Berlin/Neu Delhi

Zum Welttierschutztag am 4.10.

Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen

Von dpa
Zwei Elefanten von Zug getötet
Schaulustige betrachten zwei tote Elefanten, die am 19.11.2017 in der Nähe von Gauhati (Indien) neben einem Bahngleis liegen. Die wildlebenden Tiere waren vermutlich bei der Nahrungssuche von einem Zug erfasst worden. Foto\ Anupam Nath/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ (zu dpa: «Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen») Foto: picture alliance/DPA

Wo läuft ein Elefant? Welcher Tiger streift da durch den Wald? Bei solchen Fragen hilft immer häufiger Künstliche Intelligenz. Tierschutz-Organisationen sehen die Systeme als große Hilfe an.

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Berlin/Neu Delhi (dpa) – Ziehen wilde Elefanten in Indien auf der Suche nach Futter umher, überqueren sie oft Bahnschienen, die ihre Lebensräume durchschneiden. Kollisionen mit Zügen sind für sie dort die zweithäufigste unnatürliche Todesursache. Offiziellen Angaben zufolge starben in den vergangenen vier Jahren mindestens 50 Tiere auf diese Art. Nun sollen Überwachungs- und Warnsysteme mit Künstlicher Intelligenz die Tiere auf dem Subkontinent besser schützen.

Die indische Bahn etwa installiert derzeit im Nordosten Technik und Kabel entlang von Gleisen, wodurch Vibrationen durch die Schritte von Elefanten innerhalb eines Fünf-Meter-Radius erkannt werden können. Daraufhin werden Meldungen an eine Mobilfunk-App und einen Kontrollraum geschickt. Herannahende Züge können so automatisch gewarnt werden, damit sie langsamer fahren oder anhalten. Im Süden des Landes wird ein anderes System getestet.

Hilfe beim Auswerten von Fotos

Coronavirus – Indien
Eine Herde wilder Elefanten grast in der Nähe einer Straße in Malakkappara, Distrikt Thrissur, im südindischen Bundesstaat Kerala, während eines Lockdowns. Die Einschränkungen während der Corona-Pandemie haben sich auch auf das Verhalten von Tieren ausgewirkt. (zu dpa: «Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen»)
Foto: Anup K. Venu/DPA

Künstliche Intelligenz für den Tierschutz – solche Ideen gebe es gerade nicht nur in Indien, sondern in vielen Ländern der Welt, sagt der Ökologe Arnulf Köhncke, Leiter Artenschutz bei der Umweltorganisation WWF Deutschland. Besonders häufig werde KI eingesetzt, um Bilder auszuwerten, erklärt der Fachmann anlässlich des Welttierschutztages am 4. Oktober. «Denn wir möchten wissen, wie viele Tiere einer Art irgendwo leben.» Dafür müsse man Kamerafallen aufstellen, Tiere auf den Fotos zählen und die Daten statistisch auswerten – «ohne Unterstützung dauert das total lange».

Kaziranga-Nationalpark in Indien
Ein Elefant wirft sich im Agoratoli Reservat im Kaziranga-Nationalpark mit dem Rüssel Staub auf den Rücken. Der Kaziranga-Nationalpark wurde 1968 zum Nationalpark und von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt, und bietet neben Wildtieren wie Elefanten und Vögeln auch dem Einhornnashorn einen Lebensraum. (zu dpa: «Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen»)
Foto: Anupam Nath/DPA

Denn die Kameras nähmen unzählige Fotos auf. «Die KI hilft dabei, zu ermitteln, was auf den Fotos ein Tier ist und was nicht.» So könnten die riesigen Datenmengen besser gehandhabt werden, sagt Köhncke. Die KI könne auch erkennen, welche Arten auf den Fotos zu sehen sein – und manchmal sogar, welche einzelnen Tiere. «Bei Katzen wie Tigern und Leoparden kann sie die Individuen anhand der Streifen und Flecken erkennen.»

