Die lange Nacht der Europawahl – Kompliziertes Verfahren

Wahlplakate
Wahlplakate für die Europa- und Kommunalwahl in Rostock. Foto: Bernd Wüstneck

Über 400 Millionen Wahlberechtigte in 28 Ländern, kein einheitliches Wahlrecht und nicht einmal die selben Öffnungszeiten der Wahllokale: Die Europawahl konfrontiert Politiker, Bürger und Medien mit einem Bündel von Fragen.

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Wer liefert in Deutschland wann erste Prognosen?

ARD und ZDF planen erste Prognosen über das deutsche Ergebnis schon kurz nach der Schließung der deutschen Wahllokale um 18.00 Uhr und im Laufe des Abends auch Hochrechnungen. Einem ZDF-Sprecher zufolge läuft alles im Prinzip wie bei der Bundestagswahl. Nach Auffassung des Bundeswahlleiters spricht nichts gegen die frühe Veröffentlichung deutscher Zahlen auch vor der Schließung der letzten Wahllokale um 23.00 Uhr in Italien – solange es um die Auswertung von Wählerbefragungen und um Ergebnisse der öffentlichen Stimmenauszählung in einzelnen Wahllokalen geht.

Wann wird das deutsche ¿Endergebnis zur Europawahl vorliegen?

In der Nacht von Sonntag auf Montag – nach Angaben des Bundeswahlleiters voraussichtlich „in den frühen Morgenstunden“.

Wann gibt es EU-weite Prognosen und Hochrechnungen?

Das EU-Parlament wird von 22.00 Uhr an eine gesamteuropäische Prognose auf der Basis von Wählerbefragungen in Mitgliedsländern vorlegen. Nach Schließung der italienischen Wahllokale um 23.00 Uhr werde es dann gesamteuropäische Hochrechnungen auf der Basis von Ergebnissen in den Mitgliedstaaten geben. Das Parlament will die Stärke der politischen Gruppen und deren Sitze in der Volksvertretung mitteilen. Ein endgültiges Ergebnis steht dann aber noch nicht fest.

Wo treten die Spitzenkandidaten am Wahlabend auf?

Martin Schulz von den Sozialdemokraten wird am späten Sonntagabend von Berlin kommend im Europaparlament in Brüssel erwartet. Auch Jean-Claude Juncker ist in Brüssel, er will nach Angaben aus der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zunächst im Brüsseler Partei-Hauptquartier auftreten. Konkrete Termine sind noch offen. Auch die anderen Spitzenkandidaten halten sich in Brüssel auf. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird sich am Sonntagabend öffentlich gar nicht äußern.

Gibt es einen EU-Wahlleiter und ein EU-weites amtliches Endergebnis?

Nein. Wenn in den Mitgliedstaaten die offiziellen Ergebnisse feststehen, übermitteln die dortigen Behörden die Namen der gewählten Abgeordneten an das EU-Parlament. Dieses überprüft dann die Listen.

Wann kommt das neue Parlament erstmals zusammen?

Die erste Sitzung ist für den 1. bis 3. Juli angesetzt. Bei dem Treffen in Straßburg sollen die Abgeordneten den Präsidenten der Volksvertretung wählen.

Wann steht fest, wer neuer EU-Kommissionspräsident wird?

Das kann lange dauern. „Nach der Wahl wird noch kein weißer Rauch aufsteigen“, sagt CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll den Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten vorschlage. Die „Chefs“ könnten den Vorschlag beim EU-Gipfel am 26. und 27. Juni billigen. Der neue Präsident der Kommission könnte dann vom Parlament auf der Sitzung vom 14. bis 17. Juli mit absoluter Mehrheit (376 von 751 Stimmen) gewählt werden. „Wenn nicht, ist das auch nicht der Untergang des Abendlandes“, sagt Ferber. Am 1. November soll der Neue die Arbeit aufnehmen.

Wie genau ist das Verfahren festgelegt?

In Artikel 17 des Lissabon-Vertrages heißt es: „Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Erhält dieser Kandidat nicht die Mehrheit, so schlägt der Europäische Rat dem Europäischen Parlament innerhalb eines Monats mit qualifizierter Mehrheit einen neuen Kandidaten vor, für dessen Wahl das Europäische Parlament dasselbe Verfahren anwendet.“

Wann wissen wir, ob es eine neue rechtsextreme Fraktion im EP gibt?

Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Ländern nötig. Zurzeit gibt es sieben Fraktionen, eine achte, rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Fraktion ist wahrscheinlich. Die Absprachen dürften sich aber hinziehen. Gerechnet wird mit einem Bündnis der französischen Front National, der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders und anderer Gruppen. Die deutsche AfD und die britische UKIP haben einen Beitritt zu einer solchen Fraktion bisher abgelehnt. Die Abgrenzung zur bestehenden Fraktion Europe of Freedom and Democracy (EFD) ist noch unklar. Der EFD gehören bisher UKIP, die italienische Lega Nord und andere an.