Berlin

Telefon statt Beratungsbüro – wie die Barmer GEK sparen will

Barmer Gesundheitskarte Foto: dpa

Bessere Beratung trotz weniger Niederlassungen und Mitarbeiter – geht das? Die Krankenkasse Barmer GEK jedenfalls will sich so fit machen für schwierige Zeiten.

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Von Basil Wegener und Volker Danisch (dpa)

Die Telefone standen bei nicht mehr still: Mit der Ankündigung, die Zahl der Geschäftsstellen auf bundesweit 400 halbieren zu wollen, hat die Krankenkasse am Montag für Verunsicherung unter ihren fast neun Millionen Versicherten gesorgt. Viele fragten umgehend vor Ort nach, ob die Geschäftsstelle erhalten bleibt. Zufriedenstellende Antworten gibt es bisher nicht – die Details stehen noch nicht fest.

Das Internet gewinnt auch hier Bedeutung

Dabei ist ein umfangreicherer Service am Telefon und per Internet das erklärte Ziel des tiefgreifenden Umbaus. Wie die Musikindustrie, der Handel oder die Banken spüren auch Krankenkassen, dass Kunden immer häufiger moderne Kommunikationswege nutzen, statt persönlich vorbei zu kommen. Die Barmer GEK will mit ihrem Umbau zugleich Kosten sparen und effizienter werden, also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Das Konzept dürfte nach Einschätzung von Verbraucherschützern von anderen Kassen genau verfolgt werden. „Spannend ist: Verliert man damit Mitglieder oder nicht?“, sagt der Teamleiter Gesundheit der Verbraucherzentrale Bundesverband, Kai Vogel. Kundennähe gelte bisher bei Krankenkassen als hohes Gut. Gerade ältere Menschen schätzten die Beratung vor Ort oder aber das gemeinsame Ausfüllen eines Formulars.

Wieviel ist die Nähe wert?

Wenn Versicherte ihre Krankenkasse wechseln wollen, holen sie sich oft unabhängigen Rat. Was zählt? Da sind die Leistungen, vielleicht die finanzielle Lage einer Versicherung – aber auch die persönliche Beratung. „Wir merken häufig, dass den Menschen bei einem Kassenwechsel wichtig ist, ob es in der Nähe eine Beratungsstelle gibt“, sagt Andrea Fabris von der Unabhängigen Patientenberatung UPD.

Der Chef der Barmer GEK, Christoph Straub, räumt zwar ein: „Es wird vereinzelt längere Wege geben.“ Aber es sei wichtig, auf die Trends zu reagieren. „Immer mehr Versicherte wollen uns über das Telefon kontaktieren, zunehmend auch über Mail und andere social media“, betont er in der ARD. Es seien neue Fachzentren mit hoch qualifizierter Beratung geplant. 40 000 Medizinprodukte und Hilfsmittel gebe es etwa auf dem Markt. Wie sollten wenig spezialisierte Mitarbeiter einer Geschäftsstelle herausfinden, welche Gehhilfe, Implantate oder Verbände am besten sind?

Zwang zum Sparen

Doch trotz aller Beteuerungen – es geht auch ums Sparen. Wegen steigenden Finanzdrucks dürften einige Kassen in wenigen Jahren gezwungen sein, höhere Zusatzbeiträge vom Lohn ihrer Mitglieder abzuziehen, die anderen dagegen weniger. Die Barmer GEK will mittelfristig 3500 Arbeitsplätze wegrationalisieren. Das ist etwa jede fünfte Stelle. Dabei handelt es sich nicht um ein Unternehmen in Not. 2012 erzielte die Kasse noch fast eine halbe Milliarde Euro Überschuss. 2013 soll es aber wegen stark steigender Ausgaben für ärztliche Leistungen und für Krankenhäuser nur noch ein Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe gewesen sein.

Die Konkurrenz schläft nicht. Die gerade erst zum Branchenprimus aufgestiegene Techniker Krankenkasse hat schon spezialisierte Zentren, etwa für Hilfsmittel oder für Mitgliedschaft und Beiträge. Auf einen Vollzeitmitarbeiter kämen rund 900 Versicherte.

DAK schrumpft schon die Organisation

Die DAK-Gesundheit bezeichnet die Reorganisation als dauerhafte Management-Aufgabe. Zählte man dort 2010 noch gut 13.000 Mitarbeiter, sind es nun trotz zwischenzeitlicher Fusionen knapp 2000 weniger. Aus damals 813 Beratungsstellen wurden bis im vergangenen Jahr 671. Bei der Siemens-Betriebskrankenkasse in München dagegen gab es in den vergangenen drei Jahren im Schnitt einen Personalaufbau von 2,6 Prozent. An den 100 Geschäftsstellen werde sich nichts ändern, heißt es dort.

Ähnliches ist auch von der IKK Classic zu hören: „Wir gehen davon aus, dass sich die Nachfrage nach Beratungsleistungen in der Geschäftsstelle vor Ort in der Zukunft eher noch verstärken wird.“

AOK will präsent bleiben

Der Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann, betont, es gebe keinerlei Pläne, die Zahl der 110 Geschäftsstellen zu reduzieren oder Arbeitsplätze abzubauen. „Der Kunde wünscht sich, gerade wenn es um seine Gesundheit geht, den persönlichen Kontakt – also einen Menschen, der ihm zuhört“, ist er sich sicher.