München/Leipzig

Gesund am Arbeitsplatz

Raus aus dem alten Job? So schaffen Sie den Absprung

Von dpa/tmn
Eine Frau stützt ihren Kopf auf die Hand am Arbeitsplatz
Jobfrust und keine Veränderung in Sicht: Viele Menschen trauen sich nicht, den Arbeitsplatz zu wechseln. (zu dpa: «Raus aus dem alten Job? So schaffen Sie den Absprung») Foto: Christin Klose/DPA

Unzufriedenheit im Job kann die Lebensqualität deutlich mindern. Aber wann ist wirklich der Punkt für einen Wechsel erreicht?

Lesezeit: 4 Minuten
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München/Leipzig (dpa/tmn) – Frustriert am Arbeitsplatz, aber Angst vor Veränderung? Obwohl manche Menschen sich in ihrem Job nicht mehr wohlfühlen, wagen sie nicht den Wechsel. Sie verharren im Ist-Zustand – und beschweren sich weiter darüber, dass sie der Arbeitsalltag nicht glücklich macht.

Die meisten Beschäftigten haben für ihre Job-Unzufriedenheit auch handfeste Gründe: Das Betriebsklima ist schlecht, die Führungskraft ist launisch oder die Aufgaben sind unterfordernd. Warum tun sie sich dann so schwer mit Veränderungen, obwohl die Unzufriedenheit groß ist?

Es gibt Menschen, die sich über das Jammern einfach abreagieren oder nach Aufmerksamkeit suchen, aber eigentlich gar nichts verändern möchten, sagt die Münchner Diplom-Psychologin und Karriereberaterin Madeleine Leitner aus langjähriger Berufserfahrung.

Angst vor Veränderung hält manche Menschen zurück

Manchmal kann es auch an psychologischen Blockaden liegen, die sie davon abhalten, den ersten Schritt zu machen. «Womöglich hat jemand schlechte Erfahrungen mit Veränderungen gemacht, die nachwirken», sagt Leitner. Vielleicht hat jemand zum Beispiel schon einmal gekündigt und das später bereut. Oder man war von einer belastenden Arbeitslosigkeit betroffen und scheut nun einen Arbeitsplatz-Wechsel. Der könnte ja das Risiko eines Scheiterns auf der neuen Stelle mit sich bringen.

Andere Ursachen können auch in der Familiengeschichte liegen. Dort gibt es womöglich Gründe, warum man an gegebenen Dingen festhält, obwohl sie einem nicht guttun. Solche Verhaltensmuster findet man zum Beispiel häufig in Familien mit einer Vertriebenenhistorie. «Diese Haltungen übernehmen Menschen allerdings meist unbewusst», so Leitner. Wenn man sich mit solchen Hemmnissen beschäftigt, kann man sie überwinden. Wenn man sie versteht, können Ängste und Bedenken weggehen.

An den Schrecken einer früheren Arbeitslosigkeit sollte ein Jobwechsel zum Beispiel nicht scheitern. Denn objektiv betrachtet kann man auch bei vermeintlich sicheren Stellen den Arbeitsplatz verlieren. Außerdem kann es auch krank machen, wenn man an einem Ort verharrt, wo es einem nicht gut geht. Wer solche Blockaden hat und alleine nicht weiterkommt, kann einen Psychotherapeuten oder eine erfahrene Coachin aufsuchen.

Systematisches Vorgehen kann Wechsel erleichtern

Generell ist vor einem Jobwechsel eine genaue Analyse sinnvoll. Warum möchte ich etwas Neues anfangen, und was erwarte ich mir von einem Wechsel? Der erste Schritt: «Am besten, man macht in aller Ruhe eine Pro- und Contra-Liste», sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig. Dafür beobachtet man sich selbst über mehrere Tage oder Wochen hinweg. Diese Fragen können dabei helfen:

  • Was genau macht mich unzufrieden?
  • Was brauche ich, um zufrieden zu sein?
  • Wie gut passen meine Fähigkeiten und Bedürfnisse zur aktuellen Tätigkeit?
  • Wie sind die Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen, wie zur Führungskraft?

Dann geht es im nächsten Schritt darum zu klären, wie sich die Unzufriedenheit auflösen lässt. Bei einem schlechten Betriebsklima könnte es etwa eine Option sein, auf Kolleginnen und Kollegen zuzugehen und mit ihnen zu besprechen, wie das Miteinander besser werden könnte. Fühlt man sich bei der Arbeit nicht genügend gefordert, kann es hilfreich sein, das Gespräch mit der Führungskraft zu suchen und gemeinsam nach Möglichkeiten für anspruchsvollere Tätigkeiten zu suchen.

Wann die Zeit für einen Jobwechsel definitiv gekommen ist

Wer feststellt, dass die aktuelle Tätigkeit und/oder das Umfeld dazu so gar nicht mehr zu den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen passen und sich auch nichts ins Positive verändern lässt, sollte einen Wechsel in die Wege leiten. Wenn man aber immer noch zögert und Schwierigkeiten hat, den ersten Schritt zu tun, kann es laut Leitner hilfreich sein, einen Plan zu erstellen und sich selbst als Anreiz für jeden kleinen Schritt hin zu einem Wechsel zu belohnen. «Man tut sich selbst irgendetwas nach eigener Wahl Gutes, wenn man es beispielsweise geschafft hat, die ersten Stellenanzeigen zu sichten», sagt die Diplom-Psychologin.

Die Zeit für einen Jobwechsel ist aus Sicht von Madeleine Leitner definitiv gekommen, wenn:

  • die Arbeit krank macht, also Beschwerden wie etwa Migräne verursacht
  • die Arbeit einen nachts nicht schlafen lässt
  • man aus dem Job herausgewachsen ist, zu viel Routine sich eingeschlichen hat und man keine Perspektive für eine firmeninterne berufliche Weiterentwicklung hat
  • man ein besseres Jobangebot bekommt, vielleicht sogar ohne konkret gesucht zu haben, zum Beispiel durch eine Empfehlung
  • Warnsignale vorhanden sind, dass die Firma ernsthafte Probleme hat und «die Ratten das sinkende Schiff verlassen»

«Ein Jobwechsel sollte keinesfalls daran scheitern, dass man sich sagt, man habe so viel in die aktuelle Stelle investiert», so Zacher. Also etwa viele Überstunden gemacht und Weiterbildungen absolviert. «Allerdings sollte man sich auch realistische Vorstellungen davon machen, was ein Wechsel wirklich bringt und nicht in Fantasien schwelgen», sagt Zacher.

Mit Weiterbildung und Umschulung den Beruf wechseln

Es gibt Fälle, bei denen Menschen nicht nur den Arbeitgeber, sondern den Beruf wechseln möchten. Weil sie schon bei der Berufswahl falsch lagen oder weil es in ihrem Beruf keine Perspektive mehr gibt. Andere können aus gesundheitlichen Gründen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben. In solchen Fällen kann eine passende Weiterbildung oder eine Umschulung Sinn machen. «Ein echter Berufswechsel ist allerdings seltener erforderlich als die Betroffenen denken», so Madeleine Leitner. Also: Immer mit System an das Thema rangehen.

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