Sosberg/Mörsdorf

Streit an der Brücke: Wer hat an der Geierlay eigentlich das Sagen?

Der Touristenmagnet Geierlay: Die Aussicht auf Sosberg könnte bald anders aussehen. Hier soll nämlich ein gastronomisches Angebot entstehen. Etwas, das für Streit zwischen den Brückendörfern sorgt, denn Mörsdorf ist gegen diesen Bau.
Der Touristenmagnet Geierlay: Die Aussicht auf Sosberg könnte bald anders aussehen. Hier soll nämlich ein gastronomisches Angebot entstehen. Etwas, das für Streit zwischen den Brückendörfern sorgt, denn Mörsdorf ist gegen diesen Bau. Foto: dpa/Thomas Frey

Die Hängeseilbrücke Geierlay soll eigentlich Sosberg im Kreis Cochem-Zell und Mörsdorf im Rhein-Hunsrück-Kreis verbinden. Doch die Pläne für ein Restaurant am Sosberger Brückenkopf schmecken den Mörsdorfern ganz und gar nicht. Droht jetzt der Dauerstreit um den Touristenliebling?

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Als „Brückenträumer“ bezeichneten sich die Initiatoren einst, heute ist ihr Traum Realität – und inzwischen ein echter Selbstläufer: Die Hängeseilbrücke Geierlay zählt als eine der Hauptattraktionen in Rheinland-Pfalz. Sie lockt Menschen aus der ganzen Welt in den Hunsrück. Seit 2015 verbindet sie nun die beiden Gemeinden Mörsdorf im Rhein-Hunsrück-Kreis und Sosberg im Kreis Cochem-Zell – doch das verflixte siebte Jahr hat es in sich. Denn wegen des Plans der Sosberger, ein Restaurant am Brückenkopf zu bauen, haben sich die beiden „Brückendörfer“ verkracht.

Die Hängeseilbrücke Geierlay geht auf eine Idee von Ingo Börsch zurück, der davon schon 2006 zur Dorferneuerung von Mörsdorf gesprochen hat. Markus Kirchhoff, der heutige Ortsbürgermeister von Mörsdorf, und Hans-Peter Platten teilten seine Begeisterung direkt. Das Projekt wurde schließlich 2010 wieder aufgegriffen und umgesetzt. Ein langwieriger Prozess, denn erst 2015 kam es zum Bau.

Mit einem Schweizer Ingenieur haben sie sich damals die an dieser Stelle einmalige Natur angesehen, an der heute die 370 Meter lange Brücke über das Tal führt. Markus Kirchhoff erzählt: „Wir haben uns in den strömenden Regen gestellt, jeder einen Regenschirm in der Hand, und Herr Pfaffen von dem Schweizer Unternehmen hat den Ausblick von Mörsdorf nach Sosberg mit God’s Window in Afrika verglichen.“ Das sogenannte „Gottes Fenster“ ist übrigens einer der atemberaubendsten Aussichtspunkte Südafrikas.

Die Brücke kurbelt die Gastronomie an

Anfangs ging die Machbarkeitsstudie von 175.000 Besuchern im Jahr aus – heute sind es 400.000 Besucher im Jahr. Und die kann kein Regen, kein Schnee, kein Corona abschrecken. Die Zahlen sind sogar in Pandemiezeiten gewachsen, auch wenn die Brücke zwischenzeitlich schließen musste. Ein Touristenmagnet im Hunsrück – und das zur Freude vieler. „Die Gastronomen in Kastellaun fallen uns regelrecht um den Hals“, betont Markus Kirchhoff. Auch Andreas Lehnert, Ortsbürgermeister von Sosberg, betont: „Die Brücke ist ein touristisches Highlight für die ganze Region, für alle Dörfer hier, nicht nur für Mörsdorf und Sosberg.“

Die Brücke ist ein touristisches Highlight für die ganze Region, für alle Dörfer hier, nicht nur für Mörsdorf und Sosberg.

Sosbergs Ortsbürgermeister Andreas Lehnert

Mörsdorf ergriff diese Chance direkt, sagt Kirchhoff: „Durch den Input, den wir durch die Brücke bekommen, konnten wir unser Dorf komplett neu gestalten.“ Und so einige Gastgeber, ob Ferienwohnungen oder Gastronomen, profitieren von dem Ansturm auf die Brücke. Eines der langfristigen Ziele von Mörsdorf war es, ihren Ort attraktiver zu machen, damit auch die jüngere Generation hier bleibt, statt wegzuziehen.

Mit der Geierlay ist das gelungen: Mörsdorf konnte als Dorf wiederbelebt werden. Für einen kleinen Ort im Hunsrück ist das bemerkenswert, wo es sonst vielerorts eher beschaulich ist – was die meisten Anwohner aber nicht stört. Es gibt vor allem eines: viel Natur. Und das ist es, was auch die vielen Touristen anzieht. Denn die Geierlay ermöglicht einen wahnsinnigen Ausblick auf das Tal – umringt von Wald, Wiesen und Wanderstrecken.

