RZ-KOMMENTAR: Schlagkräftige Nato rückt in weite Ferne

Michael Bröcker zu den Ergebnissen des Nato-Gipfels

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Das Wahlkampfmanöver des französischen Präsidenten François Hollande, die Kampftruppen seines Landes aus Afghanistan entgegen der Absprachen schon 2012 abzuziehen, hat das Nato-Treffen überlagert. Zwar sind die 3100 französischen Soldaten vorrangig im relativ friedlichen Westen des Landes eingesetzt. Doch das psychologische Moment, dass das Nato-Gründungsmitglied Frankreich frühzeitig den ungeliebten Krieg verlässt, dürfte Nachahmerdiskussionen in anderen Ländern auslösen. Der jetzt gefundene Kompromiss ist mehr als dürftig. Frankreich will nun an anderer Stelle innerhalb des Isaf-Mandats aushelfen. Im Klartext: Brunnen bauen statt Taliban jagen. Der Start des deutsch-französischen Duos „Merkollande“ kann nur als rumpelig bezeichnet werden.

Durch die Afghanistan-Debatte wurde zudem die überfällige Neuordnung des Verteidigungsbündnisses in Zeiten knapper öffentlicher Kassen in den Hintergrund gedrängt. Die Struktur der Militärallianz hängt noch immer in der Zeit des Kalten Krieges fest. Teuer und träge ist die Ausstattung der Armeen. Oder anders: Es gibt zu viele Panzer, aber zu wenig Aufklärungstechnik, Logistikkapazitäten und flexible Eingreiftruppen.

Die Nato braucht deshalb mehr Arbeitsteilung, verstärkte Kooperation und solide finanzielle Rahmenbedingungen. Die Lasten tragen weiterhin vor allem die USA mit einem Betriebskostenanteil von 22 Prozent und Deutschland mit 15 Prozent. Großbritannien kürzt seinen Verteidigungsetat gerade um 10 Prozent, Frankreich hat Ähnliches im Sinn. Das Fernziel einer schlagkräftigen, einheitlichen europäischen Armee im Bündnis bleibt ein Fernziel.

E-Mail an: michael.broecker@rhein-zeitung.net