Wir können sehr froh sein, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben. Denn dann hätte das Coronavirus wohl leichtes Spiel. Das Mittelalter war ja nicht gerade berühmt für seine hygienischen Verhältnisse. Die Bevölkerung lebte innerhalb der Stadtmauern dicht beieinander. Es gab zwar Hygienevorschriften der Stadtregierungen, dennoch warfen Bewohner Müll und Fäkalien einfach auf die Gassen und kümmerten sich weder um Gestank, noch um die Verunreinigung von Brunnen und Flüssen. Krankheitserreger fanden einen idealen Nährboden und konnten sich durch die Enge, über das Trinkwasser, Ratten oder auch Flöhe ungehindert ausbreiten.
Wir können uns auch glücklich schätzen, dass wir heute die Möglichkeit haben, Abstand zu wahren, Masken zu tragen und uns mit Seife zu waschen, wann immer wir es für nötig erachten. Als Mitte des 14. Jahrhundert die Pest über Europa hereinbrach, fanden rund 25 Millionen Menschen den Tod – ein Viertel der damaligen Bevölkerung. Das war verheerend, damals wussten die Menschen nicht, welche Übertragungswege diese Seuche nimmt, es gab noch kein Antibiotikum und sie waren dem „schwarzen Tod“ schutzlos ausgeliefert. Heute wissen wir mehr: Die Pest ist heilbar. Jetzt ist sie natürlich nicht mit Corona gleichzusetzen, aber auch für diese Pandemie bleibt zu hoffen, dass möglichst bald ein Medikament oder Impfstoff entwickelt wird.
Beim Spectaculum in Oberwesel erinnert alle zwei Jahre der Pestzug der Gezeichneten die Besucher an die Zeit, in der die Menschen mit dem Tod vor Augen leben mussten. Was das Mittelalter angeht, so lassen wir uns gern für ein paar Stunden zurückversetzen, sind danach aber froh, wieder in den Betten, und nicht auf dem Strohlager, zu nächtigen und uns morgens unter die warme Dusche stellen zu können.
Leider wird der alle zwei Jahre mit viel Herzblut und ehrenamtlichem Einsatz geplante Abstecher ins Mittelalter 2020 wohl nicht stattfinden können – auch wenn die offizielle Entscheidung noch abgewartet wird. Das ist sehr schade, auch vor dem Hintergrund der vielen Arbeitsstunden im Vorfeld. Mehr als 1000 Kerzen gießen die Vereinsmitglieder jedes Mal in Handarbeit. Und das ist nur ein Beispiel.
Aber Großveranstaltungen dürften wohl noch für Monate tabu sein. Damit hoffentlich nach all dem wieder Hunderte Mittelalterfans in Oberwesel ihre Trinkhörner erheben und sich zuprosten können: „Die Pest konnte uns nichts anhaben – und Corona ist jetzt auch Geschichte!“