Helfer arbeiten unermüdlich an den öffentlichen Schulen von Stadt und Landkreis: Einige vermissen Koordination seitens der Behörden
Schlamm lässt Schulen nicht los: Helfer arbeiten unermüdlich an Schulen von Stadt und Landkreis
Ein Helfer schiebt literweise Schlamm auf ein Außengelände in der Mitte des Schulkomplexes Don-Bosco-Schule, Levana-Schule und Kindergarten St. Hildegard.
Nicolaj Meyer

Bad Neuenahr. Auf der Bachemer Seite der Ahr reiht sich nahe der Bad Neuenahrer St.-Pius-Brücke Schule an Schule. Die Sintflut erfasste den am Wasser liegenden Komplex mit der ersten vollen Wucht und hinterließ eine ungekannte Zerstörung der Bildungsinfrastruktur.

Ein Helfer schiebt literweise Schlamm auf ein Außengelände in der Mitte des Schulkomplexes Don-Bosco-Schule, Levana-Schule und Kindergarten St. Hildegard.
Nicolaj Meyer

Auch in der zweiten Woche nach dem Wasserschock gibt es viele Helfer, die an den öffentlichen Gebäuden mit ihren Eindrücken und dem unglückseligen Erbe der Ahr zu kämpfen haben: Schlamm so weit das Auge reicht.

Klein und Groß stehen auf dem Parkplatz der Schulen Don-Bosco und Levana. Sie schauen sich ratlos um. Wo können sie helfen?. „Die sind hier nur noch mit schwerem Gerät unterwegs“, verkündet der Familienvater die Abreise und winkt gestikulierend ab. Die Familie aus Heppingen will sich lieber Privathaushalte suchen. Hier findet sie keinen Angriffspunkt, keine Anlaufstelle zum Helfen.

Tatsächlich fahren auf der der St.-Pius-Straße zugewendeten Seite des Geländes zwischen Erich-Kästner- und Don-Bosco-Schule überwiegend Schwertonner auf und ab. Auch vor der Levana-Schule sieht man nur Soldaten der Bundeswehr und vereinzelt Mitglieder des Technischen Hilfswerkes (THW), zumindest auf den ersten Blick. Denn wenig später hat eine andere Gruppe mehr Glück.

Ob sie Lehrern oder Schülern gehörten? Fahrräder türmen sich auf dem Gelände zwischen Don-Bosco-, Levana- und Erich-Kästner-Schule.
Nicolaj Meyer

Ein junger Mann, bereits wie in Matsch getunkt und mit Schaufel ausgerüstet, fragt: „Ihr sucht Arbeit? Dann kommt mal mit!“ Der Mittdreißiger, der die Helfer hinter die Levana-Schule führt, heißt Thomas und kommt aus Lüneburg. Und hinter der Schule gibt es Arbeit. Jeder darf sich richtig verausgaben und die Wege von der braunen Brühe – die mittlerweile wohl jeder an der Ahr zu gut kennt – freischaufeln.

Die Augen der Helfer erblicken so viel Zerstörung wie in einem ganzen Leben der meisten Menschen nicht: Ob Fensterfassaden, Möbel oder Gewächse. Nichts zeugt mehr vom schultypischen Kinderlachen, von Sport und Spiel. In all dem hat es ein noch junger Apfelbaum geschafft, der Flut standzuhalten. Eine Frau bittet Mitarbeiter des THW eindringlich, diesen noch mit Früchten gut ausgestatteten Baum zu retten. Sie wolle ihn zu Hause, in der Grafschaft, wieder einpflanzen.

Gerhard Hehl ist mit dem Shuttle-Bus aus jener Grafschaft gekommen. Er leitet als Ortsbürgermeister die Geschicke der Gemeinde Kuhnhöfen im Westerwald. „Würde so etwas in meinem Ort passieren, ich wäre völlig überfordert. Ich wüsste nicht, wie ich es managen sollte.“ Doch in Bad Neuenahr weiß er, was er zu tun hat. Mit der Schaufel, die ja im Ortsbild der Ahrkommunen so etwas wie das Symbol der Hilfsbereitschaft und Solidarität geworden ist, greift er ebenfalls an der Matschfront an.

