Osterode
Aprilscherz im Herbst geht schief: "De-Qualifizierung für Akademiker" an der Volkshochschule Osterode

Aus dem Kursangebot der Kreisvolkshochschule Osterode. Das Programmheft in dieser Form ist inzwischen aus dem Netz genommen. 

Osterode - Darf man im Herbst einen Aprilscherz auf Kosten von arbeitslosen Akademikern und Bauhelfern machen? Die Kreisvolkshochschule Osterode hat mit einem Kursangebot Empörung im Netz ausgelöst - nicht nur, weil zunächst nicht alle durchschaut hatten, dass es sich um einen Scherz handelt.

Aktualisiert am 25. März 2013 16:03 Uhr

Osterode – Darf man im Herbst einen Aprilscherz auf Kosten von arbeitslosen Akademikern und Bauhelfern machen? Die Kreisvolkshochschule Osterode hat ihr neues Kursprogramm vorgelegt – und mit einem Kurs Empörung im Netz ausgelöst. Und das liegt nicht nur daran, dass zunächst nicht alle den Scherz durchschaut hatten.

Aus dem Kursangebot der Kreisvolkshochschule Osterode. Das Programmheft ist in dieser Form inzwischen aus dem Netz genommen.

Im Südwesten des Harzes dürfte die Luft dick gewesen sein zwischen dem Jobcenter und der Kreisvolkshochschule. Fragt man bei dem Jobcenter Osterode nach dem Kurs „De-Qualifizierung für Akademiker“, kommt eine sehr kurze Antwort: Die Leiterin der Abteilung Eingliederung, in deren Aufgabenbereich das wohl fallen würde, bittet zur Kenntnis zu nehmen, „dass das Jobcenter mit dem “offensichtlich vorgezogenen Aprilscherz der KVHS nichts zu tun hat„.

Da hatte sie schon mitbekommen, dass der “Intensivkurs„ mit der eigentlich aussagekräftigen Nummer 01.0413 und dem vermeintlichen Kursbeginn 1. April Wellen schlägt: Ein akademischer Abschluss oder eine Promotion könne beim Zugang zu bestimmten Berufen wie dem Bauhelfer eine große Einstellungshürde sein, hieß es. Der Kurs sollte helfen: Kleiden wie ein Bauhelfer, Sprechen wie ein Bauhelfer (“zielgruppenspezifisches Vokabular„) – damit auch aus promovierten Geisteswissenschaftlern “wieder echte Männer„ werden.

Die stark frequentierte Seite gegen-hartz.de, die immer wieder echte oder vermeintliche Auswüchse aufgreift, hatte sich am Donnerstag schon gewundert, der gleiche Text war dann auch bei den Leserbeiträgen auf den Seiten der Wochenzeitung Der Freitag zu lesen. “Wir hatten es zunächst für einen Scherz gehalten„, hieß es im Text. Dann aber doch nicht. Und auch in den Kommentaren malten sich empörte Leser den Kurs aus und fragten, welches Menschenbild von Arbeitslosen und von Menschen in einfachen Tätigkeiten dahinter steckt. Über die Sozialen Netzwerke wurde das Thema schnell verbreitet – und auch die in der Bundestagfraktion für Arbeitnehmerrechte zuständige Bundestagsabgeordnete schaltete sich ein:

Parallel meldete “Zeit Online„, dass der Text eines Mathematikers über die großen Probleme mancher Wissenschaftler bei der Stellensuche der meistgelesene Text ist – die Nöte treiben also viele Akademiker ernsthaft um.

Für die reingefallenen Autoren des Beitrags war es dann auch ein Beleg für den realen Irrsinn, dass sie das Angebot ernst genommen hatten. In der Tat würden Hartz IV-Bezieher mit akademischen Hintergrund nicht selten unter Androhungen von Sanktionen in Bauhelfer-Jobs “vermittelt„. Und nach wirklich angebotenen Schulungen wie Supermarkt-Einkaufs-oder Singekursen erscheine die De-Qualifizierung auch nicht völlig ausgeschlossen. Fazit: “Wir halten den Aprilscherz daher für nicht gelungen.„

Und die Volkshochschule, die offenbar Aprilscherze in ihrem Programmheft schon früher gemacht hat? Das PDF-Dokument, in dem der Kurs neben dem Logo des Jobcenters stand, wurde am Freitag aus dem Netz geholt. Auf der Internetseite wurde die Kursinfo “aus gegebenem Anlass" um einen deutlichen Hinweis auf den Starttermin und den Hinweis ergänzt, dass es sich um kein Angebot des Jobcenters handelt. Der Leiter der Volkshochschule reagierte nicht auf eine am Donnerstag per Mail verschickte Anfrage, am Freitag kam auf Nachfrage, er sei erst am 1. November wieder im Büro. Die Arbeitslosenquote im Bezirk der Geschäftsstelle Osterode lag im September bei 8,7 Prozent, 3135 Hartz IV-Empfänger waren laut Statistik arbeitssuchend gemeldet.

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