Der Spaziergang über die Hängeseilbrücke Geierlay dauert schon mal acht bis zehn Minuten – zusätzlich zur Wanderung aus den Orten. Wer die Brücke gemeistert hat, sucht allerdings vergebens nach eine Toilette oder einem Kaffeestand – noch.
Der Spaziergang über die Hängeseilbrücke Geierlay dauert schon mal acht bis zehn Minuten – zusätzlich zur Wanderung aus den Orten. Wer die Brücke gemeistert hat, sucht allerdings vergebens nach eine Toilette oder einem Kaffeestand – noch.
Foto: Kevin Rühle

Doch an genau diesem Punkt entsteht ein Zwist mit Sosberg, der Gemeinde an der anderen Seite der Brücke. Denn Sosberg will an dieser Stelle ein gastronomisches Angebot errichten. Keine Imbissbude, kein Nobelrestaurant, sondern einfach „eine kleine Gastronomie, wie auch immer die nachher aussieht“, sagt der Ortsbürgermeister Andreas Lehnert.

Er betont, dass Bedarf an der Brücke selbst besteht: „Die Besucher möchten einfach zur Toilette gehen können, vielleicht eine Kleinigkeit essen und einen Kaffee trinken.“ Also ein Ort, an welchem sich die Tagesgäste stärken können. Schließlich ist der etwa achtminütige Gang über die Brücke nicht ohne – dazu kommt der Weg zur Brücke, der erst einmal ein gutes Stück über Feld und Wald führt.

Ist der Charme der Aussicht in Gefahr?

Eben dies ärgert Markus Kirchhoff: Die Mörsdorfer wollen nicht nur keine Gastronomie am Brückenkopf, da diese eben im Ortskern stattfinden soll, laut Baugenehmigung dürfen sie in ihrer Gemarkung auch nichts errichten. Anders sieht das für ihr Nachbardorf aus. Und die Sosberger wollen davon Gebrauch machen. Die Bauerlaubnis hat Sosberg jedenfalls bekommen. Und das an einer, für Markus Kirchhoff, unmöglichen Stelle.

Von „seiner“ Seite aus zeigt er auf das andere Ende der Geierlay, welche den Blick auf grüne Natur freilegt und erzählt: „Genau da wollen die eine Gastronomie hinbauen, mit Spielplatz und Co. Hier sollte kein Rummelplatz entstehen. Der Blick, der jetzt 100.000 Mal fotografiert wurde, jetzt mit einer Gastronomie zu ruinieren – dann ist der Charme vorbei. Je nachdem welches Bauwerk dahinkommen soll, würde das nicht mehr mit diesem filigranen Brückenkonstruktion zusammenpassen.“

Die RZ-Reporter Annika Wilhelm und Finn Holitzka recherchierten rund um die Geierlay. Das Ergebnis hört man im neuen Podcast RZInside.
Die RZ-Reporter Annika Wilhelm und Finn Holitzka recherchierten rund um die Geierlay. Das Ergebnis hört man im neuen Podcast RZInside.
Foto: Wilhelm/Holitzka

Einen bitteren Beigeschmack hat die Situation für Markus Kirchhoff jedenfalls schon: Die Initiative, die Brücke zu bauen, ging von Mörsdorf aus. Sosberg habe nie großartiges Interesse an der Brücke und deren Entwicklung gezeigt, sagt er: „Sosberg hat zwar auch 20.000 Euro beigetragen, ist aber ein viel kleineres Dorf, hat nicht viele Ambitionen und hat sich generell eher weniger für die Brücke und deren Bau interessiert.“

Wenig Kooperationsbedarf gab es mit dem alten Bürgermeister, bei dem neuen Ortschef, Andreas Lehnert, erhoffte Markus Kirchhoff sich mehr Zusammenarbeit. Interesse an der Geierlay zeigt dieser jedenfalls schon, jedoch an falscher Stelle, bedauert Kirchhoff.

Streit ist vor Gericht gelandet

Mörsdorf ist sich sicher: Die Gastronomie soll im Ortskern sein, nicht an der Brücke. Das bringt auch Kirchhoff zum Ausdruck: „Ich bin der Meinung, die Sosberger würden sich einen Gefallen tun, wenn sie eine Gastronomie bauen, diese aber weiter hinten platzieren, statt direkt am Brückenkopf.“ Dabei spielt er auch auf den Kostenpunkt an. In Sosberg herrscht allerdings eine vollkommen andere Situation im Vergleich zum Nachbarort. Hier gibt es keine Parkleitsysteme, keine ausgebaute Gastronomie, eigentlich ist es im Ortskern ziemlich ruhig. Das sei auch okay so, sagt Lehnert, nicht jeder wolle so viel Action auf dem Hunsrück.

In einem Punkt sind sich die beiden Ortsbürgermeister zumindest einig: An der Brücke wird eine Toilette gebraucht. Lehnert sagt: „Es kann nicht sein, dass die Leute dann in den Wald gehen müssen.“ Der Streit um ein Gastronomie-Angebot und dessen Standort ist inzwischen jedoch so eskaliert, dass er vor Gericht gelandet ist. Während die Menschen unberührt davon weiterhin über die Brücken laufen, ist der Ausgang dieses Streites unklar.