Gerhard Hehl, ein Ortsbürgermeister aus dem Westerwald, hat auch den Weg auf sich genommen, um auf dem Gelände mit anzupacken.
Nicolaj Meyer

Ein junger Mann beschreibt ein paar anderen Helfern, was er in der Don-Bosco-Schule gesehen hat: „Es sieht aus wie in einem Horrorfilm. Die Wände sind eingestürzt, der Schlamm geht bis zu den Knien.“ Sich dort selbst einen Eindruck zu verschaffen, ist für unsere Zeitung an diesem Tag nicht möglich. Eine Decke ist eingestürzt. Das Betreten gilt laut Bundeswehr als lebensgefährlich. Soldaten und Helfer warten auf einen Statiker. Der soll die Sicherheit für die Helfer beurteilen. Zu alledem wird noch eine Putzfrau vermisst. „Ich hoffe nicht, dass sie nur noch ihre Leiche finden“, sagt der Anfang 20-Jährige und sucht sich seine nächste Aufgabe.

Trotz aller Zerstörung, die Stimmung ist nicht schlecht. Lkw-Fahrer witzeln, Zigarette rauchend, wie viele Tonnen, oder umgerechnet Walfische, Unrat sie an diesem Tag schon hier wegbefördert haben. Und sogar ein Skelett sorgt für einen Lacher: Ute Müller betreibt einen Pavillon mit Versorgungsgütern für die Helfer. Der steht etwas abseits, wäre sonst wohl wie ein Leuchtturm für die Arbeit suchende Familie aus Heppingen gewesen. „Gestern kam ein Bagger mit Schutt vorbei und schmeißt mir plötzlich ein Skelett vor die Füße. Mensch, habe ich mich erschreckt“, berichtet die Brohltalerin. Zum Glück stellte sich schnell heraus, dass es nur das Knochengerüst aus dem Biologieunterricht war. Neben Müllers Versorgungszelt steht seit ein paar Tagen noch ein weiteres. Wie Müller berichtet, habe nach ihrer Initiative der ein oder andere sich dazugesellt, sodass die Schar an Helfern stetig wächst.

Im Keller der integrativen Erich-Kästner-Realschule plus wird seit Tagen Schlamm aus den Technikräumen geputzt und getragen.
Nicolaj Meyer

Einer der Helfer, Dag Eismann, sitzt auf einem Kinderstuhl. Links von ihm die wieder im Flussbett liegende Ahr, rechts Trümmer von Fensterfassaden der Don-Bosco-Schule. Und nicht mal Scherben offenbart das Gemisch aus Schlamm mehr, so verzehrend war die Flut. Eismann begutachtet eine Schnittwunde am Daumen. Die Verletzung wurde soeben von Rotkreuzlern versorgt. „Richtig klasse“, lobt er lächelnd. Wenig begeistert ist er von der Koordinierung der Helfer am Schulkomplex. „Zumindest bei öffentlichen Gebäuden sollte jemand sein, der einen leitet: Wo wird welche Arbeit gebraucht?“ Der aus der Nähe von Benzheim kommende Eismann hat sich kurzerhand entschieden, seinen Sommerurlaub mit der Schaufel in der Hand im Kreis Ahrweiler zu verbringen. „Katastrophal“, beschreibt er seinen ersten Eindruck beim Anblick der Schulen. Weiterhin helfen will er unbedingt, doch seinen Fokus lieber auf private Haushalte setzen.

Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Erich-Kästner-Realschule plus. Zum Kellereingang hat sich eine Menschenkette gebildet. Dort drinnen befinden sich Klimaanlage, Heizung und einfach alles, was eine Schule an Technik benötigt: Gerätschaften, die zum einen besonders empfindlich sind, zum anderen unabdinglich für den Schulbetrieb. Die Helfer befördern Eimer um Eimer Schlamm nach oben. Manche sind sie seit Tagen im Einsatz. Ein Großer Pumpenwagen unterstützt die Freiwilligen. Dennoch wundern sich viele, dass es täglich neuen Schlamm im Keller – wie aus dem Nichts – gebe. Ein Offizieller der Schule, der namentlich nicht genannt werden möchte, erklärt: „Das Gebäude müsste eigentlich zurück in de Rohbau versetzt werden.“ Seine Hoffnung für eine Renovierung ist gering. Die meiste Hilfe hier sei privat. Von offizieller Seite käme wenig, erklärt der an der Schule arbeitende. „Hingegen waren hier sogar Bauern aus den Niederlanden, um zu helfen.“ Eine Befürchtung ist bislang noch nicht eingetreten, doch laut ihm eine Frage der Zeit: „Wann kommen die Ratten?“

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