Enspel

Dampflok-Oldie Julia zu Gast: 100-Jährige besucht Stöffel-Fest

Julia im Stöffel
Die Oldtimer-Dampfwalze Julia gab sich schon auf dem Stöffelfest 2022 die Ehre. Foto: Wolfgang Dörner (Archiv)/Wolfgang Dörner

Neben vielen anderen Attraktionen wird auch die Dampfwalze Julia im Rahmen des Stöffelfestes am Wochenende, 24. und 25. August, im Stöffel-Park zu bestaunen sein. Was an ihr so besonders ist und welche Geschichte sie hat, das berichtet der stellvertretende Vorsitzende des Stöffel-Vereins, Wolfgang Dörner.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Als die Dampfwalze Julia vor 100 Jahren die Maschinenhalle verließ, stand die Erde noch am Anfang des fossilen Energiezeitalters. Trotzdem war bereits ein neues Antriebsprinzip dabei, die Welt der Fahrzeuge zu erobern und die Dampfmaschine zu verdrängen: der Dieselmotor. Er kam im Jahr 1923 erstmals auch in Lastkraftwagen zum Einsatz.

Bei der Firma Henschel & Sohn in Kassel zeigte man sich von dieser neuen Entwicklung wenig beeindruckt. Die Firmenleitung beabsichtigte, die Dampfwalze in größeren Stückzahlen zu produzieren und in den Markt zu drücken. Dabei schreckte man auch nicht davor zurück, Julia die Seriennummer 1005 zu geben, obwohl die Serie insgesamt nur zehn Exemplare umfasste. Der Markt verwehrte dem schweren, komplizierten und teuren Gerät allerdings den Erfolg, sodass heute nur Julia von dieser Serie noch übrig ist.

Julia stand jahrelang in Wien

Jahrelang fristete Julia ihre Existenz auf einem Spielplatz in Wien, bis Ende der 1980er-Jahre Harald Müller aus Raabs an der Thaya (Österreich) sie zum Schrottpreis erwarb und in liebevoller Kleinarbeit und großer Detailverliebtheit restaurierte. Altersbedingt trennte Harald Müller sich 2013 von Julia – den Namen trug sie bereits in ihrer Zeit auf dem Spielplatz. Markus Mann erwarb Julia und brachte sie nach Langenbach. Dort hat die Maschine eine neue Heimat gefunden und steht im werkseigenen Museum der „MANN Naturenergie GmbH & Co. KG“.

Julia wird regelmäßig gewartet, erfährt TÜV-Prüfungen und kommt alle zwei Jahre zum Stöffelfest nach Enspel. Außerdem fährt sie jährlich an den Tagen der offenen Tür von der Firma in Langenbach, oder wird für einen Ausflug ins Nachbardorf zum Mittagessen genutzt.

Julia ist keine Asphaltwalze. Zu der damaligen Zeit stellte man Schotterstraßen mit „Dachprofil“ her. Ein Dachprofil bedeutet eine Erhöhung in der Mitte der Straße, damit das Wasser abfließt und sich keine Pfützen bilden. Die Antriebsräder wurden derart geformt, dass diese konisch nach innen zulaufen. Auf einer ebenen Fläche, fährt Julia somit nur auf dem äußeren Rand der hinteren Walzen, weiß Dörner zu berichten.

Transportiert per Eisenbahn

Große Entfernungen wurden vor 100 Jahren per Eisenbahntransport durchgeführt. Die letzten Kilometer wurden vom Bahnhof zur Baustelle auf eigener Achse vollbracht. Hierzu war es nötig, dass ein Bauwagen mit Bett, Ofen, Waschgelegenheit und allerlei Werkzeug angehängt wurde. Weiterhin brauchte es einen Wasser- sowie einen Brennstoffwagen.

Insgesamt hatte man somit ein Gewicht von etwa 30 Tonnen, die mühevoll von den bis zu circa 45 Pferdestärken bewegt wurden. Die Baureihe wird mit einer Arbeitsgeschwindigkeit von zwei Kilometern pro Stunde und einer Reisegeschwindigkeit von 5 km/h angegeben. Einen besonderen Einsatz hatte Harald Müller mit seiner frisch renovierten Julia in den 1990er-Jahren in einem historischen Stadtkern. Um die historischen Gebäude beim Straßenbau nicht zu beschädigen, durften keine heute üblichen Rüttelwalzen eingesetzt werden. Es braucht somit Gewicht und hohe Punktlasten. Das war dann Julias Liga.

Julia zeugt von der technischen Entwicklung

„Technik fasziniert mich, und an dieser Maschine kann man die unglaubliche Weiterentwicklung während der letzten 100 Jahre live erkennen“, begeistert sich der Eigentümer des Oldtimers. Das Schicksal, das Henschel & Sohn mit diesem Maschinentyp ereilte, ist ein typisches Beispiel von disruptiven Veränderungen in der Technik. Während Julia einen energetischen Wirkungsgrad von 6 bis 8 Prozent hat, wurde sie von Dieselmotoren abgelöst, die mit bis zu 30 Prozent punkten konnten.

Aktuell wiederholt sich die Geschichte: Verbrennungsmotoren sind nach über 100-jähriger Geschichte durch die physikalischen Grenzen nicht über einen Wirkungsgrad von im günstigsten Fall 35 Prozent (Benziner) beziehungsweise 43 Prozent (Dieselmotor) hinausgekommen. Dagegen erreicht der Elektromotor in einem E-Fahrzeug einen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent.

Alle Programmpunkte zum Stöffelfest aus den Bereichen Industrie/Oldtimer, Kultur und Naturschutz präsentiert der Stöffelverein im Internet unter der Adresse www.stoeffelverein.de