Die Zahl der Knieerstprothesen ist seit 2013 erstmals wieder deutlich gestiegen – bundesweit um 18,5 Prozent, in Rheinland-Pfalz um 16,7 Prozent. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes und Berechnungen von Kölner Wissenschafts- und Datenjournalisten des Science Media Centers hervor, die unserer Zeitung exklusiv vorliegen.
Einige Chefärzte aus der Region führen dies gegenüber unserer Zeitung auf das gestiegene Anspruchsdenken vieler Patienten zurück. Der Bonner Schmerzmediziner Dr. Michael Küster verweist indes auf den wirtschaftlichen Druck der Kliniken: „Die Indikation für eine Operation wird oft mehr durch wirtschaftliche Ängste und Zwänge der Kliniken bestimmt und weniger durch den Patienten.“
Ein deutliches Indiz dafür ist, dass die Erlöse, die eine Klinik für eine Erstprothese am Knie erzielen kann, zwischen 2013 und 2016 bundesweit um 9,6 Prozent von 7180 Euro auf 7869 Euro gestiegen sind. In Rheinland-Pfalz stiegen die Einnahmen pro OP wegen des höheren Landesbasisfallwerts sogar von 7607 Euro auf 8233 Euro (8,2 Prozent). Mehrere Chefärzte aus NRW und Bayern sowie eine Klinik-Controllerin berichten anonym, dass solche planbaren und vom Aufwand überschaubaren Knie-OPs besonders für kriselnde kleine Kliniken eine willkommene Gelegenheit sind, um sich zu sanieren und Defizite in anderen Bereichen auszugleichen. Mehr als jede dritte Klinik in Rheinland-Pfalz schreibt laut Krankenhausgesellschaft rote Zahlen.
Im Interesse der Patientensicherheit fordert der Landeschef der Techniker Krankenkasse, Jörn Simon, daher eine Mindestmenge von 100 Knie OPs pro Jahr. Derzeit liegt die Grenze bei 50. „Denn es gilt in der Regel, dass mehr Erfahrung bessere Ergebnisse erzielt“, sagt Simon. Zweitgutachter Küster reicht das nicht. Er wünscht sich, dass eine Klinik mindestens 250 Knie-OPs pro Jahr vorweisen muss, um noch Geld dafür zu erhalten. Die Komplikationsrate sei in Zentren sehr gering.
Fakt ist: In Rheinland-Pfalz setzen laut Krankenhausbewertungsportal Weiße Liste 58 Kliniken ein Knieerstimplantat ein. 6 Krankenhäuser erreichen nicht einmal die Mindestmenge von 50, darunter auch das Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz (41). 26 Häuser liegen zwischen 50 und 100 Erstprothesen, viele davon knapp über der Mindestmenge. Doch nur 26 Kliniken, also nicht mal die Hälfte der operierenden Häuser, liegt über der Zahl von 100, sogar nur elf Kliniken erreichen mehr als 200 OPs pro Jahr, nur fünf würden die von Küster geforderte Mindestmenge von 250 erreichen.
Wie problematisch und schmerzhaft eine Knie-OP sein kann, zeigt eine Umfrage der Barmer GEK unter ihren Versicherten: Nur 43 Prozent der Befragten waren mit ihrer Prothese zufrieden, 21 Prozent waren noch fünf Jahre nach der OP unglücklich mit dem Gelenkersatz, weitere 35 Prozent eingeschränkt. Nahezu jeder dritte Prothesenträger nahm sechs Jahre nach der OP noch Schmerzmittel.