Der Weg zum Supermarkt am anderen Flussufer war plötzlich unerreichbar, Familienbesuche auf der anderen Seite nur durch kilometerweite Umwege möglich. Viele Menschen, die ihre Autos in den Fluten verloren haben und kaum noch mobil sind, haben Familienangehörige auf der anderen Flussseite womöglich wochenlang nicht gesehen. Diese soziale Komponente war es, die Bürgermeister Guido Orthen am Samstag besonders hervorhob, als das Technische Hilfswerk die Behelfsbrücke am Standort der ehemaligen Landgrafenbrücke offiziell der Stadt übergab. Viele Bewohner der Kreisstadt nennen sie bereits die „THW-Brücke“. Befahrbar soll das Bauwerk ab Mitte der Woche sein.
„Die Brücke kann Menschen wieder zusammenführen. Tagelang war nun die Begegnung von Menschen aus dem Norden der Stadt mit denen aus dem Süden nicht möglich“, sagte Orthen. Gleichzeitig hob er den infrastrukturellen Wert des Bauwerks hervor: „Wenn 16 Brücken nicht mehr da sind, sind ganze Stadtteile abgeschnitten. Bald können viele Menschen die Versorgung wieder selbst leisten. Die meisten Geschäfte sind auf der Nordseite der Ahr“, verdeutlichte Orthen.
Größte Behelfsbrücke, die das THW je gebaut hat
Nach Aussage des Stadtbürgermeisters soll die Behelfsbrücke, die „ein paar Jahre halten kann“, ab Donnerstag passierbar sein. Bis dahin müsse die Stadt noch Widerlager errichten und die Zufahrt zur Brücke angleichen. Auch eine Asphaltauflage müsse noch aufgebracht werden. Danach sollen Lastwagen, Autos und Fußgänger die Brücke passieren können.
Laut THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner, die die Brücke am Samstag stellvertretend für diejenigen THWler, die das Bauwerk innerhalb von zwei Wochen errichtet hatten, an Guido Orthen übergab, ist die 52 Meter lange Brücke aus 14.500 Teilen definitiv Lkw-belastbar. Laut Lackner ist es die größte Behelfsbrücke, die das THW je gebaut hat.
Nach den Plänen der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler sollen weitere folgen. „Wir planen gemeinsam mit dem THW weitere Brücken, die Standorte legen wir noch fest“, versicherte Guido Orthen am Samstag im RZ-Gespräch. Man wolle zweckmäßig vorgehen. Romantiker, die sich die 18 Ahrbrücken zurückwünschen, muss der Bürgermeister daher enttäuschen: „18 Behelfsbrücken wären nicht verantwortbar, auch nicht wirtschaftlich.“ Orthen weist darauf hin, dass auch das Land Rheinland-Pfalz derzeit mit der Planung und Umsetzung zweier Brückenbauten beschäftigt ist: „Wir sprechen hier von der L 83, Ringener Straße und der L 84, Ramersbacher Straße, die eine wesentliche Verbindung für Ahrweiler ist.“
Nach Ansicht des Stadtbürgermeisters ist der Wiederaufbau der Infrastruktur eine der drängendsten Aufgaben der kommenden Wochen: „Wir kommen aus Zerstörung mit menschlichen Erlebnissen, die man seinem ärgsten Feind nicht wünscht. Eine Stadt ist zerstört. Aber die heutige Übergabe der Brücke ist ein Lichtblick.“