Ingelheim

RZ-Interview: Klimawandel kann Extremwetter bringen

Die Hochwassersituation in Ost- und Süddeutschland ist extrem. Laut Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt von Wetterkontor in Ingelheim könnten solche Niederschläge aufgrund des Klimawandels in Zukunft allerdings durchaus häufiger vorkommen. Zumindest aus physikalischer Sicht ist dies denkbar.

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Herr Schmidt, der Klimawandel ist angesichts der massiven Hochwasserlage in Süd- und Ostdeutschland erneut in aller Munde. Müssen wir künftig häufiger mit extremen Regensituationen rechnen?

Grundsätzlich ist eine Zunahme möglich, denn bei höheren Temperaturen sind aus physikalischer Sicht auch höhere Niederschlagsmengen möglich. Warme Luft kann aus physikalischen Gegebenheiten mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. Es kann also durch den Klimawandel durchaus dazu kommen, dass es insgesamt mehr Niederschlag gibt.

Wie lässt sich die Situation in Bayern, Sachsen und Thüringen erklären?

Hier sorgen einerseits die lokalen kleinen Tiefdruckgebiete über Mitteleuropa für Niederschlag. Diese Tiefdruckgebiete bewegen sich nur langsam und drehen sich lokal immer wieder. Vom Mittelmeer aus kommt zudem sehr feuchte Luft über die Ostalpen, die bei uns abregnet. An den Gebirgen sorgen starke Winde aus nördlicher Richtung für zusätzliche Hebungseffekte, die den Niederschlag deutlich verstärken. Diese Winde prallen an die Gebirge und treiben die feuchten Luftmassen weiter nach oben. Das verstärkt den Regeneffekt deutlich. Solche Effekte gab es auch beim Elbehochwasser 2002 im Erzgebirge oder auch beim Oderhochwasser 1997. In den letzten Tagen gab es diese Hebungseffekte vor allem an den Alpen, wodurch die starken Abflüsse Richtung Donau zu erklären sind – und ebenso am Erzgebirge sowie im Thüringer Wald, was massive Auswirkungen für Sachsen und Thüringen hat. Auch auf der Schwäbischen Alb gab es am Wochenende extreme Niederschläge, mehr als 100 Liter in 36 Stunden.

Wie extrem sind die Niederschläge im Jahresvergleich?

In einigen Bereichen wurde in den ersten beiden Junitagen mehr Niederschlag gemessen als bei uns im gesamten Monat Mai. In Dresden wurde innerhalb von 48 Stunden mit 73 Litern das Monatssoll für Juni bereits erreicht. In München gab es in diesem Zeitraum 64 Liter Regen, in Kempten 63 Liter. Während es bei uns im Bereich des Neuwieder Beckens im Juni noch gar keinen Niederschlag gab und im gesamten Mai 117 Liter, war der Niederschlag gerade am Sonntag in einigen Regionen extrem. So gab es in Chieming am Chiemsee 139 Liter Regen in den ersten 48 Juni-Stunden, davon mehr als 100 Liter allein am Sonntag. Am Fichtelberg in Thüringen wurden ebenfalls mehr als 100 Liter innerhalb der ersten 48 Stunden im Juni gemessen – 113 Liter. In Chemnitz waren es 94 Liter. Solche Zahlen sind enorm hoch.

Das Gespräch führte Volker Boch