Siegen

„Das gespaltene Haus“: Historiker referiert in Siegen über Polarisierung in den USA

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Droht den USA ein neuer Bürgerkrieg? Das war eine der Fragen, die im Anschluss an den Vortrag des Historikers Manfred Berg in Siegen lebhaft diskutiert wurde. Foto: Tanja Hoffmann/Uni Siegen

„Ein in sich gespaltenes Haus kann keinen Bestand haben“ – Abraham Lincoln hielt 1858 seine „House-Divided-Rede“, basierend auf biblischer Grundlage. Im Blick hatte er die Frage der Sklaverei, die die USA spaltete. Drei Jahre später begann der Sezessionskrieg, der mehr als 700.000 Opfer forderte. „Das gespaltene Haus“ lautet der Titel des neuen Sachbuchs von Manfred Berg (Uni Heidelberg), das dieser im Rahmen von „Wissenschaft/Literatur um 12“ im Haus der Wissenschaft der Uni Siegen vorstellte.

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Der Historiker zeichnete laut Uni-Pressetext nach, wie sich die Konsenspolitik von Republikanern und Demokraten seit den 1950er-Jahren allmählich in Richtung Polarisierung entwickelte und schlussendlich in Unversöhnlichkeit endete. Exemplarisch führte Berg den Konflikt „Pro-Choice versus Pro-Life“ um die Abtreibung an. Er verwies auf den „befriedenden Kompromiss“ in der Bundesrepublik. „In den USA dagegen eskalierte die Abtreibungsfrage zum hoch emotionalisierten Kulturkrieg, der nicht nur mit Worten ausgetragen wurde.“ Dabei habe die Mehrheit der Amerikaner seit den 1970ern eher pragmatische Positionen eingenommen. Am 22. Januar 1973 etablierte das Oberste Verfassungsgericht das Recht auf Abtreibung verfassungsrechtlich.

Entscheidung für ungültig erklärt

Das Urteil Roe versus Wade habe einen „tragfähigen Konsens“ formuliert. Es billigte der Frau in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten das alleinige Entscheidungsrecht zu. Als Begründung galt ein impliziertes „right of privacy“, basierend auf der Verfassung und vor allem deren 14. Verfassungszusatz von 1868. 2022 wurde das Urteil für ungültig erklärt, nachdem Trump drei Richterstellen beim Supreme Court neu besetzt hatte. „Das Recht auf Abtreibung war schon längst unterhöhlt“ – sowohl durch rechtliche Einschränkungen als auch durch eine Einschränkung des Angebots für Schwangerschaftsabbrüche. Kliniken schlossen nicht zuletzt, weil das Personal massiv bedroht und teils getötet wurde.

Schon bevor Trump 2017 US-Präsident wurde, habe er einen durchaus auch zweifelhaften „Status der Berühmtheit“ gehabt. Als Anwärter auf die Präsidentschaft habe man ihn lange Zeit hinweg nicht ernst genommen. Getragen worden sei er von „einer amerikanischen Welle des Aufstiegs populärer Kulturen“. Zugute kam ihm bei seinem Wahlsieg, bei dem die Kontrahentin rund drei Millionen Wählerstimmen mehr erhalten habe, dass Hillary Clinton „einen der schlechtesten Wahlkämpfe der neueren Geschichte“ geführt habe.

Entscheidung in sechs bis acht Bundesstaaten

Die Präsidentschaftswahlen in den USA werden mittlerweile in nur sechs bis acht Bundesstaaten, den sogenannten Swing States ohne vorab fixen Wahlausgang entschieden. Berg sagte mit Blick auf die anstehende Wahl und das Resultat der ersten TV-Debatte zwischen Präsident Joe Biden und Herausforderer Donald Trump: „Die Demokraten brauchen ein politisches Wunder.“ Bei einem knappen Wahlausgang sei denkbar, dass das Ergebnis von der jeweils unterlegenen Partei nicht anerkannt werde. In seinem Epilog stellte Berg die Frage: „Stehen die USA vor einem neuen Bürgerkrieg?“ Dem Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an.