Was sich nicht in Bildern zeigen lässt: Helfer aus Lahnstein schildert, was er im Katastrophengebiet erlebt hat
Schon Tage zuvor hatte der Lahnsteiner gemeinsam mit seiner Frau überlegt, was er tun und wie er helfen kann. Und dann gab es einen Kontakt über eine Bekannte und deren Freund, der entschied, dass er einfach hinfährt, und dem sich der Lahnsteiner gemeinsam mit zwei weiteren Helfern anschloss. Mit einem geländetauglichen alten Bundeswehrfahrzeug.
Ansonsten wären die Strecken gar nicht zu bewältigen gewesen. Wieder gab es einen Kontakt über Bekannte, sodass die vier Helfer schließlich in Bad Neuenahr in unmittelbarer Nähe des Kurhauses einer Familie halfen: Sie räumten die Zufahrt von Geröll und Schlamm frei, halfen, Möbel und Einrichtungsgegenstände – allesamt nun völlig unbrauchbar – nach draußen zu bringen, versuchten, den Keller auszupumpen, bis die Pumpe durch die Unmengen Schlamm, die alles überdecken, schlappmachte.
Sie fingen den Schlamm schließlich mit Eimern auf und brachten diesen und Müll zu Sammelstellen, wo sich drei Meter hohe Berge davon bereits entlang der Straße auftürmten. Hunderte Meter weit. Bilder, wie sie zahlreiche Helfer erlebt haben. Zupacken, mithelfen, einfach da sein und was tun.
Was den Helfer aus Lahnstein aber vielmehr traf, sind Eindrücke, die sich nicht in Bildern festhalten lassen: die angesichts des Geschehens fast schon unheimliche Ruhe, mit der die Bewohner des Katastrophengebiets agieren und handeln. Keine Klagen, kein Jammern, Menschen, die einfach funktionieren, tun, was getan werden muss, auch wenn sie selbst Tote in ihrer Familie, unter ihren Freunden und Nachbarn zu beklagen haben. „Es gibt keine großen Emotionen, keine Tränen. Man hat das Gefühl, dass sich die Menschen in einer kollektiven Schockstarre befinden, unter einer großen Glocke“, schildert der Lahnsteiner und glaubt, dass das Geschehene erst nach vielen Wochen wirklich im Bewusstsein ankommen wird.
Es ist der Geruch, der über dem gesamten Gebiet liegt und der den Helfer noch zwei Tage später begleitet: Schlamm, vermischt mit Öl und Dieselkraftstoff sowie mit Abwasser aus der zerstörten Kanalisation. „Sämtliche Versorgungsleitungen waren dort, wo wir waren, zerstört, einfach abgeknickt. Kein Wasser, kein Strom, kein Gas. Und selbst wenn die Menschen mit Nahrungsmitteln beliefert werden, können sie sich oft gar kein Essen zubereiten.“
Oder das Gefühl, dass diese Bilder, die anmuten wie nach einem verheerenden Krieg, nach Stunden „normal“ zu werden scheinen. „Einfach weil rundherum alles im Chaos versinkt, weil es keinen Flecken gibt, an dem alles intakt ist.“ Auch den Helfern geht der emotionale Bezug zu dem, was sie gerade erleben, verloren. Sie handeln einfach. Bis sie jäh ausgebremst werden. Von „Touristen“ – „Da war der Vater mit seiner Tochter, der – ein Brötchen kauend – sich das ganze Desaster einfach mal angeschaut hat und durch die Straßen schlenderte. Da war auch das dicke Auto, ein Tesla mit Berliner Kennzeichen, der eine Straße blockierte, sodass die Einsatzfahrzeuge erst einmal nicht mehr durchkamen. Unfassbar.“
Noch ein Bild bewegte den Lahnsteiner tief: Der Mann von der Rettungshundestaffel, der mit seinem Hund in den Park in Bad Neuenahr ging. „Erst im zweiten Moment wurde mir klar, was er dort tun wird ...“ Noch immer ist die Suche nach Toten und vermissten grausame Realität.
Er hat nicht viel getan, wiederholt der freiwillige Helfer noch einmal. Er hat nur getan, was er tun konnte – und er will keine große Sache daraus machen. Aber er ist sich auch sicher: Ohne die vielen Helfer, die von überallher kommen und tatkräftig zupacken, würde es den Menschen im Katastrophengebiet noch um einiges schlechter gehen. Sobald es sein Job erlaubt, will er wieder hinfahren, um etwas zu tun.