Zahl der Tiere und Verhalten erkennen

Zug in Indien überfährt zwei Elefanten
Ein toter Elefant liegt neben einem Bahngleis, nachdem er von einem Zug im Deepor Beel Wildlife Sanctuary am Rande der Stadt Guwahati im Nordosten Indiens überfahren wurde, 28. Februar 2010. Zwei Elefanten wurden von einem Zug überrollt, als eine Gruppe wilder Asiatischer Elefanten auf der Suche nach Nahrung in das Schutzgebiet kam. Ein weiblicher Elefant wurde getötet und die andere trächtige Elefantin wurde bei dem Vorfall schwer verletzt. Die trächtige Elefantin brachte nach dem Unfall ein Elefantenbaby zur Welt. Das Baby wurde von den Waldhütern gerettet und zur Behandlung in den Zoo von Guwahati gebracht. EPA/STR (zu dpa: «Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen»)
Foto: picture alliance/DPA

Selbst bei Zebras, Giraffen, Walen und Delfinen seien Muster oder Finnen einzigartig und so entschlüsselbar. «Wenn man die Tiere einzeln erkennen kann, kann man mit statistischen Modellen errechnen, wie viele Tiere dieser Art es insgesamt in dem Gebiet gibt», erläutert der Experte.

Etosha-Nationalpark in Namibia
Zebras trinken Wasser im Etosha-Nationalpark. (zu dpa: «Mit Künstlicher Intelligenz Tiere besser schützen»)
Foto: Chen Cheng/DPA

Ein solches Projekt startete der WWF Deutschland im August zusammen mit der Firma IBM in Zentralafrika: Dort sollen Waldelefanten beobachtet und gezählt werden. KI hilft bei solchen Projekten nicht nur dabei, die Datenmengen zu analysieren. Sie kann auch Verhaltensmuster erkennen und präzise Vorhersagen treffen.

Mikrofon- und Satelliten-Aufnahmen mit KI auswerten

Andere KI-Ansätze seien audiobasiert, führt Köhncke weiter aus. Gerade in großen Waldsystemen in Afrika, Asien oder Lateinamerika ergebe das viel Sinn, weil man dort nicht weit sehen könne. Manche Programme könnten Vogelstimmen erkennen und so helfen, die Tierarten zu kartieren. Selbst aus Kettensägengeräuschen könnten Fachleute Schlüsse ziehen – nämlich wo gerade Wald abgeholzt werde. Und Schüsse deuteten auf Wilderer hin.

Aus dem Weltraum kann die Überwachung ebenfalls erfolgen. Köhncke erzählt, dass Satellitenfotos schnell aufzeigen könnten, wo es brenne. «Über die Satellitenauswertung ist es auch möglich, die Bewegung von Geiern zu erfassen.» So könne man erkennen, wo ein totes Tier liege – auch das könne ein Hinweis auf Wilderei sein. «Es werden immer mehr Dinge entwickelt», resümiert Köhncke.

Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen berichtete jüngst davon, KI für den Blick in die Tiefe zu nutzen. Zwei Doktorfisch-Arten wurden in Korallenriffen im Roten Meer beobachtet. Die Bewegungen der Fische wurden dreidimensional erfasst, während sie auf Nahrungssuche waren. So konnten die Forschenden das marine Ökosystem besser verstehen – was wichtig ist, um Schutzmaßnahmen für die Riffe zu entwickeln.

Automatische Warnungen, wenn Tiger oder Elefanten kommen

In Indien machen sich Fachleute außerdem Gedanken darüber, wie sich Begegnungen zwischen Menschen und potenziell gefährlichen Wildtieren verhindern lassen. Denn immer wieder sterben Menschen, wenn sie auf Elefanten, Tiger oder Leoparden treffen. Der Chefkonservator der Wälder im nordindischen Uttarakhand, Sameer Sinha, sagt der dpa, in seinem Bundesstaat würden deswegen nun Kamerafallen mit KI-Technologie eingesetzt.

Die Kameras verfügten über Internetfähigkeit, wodurch Bilder in Echtzeit an einen Computerserver übertragen werden können. Kommen solche Tiere in die Nähe von Dörfern, werden automatisch Warnungen generiert. Daraufhin informiert die Forstbehörde die Dorfbewohner und setzt Reaktionsteams ein, die eingreifen können. Das einzige Problem bisher bei der Anwendung, sagt Sinha: Nicht immer gebe es in der Gegend gutes Internet.

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