Podcast-Serie „Unter Narren“ 
Er war Prinz und Westernheld – im Feuer verlor er alles
Der Koblenzer Unternehmer Anton Lötschert in Prinzenmontur beim Karneval 1973 als Toni I. von Hot Gun Western City.
Christian Johann/Archiv

Pferdemetzger, Karnevalsprinz, Westernheld: Als Entrepreneur brachte es der Koblenzer Toni Lötschert in Bayern zu Ruhm und einigen Feinden. Sein Freizeitpark „Hot Gun Town“ war eine umstrittene Attraktion. Dann vernichtete ein Feuer sein Lebenswerk.

Aktualisiert am 06. Februar 2025 10:16 Uhr

1973 in der Nähe von München. Dichter Rauch steht über den Ruinen eines Traums. In der Nacht ist hier ein Ort niedergebrannt, der damals einzigartig in Deutschland war: Eine Westernstadt mit Eisenbahn, Postkutsche und Südstaaten-Kirche. Feuerteufel haben Öl in den Saloons verschüttet und den einstigen Freizeitpark abgefackelt. Hot Gun Town, die Stadt der heißen Knarre, ist abgebrannt.

In den Trümmern steht ein gestandener Kerl, ein Lebemann, und weint. Anton Lötschert, genannt Toni, ist ein ehemaliger Pferdemetzger aus Koblenz. Hier, in Grafrath bei München, hat er es als Unternehmer zu Ruhm und einigen Seilschaften in die Politik gebracht: Zunächst mit einem touristischen Märchenwald, drei Millionen Besucher in zehn Jahren kamen da. Seine nächste Attraktion sollte noch eins draufsetzen: „In jedem Mann steckt ein Pionier“, so der Koblenzer Lötschert, „und Hot Gun Town ist eine Pioniersache.“

Westernstadt sorgt bundesweit für Aufsehen

Überregionale Medien schreiben über die Wild-West-Stadt, darunter der SPIEGEL und die ZEIT. In den Kinos berichtet die Wochenschau: „Stündlich ein Postkutschenüberfall und täglich garantiert neun Tote. Mit diesem attraktiven Angebot lockt nun Hot Gun Town, von München nur einen Stundenritt entfernt.“

Mit Kreis- und Landespolitikern in Bayern ist Anton Lötschert bestens bekannt, zur Eröffnung seiner Stadt kommen sogar vier amerikanische Generäle. Und auch in seiner Heimatstadt Koblenz tritt Anton Lötschert als Westernheld in Erscheinung: 1973 wird er Karnevalsprinz, nennt sich geschäftstüchtig „Prinz Toni I. von Hot Gun Western City.“ Sein Prinzenwagen ist ein stilisierter Mississippi-Dampfer, mit Holzverkleidungen errichtet er Salons entlang der Zugstrecke. Das Weindorf wird zum texanischen San Antonio.

Seinen Prinzenwagen gestaltete Toni Lötschert als Mississippi-Dampfschiff.
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Das Weindorf am Rhein wurde zu San Antonio mit großen Schwingtüren.
Mittels Holzverkleidung verwandelten sich Läden und Cafés in Koblenz in Salons.
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Doch das Glück über den erfüllten Westerntraum verpufft. Nur wenige Monate nach Lötscherts großem Auftritt als Karnevalsprinz geht seine Westernstadt in Flammen auf. Die Behörden vermuten Brandstiftung, immer wieder hatte es Proteste von Friedensaktivisten gegen die inszenierten Ballerspiele im Staatsforst gegeben. Ein Täter konnte jedoch nie ermittelt werden. Lötschert zog sich zurück, es wurde ruhig um ihn.

„Das Schicksal seiner Westernstadt hat ihn schwer getroffen. Er hat sich davon nie wirklich erholt“, sagt Christian Johann. Der leidenschaftliche Karnevalist hat Lötschert Anfang der 2000er-Jahre wieder aufgestöbert, ihn bis zu seinem Tod 2007 immer wieder besucht. „Wir haben uns viel über den Karneval unterhalten“, sagt Christian Johann. „Da hatte Toni Tausende Geschichten zu erzählen.“

Noch mehr zu Toni Lötschert und den Tausenden Geschichten aus dem Karneval hören Sie nun auch in einer neuen Serie unseres Podcasts: „Unter Narren - Nichts ist so ernst wie der Spaß“ präsentiert die kuriosen und kontroversen Seiten der Session. Mit dabei: Lars Reichow, Udo Eulgem und viele mehr. Die erste Folge, „Hot Gun Town“, hören Sie ab sofort auf dem Kanal RZInside auf Spotify oder unter rhein-zeitung.de/audio.

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