Eric Andre erlebt die Katastrophe selbst an der Ahr und stellt im Anschluss Hilfsprogramm auf die Beine
Hilfsprogramme: Was Moselaner seit der Flut an der Ahr leisten
Eric Andre, Marina Blatt und Torsten Lenz haben die Flutkatastrophe an der Ahr hautnah erlebt. Mit vielen Helfern aus dem Moselkrampen haben die Ernster Hilfe organisiert, sammeln spenden, die über den Sportverein abgewickelt werden. Foto: Kevin Rühle
Kevin Ruehle

Ernst/Altenahr. Eric Andre, Marina Blatt und Torsten Lenz haben Urlaub, die Gruppe wandert von der Luxemburger Schweiz an die Ahr. Mehrere Stunden sind die drei Moselaner bereits bei teils heftigem Regen unterwegs. Gegen 13 Uhr kommen sie in Altenahr an, freuen sich auf eine Weinprobe in Dernau, nehmen ein Taxi. Während die Moselaner den Rotwein von der Ahr genießen, muss die Weinprobe ein paar Mal unterbrochen werden, „hier läuft das Wasser“, sagt eine Mitarbeiterin der Weinstube. Sorgen machen sich die Moselaner nicht, denn auch beim Jahunderthochwasser vor fünf Jahren erreichte die Ahr die Weinstube nicht.

Zwei Tage, am Freitag, später ist Eric Andre mit einem Hilfskonvoi auf dem Weg zurück nach Altenahr. Sie haben 700 Kisten Wasser dabei, 300 Kilo Grillfleisch, 1000 Brötchen, Holzkohle, einen Gasgrill. Sie wollen die Einsatzkräfte unterstützen. Auf dem Weg wird der Konvoi von der Bundespolizei aufgehalten, man will die Moselaner nicht durchlassen. Feuerwehrleute setzen sich durch. Der Ort Altenahr ist zerstört, es sind kaum Einsatzkräfte vor Ort. Am Abend lernt Eric Andre Cornelia Weigand, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, und Stephan Knieps, Wehrführer der Gemeinde, kennen. „Mir wurde klar, was jetzt gebraucht wird“, sagt der 41-Jährige. Er spricht mit den Betroffenen, um auszuloten, wie die Hilfe in Altenahr aussehen soll.

Am Mittwochnachmittag steigt das Wasser noch langsam, Eric Andre wechselt mit seinen Freunden von der Weinstube in ein Hotel, die Ahr ist gerademal 70 Zentimeter höher als gewöhnlich. Die drei trinken zwei Bierchen, plötzlich fährt vor der Tür ein Feuerwehrwagen vorbei. Die Durchsage kann Andre nicht richtig verstehen, es ist eine Warnung. Um 17.30 Uhr bestellen die Moselaner ein Taxi, um zurück nach Altenahr zu kommen. Erst im Gespräch mit der Taxifahrerin merken sie, dass etwas nicht stimmt. Denn die sechs Kilometer nach Altenahr sind nicht mehr befahrbar, es geht über die Autobahn, die Grafschaft, in Richtung Altenahr.

Am Freitagabend freuen sich die Feuerwehrleute in Altenahr nicht nur über ein Steak, sondern auch über ein kühles Bier, das die Moselaner im Gepäck haben. „Bei einem Bier kann man sich zusammensetzen und über das Geschehene reden“, sagt Andre, „das funktioniert mit Wasser nicht“. Ab diesem Abend arbeiten die Helfer aus Ernst und Umgebung eng mit der Gemeinde Altenahr zusammen. Die Hilfe wird koordiniert, „wir haben das besorgt, was gebraucht wurde“, blickt Andre zurück. Die Helfer aus dem Moselkrampen sind nun durchgehend vor Ort, räumen Straßen und verteilen Hilfsgüter. Sie haben Schubkarren, Schaufeln und Diesel dabei. Jedes Auto, das an die Ahr pendelt, ist voll beladen. Auch Medizinprodukte werden verteilt.

