Nichts macht Sarah wieder lebendig. Auch Rachegefühle, Hass und Wut nicht. Emotional ist es nachvollziehbar, dass viele nicht verstehen können, wieso ihr Peiniger nun erst einmal auf freiem Fuß ist, viele schockiert sind, laut aufschreien.
All das ist erlaubt in diesem so tragischen, auch Jahre später noch fassungslos machenden Fall. Aber Gefühle dürfen – gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Rechtsstaatlichkeit von bestimmten Gruppierungen torpediert und mit Füßen getreten wird – nicht Leitfaden fürs Handeln sein.
Insofern ist es richtig und zudem wichtig, dass die Neubrandenburger Justiz eine klare, stringente und völlig korrekte Linie fährt: Was für alle anderen Straftäter gilt, gilt auch für den Angeklagten im Fall Sarah.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Unser Rechtssystem gilt aus gutem Grund als eines der besten der Welt – auch wenn es manchmal behäbig, undurchsichtig und äußerst zäh erscheint.
Für Demokratie und eine unabhängige, nur der Rechtsstaatlichkeit verpflichtete Justiz einzutreten, ist anstrengend und fordernd – womöglich so fordernd wie noch nie zuvor in der deutschen Geschichte. Und dieser spektakuläre Fall in Alt Rehse ist ein Puzzleteilchen dieser Herausforderung. Das gilt es auszuhalten, auch wenn es schwer fällt. Bizarr ist allerdings, dass Axel G. jetzt genau jenes System zur Freiheit verhilft, das er als Reichsbürger ablehnt.
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