele Menschen mit Beeinträchtigung das Camping dazu – für Patrick zum Beispiel. Der 33-Jährige aus Duisburg hat sich mit mehreren Freunden auf dem Zeltplatz B2a häuslich eingerichtet, nahe dem Haupteingang – „Special Needs“ heißt diese Campingfläche im Festivalsprech („spezielle Bedürfnisse“). Die Truppe macht sich gerade auf den Weg – über Schotter.

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Jan, 37, aus Potsdam ist allein auf dem Festival unterwegs – er nutzt den Shuttlebus nach Koblenz, hat sich dort in einem Hotel einquartiert. Am Ring ist nicht alles ideal für Rollifahrer – aber einen Vorteil bietet das Festival auf der Rennstrecke laut Jan: relativ viele Betonflächen.
Foto: Tim Kosmetschke

Wieder so ein Kopfschüttelmoment – ausgerechnet der Rollstuhlfahrerparkplatz ist in weiten Teilen nicht asphaltiert. „Das war bis vor ein paar Jahren viel besser – da waren wir auf der Fläche D10, die ist zwar etwas weiter weg, dafür aber in weiten Teilen asphaltiert.“ Patrick und seine Truppe flehen fast: „Wenn wir uns eins wünschen dürften – gebt uns D10 zurück“, sagen sie an die Adresse der Ringveranstalter gerichtet.

Aber – auch hier will man keinesfalls nur meckern, im Gegenteil. Am Ring laufe vieles besser als bei anderen Festivals, sagt Patrick, der sich in der Szene auskennt. Er nennt ein sehr einleuchtendes Beispiel: „Auf vielen Festivals gibt es nichts anderes als Dixitoiletten – und die sind für Rollstuhlfahrer einfach nur sch...“ Am Ring stehen aber an vielen Stellen behindertengerechte Toiletten mit entsprechenden Haltegriffen und Licht. „Und es gibt Strom hier auf dem Campingplatz – den brauchen ja viele für ihre Elektrorollstühle.“

Was Patrick ebenso wie alle anderen Rollifahrer, die wir gesprochen haben, begeistert, ist der Blick auf die Hauptbühne vom Boxendach aus. Per Aufzug geht es mit entsprechender Berechtigung hinauf, eine Begleitperson darf mit hinauf. „Da ist seit Jahren schon derselbe Ordner im Aufzug – super nett und hilfsbereit, der kennt einen schon.“

Es ist nun später Nachmittag geworden, für Patrick und die anderen wird es höchste Zeit, zumal sie sich noch mit weiteren Freunden treffen wollen. Da fällt ihnen noch ein Kritikpunkt ein, der zum Thema Informationsfluss passt – leider können sie nicht alle zusammen zelten, eine entsprechende Anmeldung haben sie verpasst, weil sie es schlicht nicht besser wussten. Barrierefreiheit beim Festival – sie beginnt schon beim Ticketkauf,