Weg von der Straße – 5x: Neue Verkehrskonzepte für die City

Von Holger Holzer, SP-X
Toyota stellt für Paris einen elektrischen People Mover zur Verfügung
Toyota stellt für Paris einen elektrischen People Mover zur Verfügung Foto: Toyota

Ein Kleinbus für Rollstuhlfahrer, eine Seilbahn, die sich abhängen lässt, und ein edles Robotaxi als günstiger Privatwagen-Ersatz: Neue Mobiltätsmittel könnten die Städte entlasten.

Lesezeit: 5 Minuten
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SP-X/Köln. Viele Städte wollen den Autoverkehr loswerden. Doch Busse, Tram und U-Bahnen geraten schnell an ihre Grenzen. Fünf Beispiele für neuartige Verkehrskonzepte, die auf den Straßen der Metropolen für Entspannung sorgen könnten.

Toyota stellt für Paris einen elektrischen People Mover zur Verfügung
Toyota stellt für Paris einen elektrischen People Mover zur Verfügung
Foto: Toyota

Toyota APM

Auch einen Elektromotor für Rollstühle haben die Japaner im Angebot
Auch einen Elektromotor für Rollstühle haben die Japaner im Angebot
Foto: Toyota

Nicht nur in Japan altert die Bevölkerung. Wirklich gute öffentliche Transportmittel für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen fehlen aber noch. In diese Lücke soll der Toyota APM („Accessible People Mover“) stoßen, der nun während der Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris Senioren, Menschen mit Behinderungen, Schwangere und Familien mit kleinen Kinder auf den letzten Kilometern zu Spielstätten und Veranstaltungsorten bringt. Der elektrisch angetriebene Kleinbus verzichtet auf Türen, ist somit von beiden Seiten zugänglich und bietet Platz für bis zu sechs Personen in drei Sitzreihen. Der Fahrersitz vorn ist mittig in leicht erhöhter Position angebracht, damit der Fahrer alle Passagiere sieht und ihre individuellen Bedürfnisse beim Ein- und Aussteigen berücksichtigen kann. Für Rollstuhlfahrer können die drei Sitze in zweiter Reihe hochgeklappt werden, ausfahrbare Rampen vereinfachen den Zugang und Befestigungsmöglichkeiten im Boden verhindern das Wegrollen. Alternativ kann der APM auch als Rettungswagen eingesetzt werden – zu diesem Zweck lassen sich die zweite und dritte Sitzreihe so umbauen, dass Platz für eine Trage ist, die von zwei Helfern flankiert wird. Die Flotte aus 250 APM ist nur ein Teil des Engagements des Autoherstellers in Paris. Die Japaner stellen außerdem 190 Mobilitätshelfer vom Typ C-Walk T und 60 C-Walk S zur Verfügung – dabei handelt es sich um einen E-Roller beziehungsweise ein E-Dreirad, das vor allem von Para-Athleten genutzt werden soll. Zudem sollen 200 E-Puller vom Typ Yosh-E zum Einsatz kommen, die Rollstuhlfahrer zur kraftsparenden Fortbewegung nutzen können.

Die Leitner ConnX fährt auch ohne Seil
Die Leitner ConnX fährt auch ohne Seil
Foto: Leitner

Leitner ConnX

Auf dem Boden soll beispielsweise die letzte Meile zurückgelegt werden
Auf dem Boden soll beispielsweise die letzte Meile zurückgelegt werden
Foto: Leitner

