Rösler privatisiert Gesundheit in kleinen Schritten
Von unserem Redakteur Christian Kunst
Es gab Momente in diesem Jahr, da hatten politische Beobachter den einst als größtes Nachwuchstalent der FDP gefeierten Philipp Rösler fast schon abgeschrieben. Der Aufstieg vom niedersächsischen FDP-Generalsekretär zum Wirtschaftsminister in Hannover und dann zum Gesundheitsminister in Berlin war vielen wohl ein wenig unheimlich. Und als dann im Sommer die schrillen Töne aus der CSU, namentlich vom Münchner Gesundheitsministers Markus Söder lauter wurden, schien der Stern Röslers deutlich zu sinken.
Jetzt meldet sich der Minister mit einem Interview in der „Financial Times“ eindrucksvoll zurück. Sein Plädoyer für ein Gesundheitssystem, das nur noch einen Basisschutz vorsieht, der solidarisch finanziert wird, das den Bürgern ansonsten aber eine private Absicherung abverlangt, kommt zwar nicht überraschend – entspricht es doch dem FDP-Konzept, das auch in der CDU Anhänger findet. Was allerdings überrascht, ist, wie unbeirrt Rösler trotz aller Widerstände aus der Opposition und auch der CSU an seinen Plänen festhält. Offenbar kann sich Rösler aber des Rückhalts der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sicher sein, die ihn jüngst bei der Durchsetzung unbegrenzter Zusatzbeiträge gegen die CSU ausdrücklich unterstützte.
Mehr noch: Gerade beim aktuellen Vorschlag, Patienten künftig bei Arztbesuchen zur Vorkasse zu bitten, wird deutlich, wie der Minister sein Fernziel erreichen will – mit einer Politik der kleinen Schritte, die die Grenzen zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zunehmend erodieren lässt. Prinzipien aus dem System der privaten Versicherung – Kostenerstattung, Prämienmodelle und Ähnliches – überträgt Rösler auf die gesetzlichen Kassen. Zugleich stärkt er das private System etwa durch einen erleichterten Zugang für bislang gesetzlich Versicherte oder die Ausweitung von Arzneimittelrabatten, die bislang nur für gesetzliche Kassen gelten. Das, was Rot-Grün Gutes für AOK & Co. getan hat, nimmt Rösler jetzt wieder zurück. Sein Ziel: eine Bürgerversicherung, nicht solidarisch, sondern privat finanziert. Ob sie auch sozial ist, das bezweifeln Opposition und CSU. Rösler sagt nur: „Wenn sich die private Krankenversicherung dem Instrumentenkasten der gesetzlichen Krankenversicherung annähert, dann wird sich auch die Systemdebatte beschleunigen. Ich will das nicht werten, finde die Debatte aber spannend.“
Letztendlich weiß auch Rösler, dass er die zunehmend unter der Alterung der Gesellschaft leidende private Krankenversicherung nicht immer weiter stützen kann. Auch deshalb schwebt ihm eine engere Zusammenarbeit von Gesetzlichen und Privaten etwa bei Zusatzversicherungen wie Krankenschutzpolicen fürs Ausland oder Komfortleistungen im Krankenhaus vor. Die Frage ist, wie lange Rösler diese Politik der kleinen Schritte durchhalten kann. Bei einem wirklichen Systemwechsel dürfte er deutlich mehr Widerstand bekommen und auch mehr Unterstützung brauchen.
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