Rheinland-Pfalz

Täglich mehr als 100 Tuben Diclofenac: Wie Abwasserwerke damit umgehen

Im Belebtschlammbecken reinigen Bakterien das Abwasser, solange genügend Sauerstoff hineingesprudelt wird. Die Gebläseaggregate auf der Selterser Kläranlage sind 25 Jahre alt. Ihr Austausch soll eine Menge Strom sparen – wichtiger Baustein der Potenzialstudie, die Energiesparmöglichkeiten aufzeigt.
Im Belebtschlammbecken reinigen Bakterien das Abwasser, solange genügend Sauerstoff hineingesprudelt wird. Die Gebläseaggregate auf der Selterser Kläranlage sind 25 Jahre alt. Ihr Austausch soll eine Menge Strom sparen – wichtiger Baustein der Potenzialstudie, die Energiesparmöglichkeiten aufzeigt. Foto: Werke Selters

In der Abwasserbehandlung stehen Kommunen nicht nur in Rheinland-Pfalz vor einem Kraftakt. Überall gibt es die Aufgabe, „Arzneimittelrückstände und Mikroplastik besser auszufiltern als bisher“, sagt der Vorsitzende des Städtetags Rheinland-Pfalz, der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). „Wir haben pro Tag mehr als 100 Tuben Diclofenac im gereinigten Abwasser.“ Dieser Wirkstoff ist in Arzneimitteln gegen Schmerzen und Entzündungen enthalten. Mainz will 2022 den Antrag für einen Ausbau der Kläranlage mit einer vierten Reinigungsstufe einreichen.

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„Wir kombinieren die vierte Reinigungsstufe mit einer innovativen Elektrolysetechnik, die uns zusätzlich in der Wasserstoffstrategie weiter voranbringt“, erklärte Ebling, der auch Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ist. „Das ist ein Meilenstein. Mit der Aufspaltung von Wasser erhalten wir Wasserstoff für Brennstoffzellen von Bussen oder Müllfahrzeugen“, erklärte der Mainzer Oberbürgermeister. Der entstehende Sauerstoff kann zur Erzeugung von Ozon genutzt werden, womit die weitergehende Reinigung des Abwassers vor der Ableitung in den Rhein möglich wird. Das Ozonverfahren ergänzt die Reinigung mit Aktivkohle.

Die Stadt Mainz rechnet damit, dass die neue Anlage bis 2026 in Betrieb gehen kann. Die Kosten der Reinigungsstufe vier belaufen sich auf 33 Millionen Euro. Davon trägt die Stadt 19,8 Millionen. Bund und Land haben nach Angaben Eblings jeweils 6,6 Millionen zugesagt.

Die Kläranlage in Mainz ist die größte der 672 kommunalen Anlagen in Rheinland-Pfalz. Danach folgen Koblenz und Kaiserslautern. Das Abwasser von Ludwigshafen und angrenzender Gemeinden wird in der Kläranlage des BASF-Konzerns behandelt.

„Kläranlagen sind ideal für die Sektorkopplung, hier werden Energie- und Wasserwirtschaft miteinander verknüpft“, sagte der Staatssekretär im Klimaschutzministerium, Erwin Manz. „Über die Kopplung unterschiedlicher Sektoren lässt sich immer ein Pfad öffnen, damit keine Energie verloren geht und entweder genutzt oder gespeichert werden kann.“

Besonders interessant sei ein Konzept, um in Kläranlagen Strom aus Wind oder Sonne in Zeiten zu verwenden, in denen zu viel davon da ist. Bei der energieintensiven Elektrolyse von Wasser mit der Aufspaltung in Wasserstoff und Sauerstoff kann nicht nur der Wasserstoff als Energiequelle etwa für Busse mit Brennstoffzellentechnik genutzt werden. „Der Sauerstoff könnte sinnvoll verwendet werden für Reinigungsprozesse in der Kläranlage“, sagt Manz. „Wenn dort konzentrierter Sauerstoff in die Becken eingebracht wird, kann die Energie für Gebläse und Lüftungen gespart werden, die bisher über die Luft Sauerstoff ins Klärwasser bringen.“ Der Sauerstoff könne zudem in Ozon umgewandelt und für die vierte Reinigungsstufe verwendet werden, um Mikroschadstoffe zu eliminieren. Mainz wäre die erste derartige Anlage im Land.