Früher war hier Schlucht. Wer bis vor Kurzem vom kleinen Mörsdorf ins noch viel kleinere Sosberg wollte, musste rund zwanzig Minuten Schleifen durch den Hunsrück tuckern. Vermutlich gab es aber ohnehin kaum Anlass dazu: Mörsdorf und Sosberg teilten die Lage vieler Gemeinden in Mittelgebirgen, an Mosel oder Rhein: Auf dem Papier Nachbarn, in Wirklichkeit getrennt von unüberwindbarer Natur. Vielleicht wäre das besser so geblieben, mag heute mancher denken.
Denn seit 2015 gibt es zwar eine beliebte Wanderbrücke von Mörsdorf nach Sosberg. Doch näher sind sich die beiden Dörfer dadurch nicht gekommen. Im Gegenteil: Die emotionalen Gräben scheinen heute tiefer, als es die geologische Schlucht je war.
Grund dafür ist die Hängeseilbrücke Geierlay, die vor allem Touristen verzaubern soll – die aber vor Ort auch für Diskussionen, Missgunst und Gerichtsprozesse sorgt. Von all dem bekommen die bislang mehr als 1,8 Millionen Besucher kaum etwas mit – auf Instagram wird die Brücke in den Wipfeln als Spektakel inszeniert. Warum hinter den Kulissen aber ein Streit entbrannt ist, der inzwischen sogar das oberste deutsche Gericht beschäftigt, das erzählt die neue Folge des Podcasts RZInside der Rhein-Zeitung.
Likes auf Instagram, Zoff im Hunsrück
Die Geierlay steht unter Spannung. Von Anfang an war die Brücke bei manchen umstritten, bei anderen belächelt. 2021 gab es einen Rechtsstreit um Corona-Kontrollen für den Besuch. Damals sperrte die Polizei die Brücke mit Natodraht ab: ein Fotoidyll hinter Stachelzaun. Nun ist der Weg wieder frei – doch gestritten wird weiter.
Und diesmal scheint der Hausfrieden einer ganzen Region angesägt: Die Gemeinde Sosberg (Kreis Cochem-Zell) möchte auf ihrer Seite der Brücke Angebote für Touristen schaffen: Spielplatz, Toiletten, Gastronomie. Schließlich gibt es an den Brückenköpfen, rund zwei Kilometer fern der Dörfer, an heißen Tagen nicht mal eine Limonade zu kaufen.
Und das soll auch so bleiben, wenn es nach Mörsdorf (Rhein-Hunsrück-Kreis) geht. Die Mörsdorfer sind die Erfinder und Eigentümer der Geierlay, schon seit 2006 rackerten drei sogenannte „Brückenträumer“ aus der Gemeinde für die kühne Idee zur Dorferneuerung.
Ein Restaurant an ihrer Brücke, aber auf dem Gebiet der Sosberger – das lehnt man in Mörsdorf ab. Nicht nur, weil die Geierlay offiziell Teil eines Wanderwegs ist und „kirmesähnliche Zustände” vermieden werden sollen. Auch die Baugenehmigung für die Brücke hatte Mörsdorf einst nur unter Auflagen erhalten: Zusätzliche Infrastruktur ist demnach „nicht vorgesehen und auch nicht zulässig“. Eine Einschränkung, die für Sosberg nicht gilt, wie sich jetzt herausgestellt hat.
Wenn man schön ins Gesicht gelächelt bekommt, und dann dreht sich die eine Seite rum und man bekommt ein Messer in den Rücken, ist das keine Basis, um gut miteinander zu arbeiten.
Sosbergs Bürgermeister Andreas Lehnert im Podcast RZInside zum Brückenstreit
Nicht zuletzt ist Mörsdorf aber auch gegen Gastro auf der anderen Seite, weil man selbst zahlende Besucher bei den Wirten im eigenen Ortskern auf der Rechnung hat. Für einige Beobachter klingt all das nach kommunalpolitischem Klein-Klein – doch die Geierlay ist längst zum Symbol geworden. „Ein europäisches Gemeinschaftsprojekt” steht stolz auf einer Plakette im Mörsdorfer Besucherzentrum. Von Gemeinschaftssinn ist derzeit aber wenig im Hunsrück zu spüren, wie die RZInside-Reporter Finn Holitzka und Annika Wilhelm erfahren haben.
Unüberhörbar: Die Stimmung um die Geierlay ist gereizt
Für den Podcast, der kostenfrei auf rhein-zeitung.de und den gängigen Plattformen zu hören ist, recherchierten Holitzka und Wilhelm rund um die Geierlay und sprachen mit dem Mörsdorfer Bürgermeister und „Brückenträumer” Marcus Kirchhoff und seinem Sosberger Pendant, Andreas Lehnert. Dabei ist unüberhörbar: Die Stimmung ist aufgeheizt.
Sosbergs Bürgermeister Andreas Lehnert sagt im Podcast: „Wenn man schön ins Gesicht gelächelt bekommt, und dann dreht sich die eine Seite rum und man bekommt ein Messer in den Rücken, ist das keine Basis, um gut miteinander zu arbeiten.“ In Sosberg ist man sauer darüber, dass Mörsdorf die Bauvorhaben mittlerweile juristisch durchkreuzen will – nach dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz befasst sich jetzt sogar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit der Geierlay.
Hängeseilbrücken wie die Geierlay sind in
Für Mörsdorfs Bürgermeister Kirchhoff nach vorangegangenen Provokationen alternativlos, wie er im Podcast schildert. Wer Recht bekommt, dürfte sich bald zeigen – ob die Animositäten dann allerdings tatsächlich enden, das erscheint angesichts der Eindrücke, die RZInside verschafft, aber äußerst fraglich.
Die Geierlay ist mittlerweile international bekannt – wer sich über die Brücke traut, hört Niederländisch, Polnisch oder Englisch. Doch die Wenigsten kennen die Hintergründe zur Touristenattraktion, die die Region nicht nur in den Augen junger Leute verändert hat. Und die längst Nachfolger animiert: Auch im Lahntal bei Bad Ems-Nassau soll bald eine Hängeseilbrücke entstehen. Vorbild: Geierlay.
Der Podcast
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