Seilbahnen könnten als günstige Alternative zu U-Bahnsystemen auch außerhalb der Gebirge die Verkehrsprobleme in staugeplagten Metropolen mindern. Weil die Gondeln über der Straße schweben, geraten sie anders als Busse und Straßenbahnen nicht in Konflikt mit anderen Verkehrsteilnehmern, der Bau der Trassen soll zudem deutlich günstiger sein als ein U-Bahn-Tunnel. Das Südtiroler Unternehmen Leitner hat eine Variante entwickelt, die das Seilbahn-Konzept mit einem Robo-Shuttle-Dienst verbindet. Sobald die Kabine an der Endstation angekommen ist, wird sie auf ein autonom fahrendes Fahrgestell mit Elektroantrieb gesetzt und fährt einfach am Boden weiter. Die Entwickler betonen den zweifachen Vorteil des hybriden Verkehrsmittels: Im Seilbahn-Modus ließen sich topografische oder bauliche Hindernisse leichter überwinden, im Auto-Betrieb könnten all jene Gebiete angeschlossen werden, in denen aus verschiedenen Gründen eine durchgehende Seilbahnvariante nicht realisierbar ist. So ließen sich etwa Lücken zwischen einzelnen Seilbahnlinien schließen, auch eine Nutzung für den Transport auf der sogenannten „letzten Meile“ wäre denkbar. Nach ersten Tests in Ungarn sowie der Messepräsentation arbeitet der italienische Seilbahn-Spezialist nun an der Serieneinführung. 2025 soll es so weit sein.

Innen wirkt das TSB wie eine U- oder Straßenbahn
Innen wirkt das TSB wie eine U- oder Straßenbahn
Foto: Max Bögl

Rimac Verne

Das TSB ist eine Art Transrapid für die City
Das TSB ist eine Art Transrapid für die City
Foto: Max Bögl

Der in Frankfurt aufgewachsene Kroate Mate Rimac hat mit dem Nevera den schnellsten elektrischen Sportwagen der Welt gebaut, hat sich als europäische Antwort auf Elon Musk zum elektrischen Entwicklungshelfer für Großkonzerne wie VW, Hyundai oder BMW aufgeschwungen, zuletzt die Spitze bei Luxussportwagenbauer Bugatti übernommen und nun mit dem Robotaxi Verne auch noch eine automobile Vision vorgestellt, die unser aller Mobilität von Grund auf verändern soll. Verne – benannt nach dem frühen Science-Fiction-Autor – ist nicht nur ein zweisitziges Auto, das autonom fährt, sondern eine Service-Plattform und ein Unternehmenskonzept. 2026 soll eine erste Flotte in Zagreb an den Start gehen, und kurz darauf in zehn anderen Städten, darunter vier in Deutschland. Die Fahrtkosten sollen auf einem ähnlichen Niveau liegen wie bei Uber oder im klassischen Taxi. Mehrwert will eine App schaffen, die mehr macht als nur die Fahrten zu buchen, die Routen zu planen und den Trip abzurechnen. Denn mit umfassender Vernetzung macht sie das geteilte Fahrzeug zum ganz persönlichen Auto: Wenn sich die Schiebetüren öffnen, läuft die eigene Musik, es herrscht das bevorzugte Klima und der Raumbedufter versprüht die Lieblings-Note. Mitgedacht ist auch die für den Kunden unsichtbare Infrastruktur: Im sogenannten „Mothership“, der jeweilige Zentrale des Betriebs, die mal coole In-Location im Zentrum oder mal funktional in einem Industriegebiet am Stadtrand versteckt sein kann, werden die Autos geladen und vor allem mindestens ein Mal am Tag gereinigt. Und weil der Innenraum modular aufgebaut ist, können bei jedem Umlauf in wenigen Minuten alle Konsolen oder Bezüge ausgetauscht werden, bevor sie abgegriffen sind.