Am Tag der Katastrophe: Das Taxi hält etwa zwei Kilometer oberhalb von Altenahr. Später wird die Fahrerin sagen, dass sie ohne diese Tour die Katastrophe vielleicht nicht überlebt hätte. Für die Moselaner geht es nicht weiter, kein Durchkommen. Sie stellen sich an einem Postzentrum unter, ein Angestellter lässt sie in den Aufenthaltsraum. Irgendwann kommt ein Feuerwehrmann vorbei, der sich durch den Wald gekämpft hat. Er erzählt, dass Häuser weggespült wurden. In dem Aufenthaltsraum, in dem auch weitere Menschen Schutz suchen, herrscht nun Totenstille.

Am nächsten Morgen machen sich die Moselaner auf den Weg nach Altenahr. Es stinkt nach Öl. Noch immer rauscht Wasser durch das Tal, beim Überqueren einer Straße bilden sie eine Menschenkette, da die Kraft der Flut enorm ist. Sie finden ihre unbeschädigten Autos, fahren zurück an die Mosel, helfen beim Ausräumen einer Wohnung und eines Getränkemarkts, die vom Hochwasser bedroht sind. Die Ernster beschließen, dass sie helfen müssen. Eric Andre greift zum Telefon, ruft Freunde an, organisiert.

Eines bekräftigt Andre immer wieder. Er beharrt darauf, dass es in diesem Text deutlich wird. „Es geht nur gemeinsam, das muss ich betonen. Ohne Freunde hätte das nicht funktioniert“, sagt der Ernster. Die Gemeinschaft soll im Vordergrund stehen – auch die Unternehmen, die die Hilfe erst ermöglichen. Es gehe um eine Region, „die in wichtigen Zeiten zusammenhält und was bewegen kann“. Denn mit ein paar Hilfslieferungen, auch wenn es Tonnen waren, ist es aus Sicht von Andre nicht getan. Der Aufbau an der Ahr wird Jahre dauern, im Hintergrund wird evaluiert, ob eine Partnerschaft von Kommunen beziehungsweise der Region mit Altenahr möglich wäre. Auch Bürgermeister Wolfgang Lambertz hat Eric Andre dazu bereits kontaktiert, der sich eine Zusammenarbeit vorstellen kann. Allerdings seien solche Ideen taufrisch, sagt Lambertz. Ob zum Beispiel vorhandene Container der Grundschule Cochem, die bald nicht mehr gebraucht werden, in Altenahr benötigt werden, können nur die Menschen vor Ort entscheiden, sagt Lambertz. Hier wolle man abwarten und Altenahr nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Der Ernster Sportverein will noch in den Sommerferien Ausflüge für Kinder anbieten, Spenden werden gesammelt. Am Sonntag ist in Ernst ein Kirmesfrühschoppen, auch dieser Erlös fließt auf das Spendenkonto.

Eric Andre findet, dass Altenahr zu Beginn der Katastrophe vergessen wurde. „Die Medien haben sich auf Schuld gestürzt“, sagt der Ernster, auch wenn Altenahr heftiger getroffen sei. Auch die Hilfseinsätze seien nicht optimal angelaufen. Es habe zu lange keine Einsatzbefehle gegeben. „Wenn die Hilfe angefordert wird, ist die private Hilfe vor Ort sehr wichtig“, betont Andre.

Welche Bedeutung die Hilfe für die Menschen an der Ahr hat, beschreibt Stephan Knieps, Wehrführer in Altenahr: „Das ist Wahnsinn. Die haben uns direkt nach der Katastrophe angerufen und kamen mit allem an, was man zum Leben braucht.“ Seitdem sei man in ständigem Kontakt. „Wir haben hier autark Essen und Trinken, ohne die hätten wir gar nichts gehabt“, sagt Knieps. Vonseiten des Landes sei bei der Katastrophenhilfe „einiges daneben gelaufen“. Die Menschen in Altenahr haben ihre Existenz verloren, brauchen die Versorgung von außen. Stephan Knieps hebt hervor, dass sogar Heizungsbauer und Baggerfahrer von der Mosel kamen, um die dringlichsten Probleme zu lösen. Auch die Helfer wissen, dass sie noch länger gebraucht werden. „Hier sind Freundschaften entstanden“, betont der Wehrührer aus Altenahr.

Von unserem Redakteur Kevin Rühle

Top-News aus der Region