Kampf gegen IS: Obamas Antiterror-Drahtseilakt

Luftangriffe wie mit diesen F18-Bombern und eine Unterstützung der gemäßigten syrischen Rebellen ja, aber keinen neuen Bodenkrieg, wie ihn einst US-Präsident George W. Bush im Irak losgetreten hat: Das ist das Ziel von US-Präsident Barack Obama. 
Luftangriffe wie mit diesen F18-Bombern und eine Unterstützung der gemäßigten syrischen Rebellen ja, aber keinen neuen Bodenkrieg, wie ihn einst US-Präsident George W. Bush im Irak losgetreten hat: Das ist das Ziel von US-Präsident Barack Obama.  Foto: dpa

Es ist ein heikler Balanceakt, den Barack Obama zur besten Sendezeit zu absolvieren hat im flaggengeschmückten State Floor, dem Empfangskorridor des Weißen Hauses. Ein verbaler Hochseilakt in 14 Minuten.

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Unser Korrespondent in 
Washington Frank Herrmann analysiert die Rede von US-Präsident Barack Obama

Einerseits will er Härte demonstrieren im Ringen mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), nachdem die Enthauptung zweier Reporter die Öffentlichkeit in den USA wachgerüttelt hat und den Ruf nach Vergeltung laut werden ließ. Andererseits versucht er klarzustellen, dass er nicht daran denkt, George W. Bushs desaströsen Feldzug im Irak zu wiederholen. Er muss ein Image pflegen, dem er einst seinen Aufstieg verdankte, die Reputation des Anti-Bush, und zugleich einer Militäraktion das Wort reden, gegen die er sich selbst lange sträubte.

Breite Koalition zimmern

Die USA, verspricht Präsident Obama, werden eine breite Koalition zimmern, um die IS-Rebellen „zu schwächen und letztlich zu zerstören“. „Wir werden die Terroristen zur Strecke bringen, wo immer sie sind“, sagt er und skizziert das Szenario einer Eskalation. „Dies ist ein Grundprinzip meiner Präsidentschaft: Wer Amerika bedroht, wird keinen sicheren Hafen finden“. Daher werde er nicht zögern, den IS – Isil, wie er die Guerilla nennt – nicht nur im Irak anzugreifen, sondern auch in seinen syrischen Hochburgen.

Damit deutlich wird, dass den Worten Taten folgen, kündigt der Commander-in-Chief, der Oberbefehlshaber, an, 475 zusätzliche Militärberater nach Bagdad und Erbil zu entsenden, Ausbilder, die sowohl die irakische Armee als auch die kurdischen Peschmerga anleiten sollen. Damit sind, knapp drei Jahre nach dem Totalabzug, bereits wieder 1600 US-Militärs im Zweistromland stationiert.

Heraufziehende Ängste daheim, dies könnte den Beginn einer gefährlichen Rutschpartie mitten hinein in den Konfliktsumpf bedeuten, ähnlich wie Anfang der 60er in Vietnam, versucht der Präsident durch ein paar verbale Beruhigungspillen zu zerstreuen. Die Berater hätten keinen Kampfauftrag, betont er, „wir lassen uns nicht hineinziehen in einen neuen Bodenkrieg im Irak“.

Um zu begründen, warum man überhaupt handeln muss, nimmt er Anleihen bei der Doktrin seines Vorgängers auf. Nach Bushs umstrittener Strategie galt es, sich abzeichnende Gefahren durch Präventivschläge auszuschalten, bevor sie akut werden konnten. Obama wiederholt das Motiv. Im Moment, skizziert er die Lage, bedrohe der IS zwar nur den Nahen Osten. Lasse man die Miliz indes ungehindert gewähren, könnte sie zu einer Gefahr über die Region hinaus wachsen, zu einer direkten Gefahr auch für die Vereinigten Staaten.

Schwenk kommt zu plötzlich

Als er über den Bürgerkrieg in Syrien spricht, vollzieht der bislang so zurückhaltende Stratege einen Schwenk, der zu plötzlich kommt, als dass er glaubwürdig wirkt. Eher wirkt er wie die Wende eines Getriebenen, der sich einer Stimmungswoge anpasst, statt sich gegen sie zu stemmen.

Seit IS-Barbaren in der syrischen Wüste den Journalisten James Foley und Steven Sotloff die Köpfe abschnitten, hat sich das Meinungsbild dramatisch geändert. Nach aktuellen Umfragen plädieren 61 Prozent der Amerikaner für Luftschläge auch in Syrien, wie sie noch Anfang August von einer Dreiviertelmehrheit abgelehnt worden waren. Und vor Monatsfrist hatte Obama im Gespräch mit der „New York Times“ noch ausführlich begründet, warum er nie allzu viel hielt von der Bewaffnung der syrischen Opposition. Die moderaten Gegner Baschar al-Assads seien im Kern eine Ansammlung von Ärzten, Bauern und Apothekern, dozierte er kühl. Die Annahme, eine solche Truppe könne es mit der Armee eines Staates aufnehmen und zugleich mit Assads Hintermännern in Russland, Iran und den Reihen der Hisbollah – „dieser Gedanke war immer eine Einbildung“.

So nüchtern Obama damals klang, so eindeutig schließt er jetzt eine stille Kooperation mit Damaskus aus, um die Terrormiliz als gemeinsamen Feind zurückzudrängen. Assads Regime werde die Legitimität, die es verlor, niemals wiedererlangen. Die USA müssten die gemäßigte Opposition stärken; sie sei das beste Gegengewicht zu den Extremisten.

Trainingslager in Saudi-Arabien

Saudi-Arabien, sickert tags darauf durch, soll Trainingslager für die Rebellen einrichten. Weitere Details werden nicht bekannt, und ebenso vage bleibt, wer der Anti-IS-Koalition angehören soll, die Obama als multilaterales Kontrastprogramm zu Bush’schen Alleingängen beschwört. Hinter der Beteiligung der Türkei, schon der Logistik wegen ein Schlüsselpartner, scheint vorerst, so sieht man es zumindest in Washington, ein dickes Fragezeichen zu stehen.

Im US-Kongress ist das Echo geteilt, erwartungsgemäß entlang der Trennlinie zwischen Falken und Tauben. John McCain, der republikanische Hardliner, spricht von einem „völlig unzureichenden“ Plan gegen die größte und reichste Terroristenarmee der Welt. Mark Udall, ein demokratischer Senator aus Colorado, verweist auf die Risiken: Das Parlament, mahnt der Demokrat, dürfe dem Oval Office auf keinen Fall einen Blankoscheck ausstellen, sonst werde das Land vielleicht doch noch zurückgerissen in den Strudel eines Bodenkriegs im Irak. Und Mark Begich, Udalls Parteifreund aus Alaska, wiederholt Obamas Argumente von früher. Es sei falsch, der syrischen Opposition Waffen zu liefern, denn letztlich drohe das Kriegsgerät in den Händen von Extremisten zu landen.