Guido Orthen, Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Cornelia Weigend, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Andreas Geron, Bürgermeister der Stadt Sinzig und Guido Nisius, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau: Das ist das Quartett, das einen Brief an Bundeskanzlerin Merkel sowie an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gerichtet hat. Denn erste Rückmeldungen des Landes auf bei der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz erfolgte Abfragen ließen die Notwendigkeit dieses Schreibens aus Sicht der Ortschefs von der Ahr erkennen.
Die Forderungen der Bürgermeister:
Ein wesentlicher Punkt des Schreibens ist, dass das Leben und Wirtschaften im Ahrtal nicht allein mit Kreditprogrammen zu bewerkstelligen sei. Es bedürfe auch unmittelbarer finanzieller Unterstützung der Betroffenen. Denn davon hänge bei Vielen auch die Entscheidung ab, ob sie das Ahrtal verlassen würden. Die Sorge, dass das Ahrtal zu einer Vielzahl von Geisterdörfern werden könne, das beschäftigt viele Bürger.
Zudem sei auch die Legislative herausgefordert. Immerhin dafür dass das Insolvenzrecht an die jetzige Situation angepasst werde, sei man sehr dankbar. Mehr noch brauche man aber Regelungen der Steuergesetzgebung. Vor allem Helfern dürfe aufgrund ihrer Hilfe kein wirtschaftlicher Schaden entstehen.
Nicht nur die Bürger als Individuen trifft die derzeitige Krise, auch die Kommunen und deren Handlungsfähigkeit: „Die besonders stark betroffenen Städte und Gemeinden werden in den kommenden Jahren faktisch nicht in der Lage sein, genehmigungsfähige Haushalte aufzustellen“, warnt der Brief deshalb und mahnt eine Anpassung der Gesetzgebung an.
Weil vielen Menschen Einnahmen ausfallen werden, werde es auch weniger Gewerbesteuerzahlungen geben. Nicht nur deshalb bräuchten die Kommunen finanzielle Hilfen. Die Menschen, die im Ahrtal blieben, bräuchten Unterstützung und sollten nicht zu „Steuerbürgern“ werden. „Insofern verbieten sich aus unserer Sicht Abgaben- und Steuerbescheide“, erklären die Bürgermeister in ihrem Brief.
Beim Thema Infrastruktur weist das Schreiben darauf hin, dass in Anbetracht der Höhe der Sachschäden anteilig geplante Förderungen zum Wiederaufbau nicht reichen werden. „Bereits bei einer Eigenmittelbeteiligung von nur wenigen Prozentpunkten werden die Gemeinden überfordert sein.“ Weil der Wiederaufbau viele Jahre dauern werde, werde man auch damit rechnen müssen, dass die gemeldeten Schadenssummen am Ende nicht reichen würden, um das Ausmaß der Zerstörung im Tal zu beseitigen, es handele sich dabei nur um Momentaufnahmen.
Eine eindringliche Bitte an Merkel und Dreyer ist zudem, dass der Bund einen Sonderbeauftragten für das Ahrgebiet bereitstellt. Das Schreiben stellt zudem heraus, dass man eine Vielzahl an Experten brauchen werde. Und diese sollten außerhalb der Tarifverordnung des öffentlichen Dienstes bezahlt werden. Technische Fachleute seien schließlich unter normalen Bedingungen schon schwer zu bekommen.
Der Brief der Ortschefs endet in seinen Forderungen zwar bestimmt, aber im Grundton positiv und hoffnungsvoll: „Wir blicken mit Zuversicht auf die Bund-Länder-Gespräche und vertrauen darauf, dass den Hilfszusagen auch weiterhin erforderliche Beschlüsse und Taten folgen.“
Gesamtschau auf die Region:
Während die Bundespolitiker am Dienstag über Hilfsmöglichkeiten beraten, zeichnet sich aktuell folgendes Bild an der Ahr ab: Mehr als 3200 Kräfte von Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Technischem Hilfswerk (THW), Polizei und Bundeswehr sind im sogenannten Schadensgebiet im Einsatz. „Auch die Hilfe der vielen ehrenamtlichen und spontanen Helfer trägt maßgeblich zur Verbesserung der Lage bei und ist unverzichtbar“, erklärt die Aufischts- und Dienstleistungsdirektion des Landes Rheinland-Pfalz.
Die Wegesituation verbessere sich langsam aber stetig, so auch beim Thema Brücken: Im Bereich Dernau werde aktuell eine weitere Behelfsbrücke geplant, um dort die innerörtliche Verbindung zwischen den Ahrseiten zu verbessern. Im Bereich Bad Neuenahr, Landgrafenstraße, wird eine Brücke des THW einsatzbereit hergestellt. Die Flutkatastrophe im Kreis Ahrweiler hat massive Schäden an den kommunalen Einrichtungen verursacht. Hierunter fallen unter anderem Teile der Infrastruktur, Schulen und Kindertagesstätten sowie Sportanlagen. Wie die Kreisverwaltung Ahrweiler nun mitteilt, belaufen sich die geschätzten und vorläufigen Kosten nur der Kommunen im Ahrkreis auf über 3,7 Milliarden Euro.
Ferner ist die Versorgung mit Strom und Wasser divers, nimmt aber zu. In der Verbandsgemeinde Altenahr sieht es wie folgt aus: Die Stromversorgung ist zu über 90 Prozent wiederhergestellt oder mit Notstrom versorgt. Viele Hausanschlüsse funktionieren allerdings noch nicht. Ein Brand eines Trafos hat am vergangenen Samstagabend bis in die Nacht zu einem Stromausfall in Teilen der Verbandsgemeinde Altenahr geführt. Die Mobilfunkversorgung ist weitgehend wiederhergestellt. In der Verbandsgemeinde Adenau ist die Stromversorgung fast vollständig wiederhergestellt. Rund 75 Prozent der Haushalte sind an das öffentliche Trinkwasser-Netz angeschlossen und werden über den Hochbehälter versorgt. Die Orte Insul und Schuld werden über Wasserbehälter versorgt. „Die vollständige Versorgung soll in den nächsten Tagen erreicht werden“, erklärt die ADD. Auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler sei die Stromversorgung fast vollständig, provisorisch, durch den Versorger hergestellt, allerdings teilweise noch instabil. Beim Thema Trinkwasser gilt hier noch Vorsicht. Aus dem Leitungsnetz ist dieses noch nicht verfügbar. Es handelt sich um sogenanntes Brauchwasser, das abgekocht werden muss. Rund 90 Prozent der Haushalte verfügen darüber. In Sinzig gibt es Erfolge beim Straßennetz: Alle Straßen sind wieder befahrbar, mit Einschränkungen bei den Brücken. Eine Fußgängerbrücke an der Ahrmündung musste abgerissen werden. Der Regelrettungsdienst übernimmt die Notfallversorgung. Die Versorgung mit Strom ist nahezu völlig (99 Prozent) wiederhergestellt.
Insgesamt wurden beim Tsunami mehr als 700 Personen verletzt. Bis Sonntag, 8. August, sind 141 Personen als verstorben gemeldet. 16 Personen werden noch vermisst.