Die Zahl der Toten ist auf 138 gestiegen, 106 Opfer konnten mittlerweile identifiziert werden, darunter auch Menschen, die nicht im Kreis Ahrweiler wohnen und sich vielleicht als Urlauber hier aufgehalten haben. „26 Personen gelten weiterhin als vermisst“, so Florian Stadtfeld von der Polizei. Wie viele Menschen in den einzeln Orten entlang der Ahr ihr Leben verloren haben, darüber gibt der Polizist keine Auskunft. Erst nach Abschluss der Suche werde man bekannt geben, wie viele Opfer jede Gemeinde zu beklagen hat.
Stadtfeld erklärt das auch mit den vielen Gerüchten, die nach wie vor über die sozialen Netzwerke in die Welt gesetzt würden. Immer noch unfassbar für ihn ein Facebook-Bericht, wonach 600 Kinder die Katastrophe nicht überlebt hätten. Auch Gerüchten von 20 Opfern allein in einer Tiefgarage in Bad Neuenahr-Ahrweiler widerspricht er, oder dass es eine zweistellige Zahl von Toten in der Ehrenwall'schen Klinik gab. „Die zwölf Toten im Lebenshilfehaus in Sinzig sind nach wie vor die bisher höchste festgestellte Opferzahl an einem Ort.“
Kritik an der Arbeit des Krisenstabes
Auch Gerüchte über und Kritik an der Arbeit des Krisenstabes unter der Leitung von Thomas Linnertz, Chef der Trierer Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, gibt es im Ahrtal. Helfer von THW und anderen Rettungskräften hatten gegenüber der Rhein-Zeitung unter anderem erklärt, dass sie ohne direkten Einsatz wieder abgereist wären.
„Ich kann das bestätigten, ob es viele oder wenige waren, weiß ich nicht. Bei so einem Einsatz kommt Kritik von allen Seiten, das bleibt nicht aus. Da haben auch Einsatzkräfte nicht immer eine positive Meinung über die Einsatzleitung“, so Einsatzleiter Heinz Wolschendorf. Wolschendorf ist ausgebildeter Feuerwehrmann aus Hamburg und seit 2005 für Brandschutz, Rettungsdienst und Disastermanagement bei der ADD zuständig. Unter anderem beim Schiffsunfall an der Loreley und bei der Explosion mit Toten in Ludwigshafen hat er die Rettungskräfte koordiniert. Er ist überzeugt, über genug Erfahrung für die Aufgabe im Ahrtal zu verfügen, weist aber auch auf die Einmaligkeit der Flutkatastrophe hin: „Ein 40 Kilometer langer und zwei Kilometer breiter Katastrophenstreifen mit mehr als 40 000 Betroffenen, das ist eine völlig neue Dimension. Mit so etwas hatte es noch keiner zu tun. Das ist im negativen Sinn eine völlig neue Welt.“
Noch 60 Kräfte der psychosozialen Notfallversorgung im Einsatz
Dass auch immer mehr Helfer eine psychosoziale Notfallversorgung brauchen, erklärte Christoph Scherz als Sprecher der Einsatzgruppe, die in den vergangenen drei Wochen an Spitzentagen bis zu 180 Leute im Einsatz hatte. Mittlerweile seien noch 60 Kollegen im Einsatz, die Helfern und Betroffenen zur Verfügung stehen, um die Geschehnisse seelisch aufzuarbeiten. Darüber hinaus habe man eine Struktur aufgebaut, die längerfristig den Menschen Halt geben soll.
Aber es gibt nicht nur verwundete Psychen. Bei einem Unfall in Altenahr am Wochenende wurden zwei THW-Helfer verletzt und in die Uniklinik Bonn gebracht. Der Zustand ist zum Glück stabil, die beiden Ehrenamtlichen werden aber weiter medizinisch betreut.
Der neue Gesundheitsminister Clemens Hoch war gestern im Ahrtal. „Für die Menschen in den Flutgebieten ist die medizinische Versorgung sichergestellt und stabil. Was hier in den Tagen nach den verheerenden Wassermassen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung erreicht wurde, ist herausragend“, lobte Hoch. Hoch tauschte sich vor Ort in Bad Neuenahr mit Verantwortlichen und Betroffenen des Gesundheitsamtes, des Krankenhauses Maria Hilf, der Dr. von Ehrenwall‘schen Klinik, der DRK-Fachklinik, der Bereitschaftsdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und Ärzten vor Ort aus. In Andernach sprach er mit den Verantwortlichen der Rhein-Mosel-Fachklinik über die entstandenen Schäden, aber vor allem über die mögliche weitere Unterstützung für die aufgebauten Hilfsnetzwerke und die Notorganisation sowie den anstehenden Wiederaufbau und kommende Perspektiven aus.