Kiew

Verstoß gegen Abkommen: Ostukraine hält ihre eigenen Wahlen ab

Der bisherige "Premierminister" der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Alexander Saschartschenko, wird sich wohl bald "Präsident" nennen. Der Westen wird die Wahlen der Separatisten dort und in Lugansk nicht anerkennen - und spricht von einem Verstoß gegen das Minsker Abkommen.  Foto: dpa
Der bisherige "Premierminister" der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Alexander Saschartschenko, wird sich wohl bald "Präsident" nennen. Der Westen wird die Wahlen der Separatisten dort und in Lugansk nicht anerkennen - und spricht von einem Verstoß gegen das Minsker Abkommen. Foto: dpa

Trotz internationaler Proteste haben die Rebellen in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk Wahlen abgehalten. Russland will das Ergebnis anerkennen, der Westen spricht von einem Verstoß gegen das Minsker Abkommen.

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Von unserer Moskauer Korrespondentin Doris Heimann

Es sind interessante Methoden, mit denen die Rebellen in der Ostukraine versuchen, ihren umstrittenen Wahlen einen Anstrich von Legitimität zu verleihen. In der selbst ernannten Volksrepublik Donezk wird der Urnengang von Beobachtern einer gewissen „Assoziation für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ kontrolliert. Die Abkürzung „ASZE“ unterscheidet sich von der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) nur durch einen Buchstaben. Doch die OSZE boykottiert die Abstimmung, die vom Westen nicht anerkannt wird, und hat keine Beobachter geschickt. Ihr von Propaganda-Experten ausgedachter Doppelgänger dagegen begrüßt den „demokratischen Prozess im Donbass“.

Separatisten bleiben unter sich

In den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk, die sich unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten befinden, sollen die Menschen jeweils einen „Präsidenten“ und ein Parlament bestimmen. Die Separatisten bleiben dabei unter sich – Opposition gegen ihr Regime oder proukrainische Parteien gibt es seit Monaten nicht mehr. So sind in der Region Donezk nur zwei Parteien zugelassen: Sie heißen Donezker Republik und Freier Donbass. Alles spricht dafür, dass in Donezk der bisherige „Premierminister“ Alexander Saschartschenko nun zum „Präsidenten“ gekürt wird. In Lugansk ist dem Rebellenanführer Igor Plotnizki der Sieg sicher.

Mehr als 400 Wahllokale öffneten am Sonntag in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden – die meisten bewacht von maskierten und bewaffneten Rebellen. In Donzek gaben die prorussischen Kräfte die Zahl der Wahlberechtigten mit 3,2 Millionen Menschen an. Die genaue Zahl der Stimmberechtigten lässt sich allerdings kaum ermitteln, weil durch die Kämpfe in den vergangenen Monaten Hunderttausende aus der Krisenregion geflohen sind. Russland erlaubte in einigen Flüchtlingslagern die Wahl.

Die Rebellen meldeten Wahlbeteiligungen von bis zu 92 Prozent. Reporter der kremlkritischen russischen Internetzeitung Gazeta.ru berichteten, dass in manchen Wahllokalen materielle Anreize geschaffen wurden, um die vom Bürgerkrieg ausgelaugte Bevölkerung an die Urnen zu locken. So standen die Menschen in Lutugino bei Lugansk zwei Stunden vor dem Wahllokal Schlange, weil man ihnen nach der Stimmabgabe den Erhalt der „Sozialen Karte“ versprochen hatte, mit der es Preisnachlässe auf Lebensmittel gibt. In Donezk wurden vor einem Wahllokal Kartoffeln zum Schleuderpreis von 1 Griwna pro Kilo (etwa 6 Cent) verkauft. Russland, das die Rebellen unterstützt, schickte am Wahltag erneut einen Konvoi aus 50 Lastwagen mit Hilfsgütern, die in Doenzk und Lugansk verteilt wurden. In Donezk, das in den Außenbezirken durch Luftangriffe der ukrainischen Armee auf Stellungen der Rebellen schwer beschädigt wurde, zeigten sich die Bürger desillusioniert vom Kurs der ukrainischen Führung in Kiew. „Seitdem hier das erste Flugzeug aufkreuzte, sind wir nicht mehr die Ukraine“, sagte ein Wähler dem Reporter der Gazeta.ru.

Die Wahlen werden von Kiew und dem Westen als unrechtmäßig abgelehnt. Der ukrainische Geheimdienst leitete ein Strafverfahren „wegen des Versuchs der Eroberung der Staatsmacht“ gegen die Aufständischen ein. Auch die USA, die EU und Deutschland kritisierten das Votum. „Die Wahlen stehen im klaren Gegensatz zu den Minsker Waffenstillstandsvereinbarungen, weshalb wir sie auch nicht anerkennen werden“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Minsker Abkommen ignoriert

Das Minsker Protokoll sieht vor, dass in einzelnen Bezirken der Regionen Donezk und Lugansk vorgezogene Wahlen stattfinden sollen, aber nur auf kommunaler Ebene und in Übereinstimmung mit der ukrainischen Gesetzgebung. Die Separatisten erklärten nun, es handele sich nicht um lokale, sondern um nationale Wahlen. Sie widersetzen sich damit dem Minsker Abkommen, das sie selbst und Vertreter Kiews, Moskaus und der OSZE unterzeichnet hatten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, Moskau werde die Wahlergebnisse „selbstverständlich anerkennen“.

Unterdessen meldete die ukrainische Armee „intensive“ Truppenbewegungen aus Russland über die Grenze in die von den Separatisten kontrollierten Gebiete. Militärausrüstung und Mannschaften würden über die russisch-ukrainische Grenze verlegt, sagte ein Sprecher des ukrainischen Sicherheitsrates. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten aus Donezk von einem russischen Militärkonvoi aus 20 Lastern.