Das Robo-Taxi Verne soll 2026 zunächst in Zagreb an den Start gehen
Das Robo-Taxi Verne soll 2026 zunächst in Zagreb an den Start gehen
Foto: Rimac

Volocopter Flugtaxi

Der Verne ist als Zweisitzer konzipiert
Der Verne ist als Zweisitzer konzipiert
Foto: Rimac

Ist in den Straßenschluchten kein Platz, muss man halt in die Luft ausweichen. So die Grundidee des Lufttaxis. Zu den Pionieren der neuen Verkehrssysteme zählt das deutsche Unternehmen Volocopter, das zuletzt bei Probeflügen über New York für verrenkte Hälse gesorgt hat. Das deutsche Unternehmen will mit seinem ersten Modell Volocity die städtische Mobilität revolutionieren. Statt sich von A nach B zu stauen, sollen betuchte Kunden schnell mit elektrisch angetriebenen Flugtaxis reisen – vorerst mit einem Piloten am Steuer, später in voll autonomen Flugdrohnen. Schon 2025 soll der reguläre Flugbetrieb in Paris beginnen. Sofern dann alle Rahmenbedingungen geklärt sind. Flughöhe und genaue Routen etwa. Denn der Begriff Flugtaxi trifft die Sache nicht wirklich. Volocopter plant, feste Stationen einzurichten, die angeflogen werden sollen. Mit Batteriedepots, an denen sich die neun Akkus innerhalb von fünf Minuten tauschen lassen. Denn angesichts einer maximalen Reichweite von 35 Kilometern ist der Radius sehr eingeschränkt. Außerdem dürfen höchstens 200 Kilo zusammenkommen, sonst bringen die 18 Rotoren den 900 Kilo schweren Flieger nicht in die Luft. Deshalb kann in der engen Kabine neben dem Piloten nur ein Passagier Platz nehmen. Und mehr als Handgepäck ist nicht vorgesehen. Die kurze Reise im Drohnen-Heli werden sich also nur zahlungskräftige Klientel leisten können. Geplant ist aber auch ein größeres Modell: Der Voloregion sieht eher aus wie ein Kleinflugzeug mit breiten Flügeln sowie Antriebsdüsen. Sechs kleine auf den Tragflächen montierte Rotoren erlauben, senkrecht zu starten, um dann mit 180 km/h und bis zu fünf Passagieren durch die Luft zu gleiten. Ob das Geschäft mit dem emissionsfreien Flugdrohnen tatsächlich in Westeuropa abhebt, ist aber zweifelhaft. Scharfe Luftverkehrsbestimmungen erschweren vielerorts die Zulassung. Auch die Hubs mit teuren Batteriewechselstationen aufzubauen, belastet das Budget.

Der Volocity soll auch in Paris starten
Der Volocity soll auch in Paris starten
Foto: Volocopter

Transport System Bögl (TSB)

Das Platzangebot ist zunächst beschränkt
Das Platzangebot ist zunächst beschränkt
Foto: Volocopter

Der Transrapid galt lange als Sinnbild für eine mutlose deutsche Innovationspolitik. Nun pendelt die Magnetschwebebahn statt vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen lieber im technikfreundlichen China hin und her – wo sie sich allerdings auch nie wirklich durchsetzen konnte. Bessere Chancen soll die neue Variante für den öffentlichen Nahverkehr haben, die der bayerische Baukonzern Max Bögl unter dem Namen TSB vorgestellt hat. Anders als das 500 km/h schnelle Technik-Vorbild begnügt sie sich mit city-freundlicheren 150 km/h, entsprechend weniger massiv und teuer fallen die Trassen aus. Die sollen sich laut Hersteller nahezu unauffällig ins Stadtbild einfügen und vor allem wetterfest sein, weil das Fahrwerk komplett in den Wagen verbaut ist. Eine Studie des Bundesverkehrsministeriums kam 2021 zumindest zu dem Urteil, die TSB könne eine „verfügbare und konkurrenzfähige Alternative“ zu schienengebundenen Verkehrssystemen wie Tram, U- und S-Bahn sein. Vor allem letzteres Verkehrsmittel soll sie ergänzen. Bislang findet sich jedoch – trotz anhaltender Diskussionen etwa in Berlin – keine Stadt, die auf die Magnetschwebetechnik setzt. Dabei dürften auch die hohen Fahrzeugkosten eine Rolle spielen. Und die Scheu vor der Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter.

Holger Holzer/SP-X