Rheinland-Pfalz

Weibliches Führungstrio für Rheinland-Pfalz: Machen Frauen andere Politik?

Von dpa
Die Spitzenkandidatin der FDP, Daniela Schmitt (links), die Spitzenkandidatin der SPD und Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz, Malu Dreyer (Mitte) und die Spitzenkandidatin der Grünen, Anne Spiegel bei der Landtagswahl 2021 in Rheinland-Pfalz.
Die Spitzenkandidatin der FDP, Daniela Schmitt (links), die Spitzenkandidatin der SPD und Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz, Malu Dreyer (Mitte) und die Spitzenkandidatin der Grünen, Anne Spiegel bei der Landtagswahl 2021 in Rheinland-Pfalz. Foto: dpa

Frauenpower im konservativ-katholischen Rheinland-Pfalz: Die neue Landesregierung steht zwar noch nicht, wird aber aller Voraussicht nach von drei Frauen angeführt werden. Ein Novum in Deutschland, denn eine Landesregierung mit einem Frauentrio an der Spitze gab es noch nie. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) will das in den nächsten fünf Jahren gemeinsam mit der grünen Anne Spiegel und der liberalen Daniela Schmitt vormachen – Sondierungsgespräche laufen. Was bedeutet das für die Landespolitik, zumal zugleich im neuen Landtag nur etwa ein Drittel Frauen sitzen werden?

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„Im Sinne eines Rollenmodells ist das ein starkes Signal: Frauen können es auch allein“, sagt etwa der Demokratieexperte Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung. Die Erziehungswissenschaftlerin Meltem Kulaçatan von der Frankfurter Universität sieht ein „ganz großes Signal“ für „die Aktivität politisch interessierter Frauen“ und ihr „Weiterkommen-Können“. Vehrkamp sagt aber gleichzeitig auch: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauenpolitik gemacht wird, ist erhöht, aber nicht garantiert. Dasselbe gilt für die Art, wie Politik gemacht wird.“

Ist eine weibliche Dreierspitze überhaupt noch etwas Besonderes? „Vielleicht bei uns, weil wir immer noch gern Politik als großen heroischen (Männer-)Kampf inszenieren“, meint der Zukunftsforscher Matthias Horx. Er blickt nach Skandinavien: „Da würde kaum jemand das noch groß registrieren.“ Und: „Auch auf der anderen Seite des Planeten (Neuseeland, Taiwan) ist das ein Trend“, stellt der Autor und Gründer des Zukunftsinstituts fest. „Die Pandemie wird jetzt viele Frauen in Regierungsämter spülen, weil sich in solchen Krisen zeigt, dass männliche, polarisierende Politikstile schlimme Auswirkungen haben.“ Ändert sich in Rheinland-Pfalz der Politikstil? „Frauen sind meistens eben doch in ihrem Politikstil kommunikativer, verbindlicher, zugeneigter und zurückhaltender“, stellt Horx fest. „Das mag ein Klischee sein, und natürlich gibt es auch Gegenbeispiele.“

Auch Männer könnten zudem einen ausgleichenden, „weiblichen“, kooperativen Politikstil pflegen. Den kanadischen Premierminister Justin Trudeau nennt er als Beispiel. „Auch Armin Laschet hat ja das Thema schon für sich entdeckt und will sein Kabinett 50/50 einrichten.“ Politikwissenschaftlerin Uta Ruppert von der Frankfurter Universität stellt fest: „Frauen in der – demokratischen – Politik sind häufig sachbezogener, weniger selbstverliebt und verfolgen entsprechend weniger personalisierte Politikstile als etliche ihrer männlichen Kollegen.“ Und: „Alle Frauen in Spitzenämtern sind sich der immer noch maskulinistischen Grundzüge der Politik sehr wohl bewusst.“

Über Malu Dreyer sagt Ruppert: „Kompetente, unaufgeregte, den Menschen zugewandte Politik, keine gravierenden Fehler und ein hohes Maß an kooperativer Problemlösungsfähigkeit – das schafft politisches Vertrauen.“ Anne Spiegel verkörpere – ähnlich wie Grünen-Chefin Annalena Baerbock – „das Selbstverständnis von jüngeren Frauen bei den Grünen, die nach Jahrzehnten des innerparteilichen Ringens um Geschlechtergleichheit spürbar freier sind von dem Druck der Partei, sich als Frau in der Politik immerzu beweisen zu müssen“. Und: „Für die Arbeit in der Mainzer Koalition ist das ganz sicher ein weiterer Stabilisierungsfaktor.“ Nach Ansicht von Kulaçatan ist Dreyer eine „Spitzenpolitikerin, die einerseits sehr nahbar ist und andererseits sehr professionell auftritt“. Dazu gehöre auch ihre Selbstkritik. Das Potenzial der Lernfähigkeit sei offensichtlich und werde auch so kommuniziert, beschreibt die Expertin den Politikstil der Frauen.

Und wie sehen es die drei Politikerinnen selbst? „Seit vielen Jahren haben wir in Rheinland-Pfalz die weiblichsten Kabinette in ganz Deutschland“, erinnert Dreyer. „Wenn wir uns in den Koalitionsverhandlungen einig werden, führen drei Frauen diese Koalition. Das ist ein starkes Zeichen.“ Allerdings: „Dass es auch 2021 noch spektakulär ist, zeigt aber auch, wo wir in Sachen Gleichberechtigung stehen“, gibt die 60-Jährige zu bedenken. „Gute Zusammenarbeit hängt vor allem vom Vertrauen ab. Ich glaube, da haben wir drei Frauen eine gute Basis.“ Die Liberale Daniela Schmitt spricht „von einem wichtigen Signal der Gleichberechtigung und -stellung“. Die 48-Jährige sagt zugleich: „Aber es ist nicht entscheidend für die Form der Zusammenarbeit.“ Und Spiegel: „Mit jeder Frau in einer Spitzenposition wird die gläserne Decke ein Stück mehr durchstoßen.“ Wie Dreyer bedauert die 40-Jährige, dass der Frauenanteil im Landtag so niedrig ist – sieht da aber vor allem Handlungsbedarf bei den anderen Parteien.

„Die hohen Männeranteile vieler Bundes- und Landesparlamente in Deutschland hängen stark mit den Direktkandidaturen zusammen“, sagt Vehrkamp. Vor allem in der CDU/CSU, aber auch in der SPD seien dabei die Männer noch immer deutlich in der Mehrheit. „Die kommunalen und regionalen Strukturen in den Parteigliederungen sind dort noch immer sehr männlich dominiert. Im Gegensatz zu den Grünen, die als einzige Partei die Kultur der Quotierung auch in ihren regionalen Gliederungen sehr konsequent lebt.“