Geheimpapier gibt Einblicke in AfD-Strategie: Partei setzt gezielt auf Provokation [Update: Reaktion der AfD]
In dem 33-seitigen „AfD-Manifest 2017 – Demokratie wieder herstellen – Dem Volk die Staatsgewalt zurückgeben“ geht es darum, wie die Rolle als „Tabubrecher und Protestpartei“ geschärft werden kann. Wörtlich heißt es: „Die AfD muss ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein, zu klaren Worten greifen und auch vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken. Dabei muss die Seriosität allerdings gewahrt werden.“ Insgesamt gehe „Eingängiges vor Vollständigkeit“.
Mit dieser Taktik soll die Partei offenbar „als dauerhafte politische Kraft in Deutschland“ etabliert und drittstärkste Fraktion nach der Bundestagswahl am 24. September werden. Dabei beruft man sich auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa, das das Potenzial für die AfD bei 23 Prozent sieht. Aber: Diese Umfrage stammt von Anfang 2015, ist also zwei Jahre alt. Laut einer Emnid-Umfrage vom Wochenende fällt der tatsächliche Zuspruch für die AfD weitaus geringer aus: 9 Prozent der Wähler würden aktuell für die Partei stimmen – der schlechteste Wert seit einem Jahr. Aber dennoch wäre die AfD, wenn am Wochenende gewählt worden wäre, nach SPD und Union die drittstärkste Partei im Bundestag.
In den Wahlkämpfen will die AfD fünf Zielgruppen ansprechen: Euro-Skeptiker, Liberal-Konservative, Protestwähler, Nichtwähler und Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen – im AfD-Jargon die „kleinen Leute“, die sich als Verlierer der Globalisierung fühlen. „Die Reaktionen und die Befindlichkeiten anderer Teile der Gesellschaft sind von untergeordneter Bedeutung“, heißt es. „Sie sind eher Zielscheiben als Zielgruppen.“
Vor allem von der Union will die Partei Wähler gewinnen – und die Bundestagswahl zu einem „Plebiszit gegen Angela Merkel“ machen. Es gebe einen „Überdruss an Merkel“, die Kanzlerin sei zu einem „Auslaufmodell“ geworden, heißt es in dem Papier.
Ohnehin will sich die AfD „perspektivisch stärker gegenüber der politischen Mitte öffnen“. Als Hindernis sieht sie dabei „das von Medien und Altparteien erzeugte Image, dass die AfD weit rechts positioniert ist und sich nicht klar gegen Rechtsextremismus abgrenzt“. Als Strategie wird dem Bundesvorstand nun empfohlen, dass die AfD als Partei zwar Abstand zu rechtsextremen Gruppierungen haben sollte, aber dass das „Mitwirken individueller AfD-Mitglieder bei in den Mainstream-Medien suspekten Gruppen“ durchaus toleriert wird.
Außerdem will die Partei gezielt an „Demonstrationen und Aktionen teilnehmen, die vom Mainstream initiiert werden“ – beispielsweise an Gedenkveranstaltungen nach Terrorakten oder Anschlägen auf jüdische Einrichtungen. Damit will man Wähler überzeugen, die bisher um ihr gesellschaftliches Ansehen bangten, wenn sie ein öffentliches Bekenntnis zur AfD ablegten. Außerdem empfiehlt das „Manifest“, ganz gezielt auf Tuchfühlung zu örtlichen Bürgervereinen zu gehen und Vereinsmitgliedschaften „diskret, aber bewusst für die AfD zu nutzen“.
Von unserer Redakteurin Birgit Pielen
[Update] Provokation im Dienste des Bürgers?
Dr. Jan Bollinger, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz nahm Stellung zur Berichterstattung unserer Zeitung:
„In einer Demokratie gehört es zu den ersten Aufgaben der Volksvertreter, die Interessen der Bürger zu wahren. Dazu zählt auch das Aufdecken von Missständen, Fehlentwicklungen und Gefahren. Das Hervorrufen eines Verhaltens, also beispielsweise eine parlamentarische Debatte zu einem Thema zu initiieren, nennt man Provokation. Schon das römische Recht kennt die ‚provocatio‘ und bezeichnetet damit die juristische Berufung eines Bürgers an die Volksversammlung. Unserem Auftrag fühlen wir uns verpflichtet. Als Oppositionspartei werden wir weiterhin die Regierung überwachen und die Missstände, die sich seit 25 Jahren SPD-geführter Staatskanzlei angehäuft haben, ins rheinland-pfälzische Parlament bringen. Dabei werden wir weiterhin fest in der Sache und sachlich im Ton auftreten. Die seriöse Provokation im Auftrag des Bürgers hat gerade erst begonnen.“