München

Job und Familie managen

Teilzeit oder Vollzeit – Wie viel Arbeit passt ins Leben?

Von dpa/tmn
Eine Frau arbeitet im Homeoffice mit Kind
Das Projekt «Vollzeit-Arbeit» muss von der ganzen Familie getragen werden: Dazu gehört es auch, Aufgaben smart zu verteilen. (zu dpa: «Teilzeit oder Vollzeit – Wie viel Arbeit passt ins Leben?») Foto: Julian Stratenschulte/DPA

Statt 20 Stunden pro Woche künftig wieder doppelt so viel arbeiten? Vor allem mit Kindern ist das eine große Umstellung. Wie man sich darauf vorbereitet und welche Unterstützung wichtig ist.

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München (dpa/tmn) – Viele Frauen und Männer, die in Teilzeit arbeiten, setzen vor diese Information das Wörtchen «nur»: «Ich arbeite nur Teilzeit.» Die drei Buchstaben sagen viel aus über die Wertschätzung für eine Berufstätigkeit, die weniger Zeit in Anspruch nimmt als die im Schnitt sieben bis acht Stunden pro Werktag einer Vollzeitbeschäftigung.

Wobei – genau genommen – auch die meisten Teilzeitbeschäftigten den ganzen Tag arbeiten. Lediglich der bezahlte Zeitraum ist kürzer. Nicht entlohnt werden die Organisation des Familienalltags oder die Pflege von Angehörigen, die wichtigsten Beweggründe, aus denen die Arbeitszeit reduziert wird.

Viele schrecken vor Aufstockung zurück

Care-Arbeit nennt man das, vom englischen Wort für Fürsorge – und das gilt nach wie vor als Beschäftigung, die jede und jeder mal eben so nebenbei erledigen kann. «Das schlägt auf den Selbstwert, auch wenn wir uns dessen gar nicht so bewusst sind», sagt Nina Reggi von der Frauenakademie München. Sie ist Projektleiterin von «power_m», einem Programm, das Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützt.

Neben rechtlichen Faktoren – etwa der Tatsache, dass nur in bestimmten Fällen ein Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit besteht – ist das ein Grund dafür, dass Frauen in der Teilzeitfalle stecken bleiben, vor allem, wenn sie nur wenige Wochenstunden arbeiten. Viele plagt die Sorge, ob sie überhaupt in der Lage sind, die geforderte Leistung zu bringen, beobachtet Reggi. Und das schreckt sie ab, sich um eine Aufstockung ihrer Arbeitszeit, um mehr Verantwortung oder eine Führungsaufgabe zu bemühen.

Sichtbar sein in der Firma – auch schon in Teilzeit

Zusätzlich aufs Selbstvertrauen drückt die Reaktion vieler Arbeitgeber, beobachtet Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter (VBM). Die Interessenvertretung hat sich dem Ziel verschrieben, für Frauen und Mütter Erwerbstätigkeit, Karrierewege und finanzielle Unabhängigkeit selbstverständlich zu machen. «Selbst Frauen, die den Wechsel von der Teil- in die Vollzeit offenkundig sehr gut durchdacht und durchgeplant haben, erleben im Gespräch, dass ihnen Vollzeit nicht zugetraut wird.» Es fehlt an Akzeptanz für «atmende Lebensläufe», in denen sich Phasen mit mehr und weniger Erwerbstätigkeit abwechseln dürfen, sagt sie.

Präsenz sei trotz Homeoffice nach wie vor ein entscheidender Faktor für die Karriere, sagt Cornelia Spachtholz. Auch in Teilzeit sollte man sich deshalb um Sichtbarkeit in der Firma bemühen, rät sie: Projekte anstoßen, sich für Aufgaben verantwortlich zeigen – und zwar so, dass es von den Vorgesetzten und im Team auch wahrgenommen wird. «Gerade Frauen tun sich oft schwer, über ihre Leistungen zu sprechen.» Sich dann doch zu trauen, ist nebenbei auch noch eine gute Übung fürs Selbstbewusstsein.

Projekt «Zurück in Vollzeit»: Eine Stakeholder-Analyse

Der Weg zurück in Vollzeit kann – zumindest mit Familie – ein ziemlich komplexes Projekt sein. Cornelia Spachtholz rät, es auch entsprechend professionell strukturiert anzugehen, «vergleichbar einer Stakeholder-Analyse»: Was erwartet der Arbeitgeber, welche konkreten Vorschläge kann man ihm unterbreiten? Wer braucht mich in der Familie, was lässt sich auslagern? «Viele Eltern vergessen bei der Planung des Alltags sich selbst und ihre Auszeiten», sagt Spachtholz.

Wer macht was? Aufgabenverteilung in der Familie klar kommunizieren

Das Projekt Vollzeit muss von der gesamten Familie getragen werden, sagt Nina Reggi: «Die Herausforderungen sind immens. Kinder lassen sich nicht einfach wegschieben und zu pflegende Angehörige auch nicht.» Stillschweigend zu hoffen, dass sich die neue Aufgabenverteilung schon einpendeln wird, weil der Partner oder die Partnerin doch sehen muss, was alles zu tun ist, ist keine gute Idee. Viel Familienärger entsteht durch Unausgesprochenes. «Es ist wichtig, von Anfang an eine gute Kommunikation zu etablieren», sagt Reggi.

Vor allem Frauen würden jedoch dazu neigen, als Einzelkämpferinnen die Zähne zusammenzubeißen – was wiederum mit der fehlenden gesellschaftlicher Wertschätzung für Care-Arbeit zu tun habe: «Es wird erwartet, dass Frauen das von Natur aus können.» Vor anderen einzugestehen, dass es zu anstrengend wird mit Familie und Beruf: Das fällt vielen schwer. Reggi empfiehlt, ein Netzwerk aufzubauen, auf das man sich verlassen kann, wenn es mal eng wird, aus befreundeten Eltern beispielsweise, die sich gegenseitig bei der Betreuung unterstützen können.

Mit der eigenen Motivation auseinandersetzen

Auch der Blick von außen kann helfen: «Es gibt in vielen Städten gute Beratungsangebote vor allem für Frauen», sagt Reggi. Das kann ein Wiedereinstiegskurs sein, ein Mentoring oder ein Coaching. In einem solchen Rahmen gelinge es oft besser, sich mit der Frage nach der eigenen Motivation auseinanderzusetzen. Geht es um die finanzielle Absicherung, will man mehr Verantwortung im Job, hat man mehr Zeit, weil die Kinder groß sind? Wie viel Energie will und kann man aufwenden für Erwerbstätigkeit, wie viel Zeit soll bleiben beispielsweise für ehrenamtliches Engagement?

Wer darauf Antworten findet, tue sich meist leichter bei der Suche nach dem passenden beruflichen Weg. Vielleicht stellt sich dabei auch heraus, dass es nicht nur zwei Möglichkeiten gibt, nicht nur: Weitermachen wie bisher mit den wenigen Teilzeit-Stunden oder Aufstocken auf Vollzeit. Sondern eine Alternative dazwischen.

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